Im Schuljahr 2012/2013 ist es soweit: Die neue Gemeinschaftsschule geht an 40 Schulen im Land an den Start. Die neue Schulart ist eines der wichtigsten bildungspolitischen Projekte der Landesregierung.
Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule, die sich sowohl am Leistungsprinzip als auch am Prinzip der Chancengleichheit orientiert. Sie ist eine Schule mit inklusivem Bildungsangebot, in der sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen und in ihren Begabungen gefördert werden.
Die Gemeinschaftsschule bietet die Bildungsstandards der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums an. Die Schülerinnen und Schüler sollen bestmöglich nach ihren individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen gefördert werden. Dazu bietet die Gemeinschaftsschule eine anregende Lernumgebung an, in der voneinander und miteinander zielorientiert gelernt wird und wo selbstverantwortlich geforscht, gearbeitet, gespielt und gelacht werden kann.
Kurz: Die Gemeinschaftsschule ist ein Lebens- und Erfahrungsraum, in dem sich Persönlichkeiten entwickeln können, die in unserer Gesellschaft ihren Platz finden wollen und können. Schülerzentrierte Lern- und Unterrichtsformen sollen ermöglichen, dass sich ein Maximum an individuellen Lernprozessen mit einem Optimum an gemeinsamem Lernen verbindet. Darüber hinaus findet eine Orientierung an der Berufs- und Lebenswelt statt und der enge Kontakt mit den Eltern wird zum Wohl der Kinder regelmäßig gepflegt.
Häufige Fragen und Antworten zur Gemeinschaftsschule
1. Ist die Ausstattung der Starterschulen mit Lehrerstunden ausreichend?
Ja. Die Gemeinschaftsschulen, die 2012/2013 beginnen, erhalten zu ihrer normalen Lehrerzuweisung insgesamt zusätzlich 60 Deputate. Im Einzelnen:
- Ausstattung für gebundene Ganztagsschulen an 4 bzw. 3 Tagen
- zusätzlich zwei Lehrerwochenstunden pro Lerngruppe für die besondere Aufgabe der Gemeinschaftsschule: den Umgang mit heterogenen Lerngruppen
- zusätzlich in den ersten drei Jahren pro angefangenem Zug 6 Stunden
- zusätzlich werden für die Starterschulen insgesamt 6 Sonderschuldeputate zur Verfügung gestellt - ergänzend zu den bisherigen Kooperationsstunden.
Diese Ausstattung orientiert sich am Vorgehen anderer Bundesländer bei vergleichbaren Schulen, die dort erfolgreich arbeiten. Die Systeme der Ressourcenzuweisung zwischen den Bundesländern unterscheiden sich teilweise erheblich. Ein Vergleich mit Nordrhein-Westfalen zeigt jedoch, dass die Ausstattung der baden-württembergischen Gemeinschaftsschulen nicht schlechter ausfällt als bei vergleichbaren Schulen dort. Gegenüber Schleswig-Holstein ist die Ressourcenausstattung der baden-württembergischen Gemeinschaftsschulen sogar etwas besser. "Wir sind überzeugt davon, dass die Ausstattung der Starterschulen ausreichend ist", betont Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer.
2. Worauf beruhen die Kriterien für die Auswahl der Starterschulen?
Das Kultusministerium hat sich bei den Kriterien, die für die Genehmigung einer Gemeinschaftsschule zu erfüllen sind, unter anderem an den Qualitätsanforderungen des Deutschen Schulpreises orientiert. Die Gemeinschaftsschulen müssen demnach nachweisen, wie sie mit der Heterogenität der Schüler umgehen, selbstverantwortliches Lernen realisieren, demokratisches Engagement und Gemeinsinn fördern und wie die Schule als lernende Organisation gestaltet werden soll. Darüber hinaus müssen die Starterschulen längere Erfahrungen mit den individuellen und kooperativen Lernformen nachweisen.
3. Geht es bei der Gemeinschaftsschule um Standortpolitik?
Zunächst geht es darum, ein pädagogisches Konzept zu verwirklichen, das mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Miteinander, bessere Entwicklungsmöglichkeiten und letztlich bessere Leistungen erbringt. Selbstverständlich leisten die Gemeinschaftsschulen aufgrund ihrer Attraktivität mit unterschiedlichen Abschlussmöglichkeiten einen Beitrag dazu, in schwach besiedelten Regionen Schulstandorte zu erhalten. Schließlich werden bis zum Jahr 2025 die Grundschuljahrgänge um 10 Prozent und die Jahrgänge in Sekundarschulen um etwa 20 Prozent zurückgehen. Dennoch: "Die Erhaltung des Standorts allein ist in keinem einzigen Fall das Motiv für die Auswahl einer Starterschule gewesen. Das wäre im Übrigen angesichts der Kriterien auch gar nicht möglich gewesen", unterstreicht die Ministerin.
4. Warum sind so wenige Gymnasien und Realschulen dabei?
Die Haupt- und Werkrealschulen haben bereits intensive Erfahrungen im Umgang mit heterogenen Lerngruppen und stehen einer Weiterentwicklung zur Gemeinschaftsschule deshalb besonders offen gegenüber. Mit dieser Anfangslage hat das Kultusministerium bei den Starterschulen gerechnet. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass ab dem Schuljahr 2013/14 auch Realschulen dabei sein werden. Die positiven Beispiele der Starterschulen und die Attraktivität ihrer Pädagogik werden dazu führen, dass auch Gymnasien ein größeres Interesse für das Konzept entwickeln werden.
5. Können leistungsstarke und leistungsschwächere Schüler tatsächlich gut zusammen lernen?
Es gibt bereits vielfältige Erfahrungen auf diesem Gebiet inner- und außerhalb Baden-Württembergs. Gerade die Pisa-Ergebnisse aus Skandinavien und Kanada machen deutlich, wie sehr die moderne Pädagogik bei der Arbeit mit heterogenen Gruppen vorangeschritten ist. Zudem ist die Lichtenberg-Gesamtschule Göttingen auf der Grundlage dieser Pädagogik 2011 von der Robert-Bosch-Stiftung als beste Schule Deutschlands ausgezeichnet worden. Konzepte des gemeinsamen Lernens machen es möglich, die Abschlüsse und Leistungen in den Schulen deutlich zu verbessern.
6. Leiden die guten Schüler nicht in der Gemeinschaftsschule und werden schlechter?
Die Schulen, die das Konzept bereits jetzt anwenden, zeigen das Gegenteil: Alle Schülerinnen und Schüler profitieren in der Regel davon, wenn die guten die schwächeren unterstützen. Zum einen müssen die guten den Stoff selbst in den Griff bekommen, um ihn erklären zu können. Auch Wiederholungen sind da sinnvoll. Zum anderen sind selbst gute Schüler in verschiedenen Fächern unterschiedlich leistungsstark, kommen so auch selbst immer wieder in die Situation des Hilfesuchenden und können von diesem System profitieren.
7. Ist es nachteilig, wenn Lehrkräfte mit unterschiedlicher Qualifikation hier unterrichten und unterschiedlich bezahlt werden?
Die unterschiedliche Qualifikation etwa von Hauptschul- und von Gymnasialpädagogen darf nicht missverstanden werden als Qualitätsunterschied bei Lehrbefähigung und Kompetenz. Die an der Gemeinschaftsschule eingesetzten Lehrkräfte sind eben für Schüler unterschiedlicher Schularten ausgebildet, die sich alle in der Gemeinschaftsschule wiederfinden werden. Und sie sind durch diese Ausbildung in der Lage, Schüler der Sekundarstufe I von Klasse 5 bis 10 zu unterrichten. Durch die Arbeit in einem Team profitieren Lehrer wie Schüler von dieser unterschiedlichen Ausbildung der Pädagogen. Die unterschiedliche Bezahlung - in der Regel zwischen A 12 und A 14 - spiegelt teilweise die unterschiedlich lange Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten wider. Diese Struktur soll überarbeitet werden. Im Übrigen ist es bereits jetzt immer wieder der Fall, dass Pädagogen nicht an derjenigen Schulart eingesetzt werden, für die sie ausgebildet wurden. So arbeiten Realschullehrerinnen und -lehrer auch an Gymnasien. In der Sekundarstufe II bis zum Abitur sollen nur Gymnasiallehrerinnen und -lehrer eingesetzt werden.
8. Sind die Lehrkräfte ausreichend qualifiziert?
Alle an der Gemeinschafsschule eingesetzten Lehrerinnen und Lehrer verfügen über eine gute wissenschaftliche Ausbildung in Unterrichtsfächern und Erziehungswissenschaft. Der Umgang mit heterogenen Lerngruppen ist bereits Bestandteil der modernen Lehrerausbildung, insbesondere an den Pädagogischen Hochschulen. Die Lehrer, die an Gemeinschaftsschulen arbeiten wollen, interessieren sich für gemeinsames Lernen und haben nicht selten bereits umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen absolviert. Lehrerinnen und Lehrer werden zahlreiche Fortbildungs- und Unterstützungsangebote erhalten.
9. Ist die Arbeitsbelastung für die Lehrerinnen und -Lehrer zu hoch?
Diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die bereits jetzt nach diesem Konzept unterrichten, verneinen dies. Sie berichten zwar davon, dass auf der einen Seite ein großes Engagement notwendig ist und viel Zeit in die Vor- und Nachbereitung der Lernprozesse investiert werden müsse, aber auf der anderen Seite sei die Arbeit als Lernbegleiter der Schüler sehr befriedigend. Weitere Aspekte sprechen eher für Entlastung: Zum einen spielt Teamarbeit mit Kollegen eine große Rolle und zum anderen wird der besonders fordernde Frontalunterricht durch Elemente individuellen Lernens ersetzt oder ergänzt. Von den Gemeinschaftsschulen wird erwartet, dass sie im Rahmen ihres Qualitätssicherungskonzepts geeignete Maßnahmen und Strukturen entwickeln, die einer Überforderung der Lehrerinnen und Lehrer entgegenwirken.
10. Welche Fortbildung und Begleitung ist für Lehrkräfte der Gemeinschaftsschule vorgesehen?
Derzeit wird ein Konzept erarbeitet, das einerseits die Praxisbegleitung der Schulen und andererseits eine wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse umfasst. Unter der Überschrift "Praxisbegleitung" werden die bereits bestehenden Kompetenzen in den Regierungspräsidien und Schulämtern gebündelt und die betreffenden Referenten weiter qualifiziert, so dass sie den künftigen Gemeinschaftsschulen sowohl beim Projektmanagement als auch bei fachlichen und methodisch-didaktischen Fragen Unterstützung geben können. Zusätzlich gibt es im Fortbildungsbereich Angebote zu Lernkonzepten der Gemeinschaftsschule. Dabei werden das Landesinstitut für Schulentwicklung, das Landesmedienzentrum, die Hochschulen und die Ausbildungsseminare in die Praxisbegleitung eingebunden. Auch die Wirtschaftsverbände, private Stiftungen und zahlreiche weitere Akteure haben ihre Unterstützung zugesagt.
11. Sind die Schulabschlüsse vergleichbar, wenn Familien umziehen?
An der Gemeinschaftsschule werden formal und faktisch die gleichen Bildungsabschlüsse vergeben wie an den Schulen des gegliederten Schulwesens. Grundlage sind die bundesweit gültigen Bildungsstandards von Hauptschule, Realschule und Gymnasium. So können Eltern sicher sein, dass ihre Kinder bei einem Umzug innerhalb Baden-Württembergs oder Deutschlands in anderen Schulen Anschluss finden.