Im Juli 2011 wurde der endgültige Atomausstieg in Deutschland beschlossen. Bis dahin lag der Anteil an Atomstrom in Baden-Württemberg bei rund 50 Prozent. Zusätzlich zum Atomausstieg ist Baden-Württemberg in besonderem Maße vom Kohleausstieg betroffen, den der Bund im Jahr 2020 beschlossen hat. Um die wegfallenden Kapazitäten zu ersetzen, treiben wir die Energiewende engagiert voran.
Im Jahr 2021 hatten die erneuerbaren Energieträger in Baden-Württemberg einen Anteil an der Stromerzeugung von etwa 36 Prozent. Langfristig sollen die erneuerbaren Energien einen noch größeren Teil der Stromversorgung in Baden-Württemberg decken.
Die Windkraft hat dabei das größte Ausbaupotenzial. Deshalb hat die Landesregierung die Weichen für einen konsequenten Ausbau der Windkraft im Land gestellt.
Dabei haben wir schon viel erreicht: Ende 2021 waren in Baden-Württemberg insgesamt 758 Windenergieanlagen in Betrieb. Erzeugte die Windkraft in Baden-Württemberg 2011 gerade mal knapp 0,6 Terawattstunden (TWh) Strom, waren es im Jahr 2020 nach ersten Schätzungen bereits rund drei TWh. Das zeigt, dass der Ausbau Fahrt aufnimmt. Seit 2018 hat sich der Ausbau allerdings deutlich verlangsamt. Im aktuellen Koalitionsvertrag sind daher Maßnahmen verankert, um dem Windenergieausbau wieder den notwendigen Schwung zu bringen.
Unter anderem kümmert sich eine von Ministerpräsident Winfried Kretschmann eingesetzte ressortübergreifende Task Force um die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Neben der Windkraft will die Landesregierung auch die Potenziale der Solarenergie noch besser ausschöpfen. Im Jahr 2020 haben die 6,9 Gigawatt (GW) in Baden-Württemberg installierte Photovoltaikleistung rund 6,3 TWh Strom produziert.
Auch die Wasserkraft hat in Baden-Württemberg mit knapp sieben Prozent Anteil an der Stromerzeugung bereits ein hohes Niveau erreicht. Vor allem durch Modernisierung von kleinen Anlagen wollen wir die installierte Leistung noch in geringem Umfang erhöhen.
Für den Anbau von Energiepflanzen für Biogas und für Biotreibstoffe wird in Baden-Württemberg derzeit rund 15 Prozent der Ackerflächen genutzt. Dieses Niveau hat sich in den letzten Jahren stabilisiert und liegt im Rahmen dessen, was nachhaltig machbar erscheint. Der bereits angestoßene Prozess einer Nutzung von ökologisch wertvollen Substraten, Rest- und Abfallstoffen anstatt Energiemais sowie die flexible Bereitstellung von Energie wird in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Auch unsere Digitalisierungsstrategie digital@bw wird einen wichtigen Teil zur Energiewende und zur Integration der erneuerbaren Energien beitragen. So setzt Baden-Württemberg auf Informations- und Kommunikationstechnologien, wenn es darum geht, Strom, Wärme und Verkehr sinnvoll zu einem Ganzen zu verbinden.
Um die Potenziale der Solarenergie in Baden-Württemberg noch besser auszunutzen, haben wir eine Solaroffensive gestartet. Mit der Freiflächenöffnungsverordnung (FFÖ-VO) haben wir die vorgegebene Flächenkulisse im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) für solare Freiflächenanlagen auf Acker- und Grünlandflächen in sogenannten benachteiligten Gebieten geöffnet. Damit haben wir bereits 2017 einen ersten Impuls zur Stärkung der Photovoltaik im Land gesetzt. Wir werden diese FFÖ-VO zeitnah in 2022 an den notwendigen schnelleren Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik anpassen.
Daneben nehmen wir die flächenneutrale Installation verstärkt in den Fokus. Neben einer weiteren Steigerung der Nutzung geeigneter Dachflächen verfolgen wir auch innovative Ansätze. Momentan werden Projekte gefördert, welche gebäudeintegrierte Fassaden-Photovoltaik voranbringen und die Potenziale für ehemalige Deponien und der sogenannten schwimmenden Photovoltaik aufzeigen sollen. Auch für die Etablierung der Agri-Photovoltaik setzen wir uns auf vielfältige Weise ein.
Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes im Jahre 2021 haben wir eine Photovoltaikpflicht für neue Gebäude und Parkplatzflächen und bei grundlegenden Dachsanierungen eingeführt.
Photovoltaik-Anlagen mit Batteriespeichersystemen ermöglichen einen höheren Anteil der Eigenversorgung mit selbst erzeugtem Photovoltaik-Strom. Deshalb haben wir bis Mitte 2019 sehr erfolgreich mit einem Förderprogramm netzdienliche Batteriespeicher in Verbindung mit einer neu zu errichtenden Photovoltaikanlage unterstützt.
Damit haben wir auch einen Anreiz für den Bau von zusätzlichen Photovoltaik-Anlagen geschaffen. Am Ende stand der Fördersumme von gut zehn Millionen Euro schätzungsweise eine Gesamtinvestitionssumme von etwa 120 Millionen Euro durch rund 4.000 Fördervorhaben. Das Förderprogramm hat ein Zubau an Photovoltaik-Leistung von knapp 50 Megawatt peak (MWp) sowie ein Zubau der Speicherkapazität von etwa 35 Megawattstunden (MWh) erreicht.
Im Rahmen des Maßnahmenpakets „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ haben wir das Förderprogramm während der Corona-Pandemie im März 2021 mit zehn Millionen Euro neu aufgelegt. Die inzwischen erschöpften Fördermittel lassen angereizte Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 100 Millionen Euro sowie ein vergleichbarer Zubau der Photovoltaik-Leistung und der Speicherkapazität wie im abgeschlossenen Förderprogramm erwarten.
Photovoltaik-Mieterstrommodelle sollen die Nutzung von Photovoltaik auch für Mieterinnen und Mieter ermöglichen und so zu einem stärkeren Ausbau der Photovoltaik in den Städten führen. Wir haben uns bei der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass die rechtlichen Rahmenbedingen für diese Modelle mit dem Mieterstromgesetz verbessert wurden. Außerdem unterstützen wir die relevanten Akteurinnen und Akteure im Rahmen des Förderwettbewerbs „Regionale Photovoltaik-Netzwerke“ durch Informations- und Beratungsangebote sowie Vernetzungsaktivitäten bei der Überwindung organisatorischer, informatorischer und institutioneller Barrieren für die Errichtung von Photovoltaikanlagen. Damit gibt das Land auf regionaler Ebene einen wichtigen Impuls für die Errichtung von Photovoltaikanlagen.
Im Rahmen des Förderprogramms „Energieeffiziente Wärmenetze“ gibt es zusätzlich zur Investitionsförderung einen Bonus von bis zu 50.000 Euro für den Einsatz von Solarthermie. Einzige Voraussetzung ist ein Solarertrag von mehr als zehn Prozent an der erforderlichen Gesamtwärmemenge.
Einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet auch das baden-württembergische Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG). Nach einem Heizungsaustausch sollen demnach fünfzehn Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien stammen. Dabei gibt es eine große Wahlfreiheit und hohe Flexibilität, wobei sich erneuerbare Energien und Ersatzmaßnahmen miteinander kombinieren lassen. Mit diesem Gesetz haben wir unsere bundesweite Vorreiterrolle beim Klimaschutz im Gebäudebereich weiter ausgebaut. Zudem wollen wir die Wärmepumpentechnik gezielt fördern.
Die Wärmeversorgung soll langfristig klimaneutral werden. Das ist nicht einfach und bedarf eines planvollen koordinierten Vorgehens vor Ort. Dazu sollen die Gemeinden eine kommunale Wärmeplanung über das gesamte Gemeindegebiet erstellen.
Zur Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele kommt einer vollständig klimaneutralen Wärmeversorgung eine Schlüsselrolle zu. Um diese zu erreichen, müssen wir den Endenergiebedarf im Gebäudesektor massiv reduzieren. Gleichzeitig müssen heute die strategisch richtigen Entscheidungen auf kommunaler Ebene getroffen werden, um den verbleibenden Energiebedarf klimaneutral decken zu können. Dem tragen wir durch die gesetzliche Verpflichtung der Stadtkreise und Großen Kreisstädte zur kommunalen Wärmeplanung Rechnung getragen.
Die kommunale Wärmeplanung soll den aktuellen Wärmebedarf und die Potenziale für die Nutzung erneuerbarer Energieträger und Abwärme sowie für die Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung systematisch erheben. So sollen Konzepte für eine klimaneutrale Wärmeversorgung im Jahr 2040 entstehen. Für die nicht gesetzlich verpflichteten Gemeinden legen wir ein Förderprogramm auf. Zudem schaffen wir ein Netz regionaler Beratungsstellen für die kommunale Wärmeplanung. Unser Sofortprogramm für den Klimaschutz sieht vor, die Kommunen, die nicht zu einer Wärmeplanung verpflichtet sind, stärker als bislang durch ein Förderprogramm zu unterstützen und die regionalen Energieagenturen zu stärken.
Die Abwärmenutzung soll sich zu einer relevanten Säule der Energiewende entwickeln und zukünftig einen wichtigen Baustein darstellen, um die im Klimaschutzgesetz formulierten Ziele zu erreichen. Mit der Umsetzung der im „Abwärmekonzept Baden-Württemberg“ verankerten Maßnahmen sollen die großen vorhandenen Potenziale erschlossen und Abwärme zu einem relevanten Energieträger ausgebaut werden. Schwerpunkt ist Abwärme aus Industrie und Gewerbe, aber auch Wärme aus Kläranlagen und Rechenzentren soll in Wärmenetzen genutzt werden. Bei der Umwelttechnik BW ist ein Kompetenzzentrum Abwärme eingerichtet.
Mit der Gründung der deutsch-französischen Wärmegesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“ Ende 2021 wurde die grenzüberschreitende Nutzung der Abwärme, die bei der Stahlproduktion der Badischen Stahlwerke GmbH anfällt, aufs Gleis gesetzt – ein deutsch-französisches Leuchtturmprojekt für den Klimaschutz und die Wärmewende. Die Abwärme soll über die Landesgrenze hinweg in die Fernwärmenetze von Straßburg und Kehl eingespeist werden.
Die sichere Versorgung mit Strom ist insbesondere für ein Industrieland wie Baden-Württemberg unverzichtbar. Die Landesregierung achtet deshalb sehr genau darauf, dass auch zukünftig eine zuverlässige und stabile Stromversorgung gewährleistet ist. Dazu müssen wir unser Energiesystem modernisieren. Mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien müssen wir auch unsere Stromnetze ausbauen und intelligenter machen.
Wir müssen dafür sorgen, dass erneuerbare Energien gespeichert werden können und den Verbrauch reduzieren sowie flexibilisieren, aber auch hocheffiziente, schnell reaktionsfähige Gaskraftwerke, die in Zukunft mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können, zum Einsatz kommen. Es kommt jetzt darauf an, die richtigen Weichen zu stellen und zügig die dazugehörenden Investitionen in Angriff zu nehmen.
Energie, die nicht verbraucht wird, muss erst gar nicht erzeugt werden. Eingesparte Energie ist deshalb die beste Energie. Deswegen wollen wir die Energieeffizienz im Neubau und Gebäudebestand weiter voranbringen und die Sanierungsquote im Land anheben. Gute Beispiele zeichnet das Umweltministerium mit dem Effizienzpreis Bauen und Modernisieren aus.
Die Landesregierung fördert die serielle Sanierung von Gebäuden mit industriell vorgefertigten Fassaden- und Dachelementen, Außerdem setzen wir Anreize für besonders ambitionierte Sanierungen im Eigenheim und unterstützen Erstberatungs- und Informationsangebote.
Die soziale Komponente der Energiewende wollen wir, gemeinsam mit allen maßgeblichen Akteurinnen und Akteuren, in der Initiative „Energieeinsparung in einkommensschwachen Haushalten“ aufgreifen. Mit der Initiative wollen wir zielgruppenspezifische Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten ausbauen, um auch einkommensschwachen Haushalten eine aktive Teilhabe an der Energiewende zu erleichtern.
Wir unterstützen ebenfalls unsere Unternehmen, ihre Energieeffizienzpotenziale zu heben. Ein wichtiges Projekt ist dabei das bis 2023 angelegte Projekt „Regionale Kompetenzstellen des Netzwerks Energieeffizienz (KEFF)“. Aufgabe der KEFF ist die Sensibilisierung, Information und Motivation von Unternehmen zum Thema Energieeffizienz. Weiterhin sollen sie Energieberatungsangebote insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen vermitteln, Unternehmen beim Übergang von der Beratung zur Umsetzung von Maßnahmen unterstützen und dabei helfen, die lokalen Akteure in regionale Netzwerke einzubinden. Die Regionalen Kompetenzstellen werden wir im Rahmen des Förderprogramms KEFF+ fortführen und um den wichtigen Aspekt Ressourceneffizienz erweitern.
Hilfreich für die Steuerung und die Erfolgskontrolle der Effizienzbemühungen ist die Einführung eines Energiemanagementsystems. Wir unterstützen Unternehmen und Kommunen dabei. So behalten sie ihre Energiekosten im Griff und haben gute Chancen, ihren Energieverbrauch systematisch und kontinuierlich zu reduzieren.
Durch fünf Kompetenzzentren und das Informationsprogramm Zukunft Altbau (ZAB) bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) unterstützt das Land alle Zielgruppen mit Impulsberatungen, Vorträgen, Veranstaltungen, Wissenstransfer sowie beim Aufbau und der Pflege von Netzwerken.
Die Energiewende ist nicht nur ökologisch richtig, sie ist auch ökonomisch sinnvoll. Heiß es vor wenigen Jahren noch mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben, ist heute klar, dass man künftig nur noch mit grünen und nachhaltigen Ideen und Technologien schwarze Zahlen schreiben kann. Klimaschädliche Technologien sind ein Auslaufmodell – gerade auch auf dem Weltmarkt. Schon heute beläuft sich der jährliche Umsatz mit Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umwelt- und Klimaschutz in Baden-Württemberg auf über zwölf Milliarden Euro. Davon profitieren viele Branchen im Land: vom Anlagenbau bis zum Heizungsinstallateur, vom exportorientierten Weltkonzern bis zum kleinen Handwerksbetrieb vor Ort. Energieeffiziente und ressourcenschonende Maschinen und Produkte „Made in Baden-Württemberg“ bieten besonders für den Maschinenbau als Schlüsselbranche der hiesigen Industrie große Chancen.
Die Landesregierung hat im Dezember 2020 die Wasserstoff-Roadmap Baden-Württemberg beschlossen. Sie gibt den Weg für die kommenden Jahre vor, um Baden-Württemberg zu einem führenden Standort für Wasserstoff- und Brennstofftechnologien zu machen.
Die Wasserstoff-Roadmap soll dazu beitragen, durch den Einsatz von grünem Wasserstoff in den unterschiedlichen Sektoren wie Industrie, Mobilität und Energiewirtschaft die Treibhausgas-Emissionen zu verringern und den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft begleiten. Zur Umsetzung der Wasserstoff-Roadmap BW haben wir die Plattform H2BW eingerichtet.