Kunst und Kultur

Austausch im Rahmen der Namibia-Initiative des Landes

Das Völkerkundemuseum Linden-Museum in Stuttgart. (Bild: picture alliance/Sina Schuldt/dpa)

Im Zusammenhang mit der Namibia-Initiative des Landes fand ein Austausch bei der namibisch-deutschen Summer School des Linden-Museums Stuttgart statt. Studierende setzten sich gemeinsam mit der kolonialen Vergangenheit auseinander und begründeten neue Formen der Zusammenarbeit.

Im Rahmen der Namibia-Initiative des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst beschäftigten sich Studierende der University of Namibia und der Universität Tübingen auf Einladung des Linden-Museums Stuttgart in einer Summer School von 11. bis 22. Juli 2022 mit Fragestellungen zum postkolonialen Museum und zur Erinnerungskultur. Im Projekt „With Namibia: Engaging the Past, Sharing the Future“ stellt sich das Linden-Museum seiner historischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem deutschen Kolonialismus und gestaltet aktiv für eine junge Generation neue, nachhaltige Formen der Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus Namibia.

„Ich freue mich, dass die Studierenden aus Windhoek und Tübingen in den letzten beiden Wochen die Gelegenheit hatten, sich gemeinsam mit den Objekten im Linden-Museum auseinanderzusetzen und deren kulturelle und historische Kontexte zu ergründen. Der Gegenbesuch der deutschen Studierenden in diesem Herbst wird Gelegenheit bieten, die begonnenen wertvollen Diskussionen in Namibia fortzuführen und zu vertiefen“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am 22. Juli 2022 in Stuttgart.

„Die Summer School ist ein längst überfälliges und dringend benötigtes gemeinsames Gespräch über den Umgang mit einer gemeinsamen und doch schwierigen Geschichte“, sagte Dr. Martha Akawa-Shikufa von der University of Namibia.

Summer School des Linden-Museums

An der Summer School nahmen jeweils zehn namibische und deutsche Studierende teil. Projektverantwortliche und Dozierende des zweiwöchigen Austauschs waren auf namibischer Seite Dr. Martha Akawa-Shikufa (Prodekanin an der Fakultät für Bildung und Humanwissenschaften) und Dr. Goodman Gwasira von der University of Namibia sowie Aaron Nambadi, Kurator des Windhoek City Museum und Vorstandsmitglied des Museumsverbandes von Namibia. Auf deutscher Seite waren Prof. Dr. Bernd-Stefan Grewe (Institut für Geschichtsdidaktik und Public History) und PD Dr. Johannes Großmann (Institut für Zeitgeschichte) von der Universität Tübingen beteiligt sowie Afrika-Kuratorin Dr. Fiona Siegenthaler und weitere Mitarbeitende des Linden-Museums Stuttgart.

Prof. Dr. Bernd-Stefan Grewe zeigt sich begeistert von der Zusammenarbeit der Studierenden: „Am meisten hat mich beeindruckt, wie die namibischen und deutschen Studierenden aufeinander eingegangen sind, wie sie gemeinsam die Objekte untersucht, beschrieben und in ihren Kontext eingeordnet haben. Das Spannendste war, wie Studierende der Herero und der Himba per Whatsapp Kontakt zu ihren Gruppen hergestellt haben und so in wenigen Minuten zusätzliche Informationen und Bilder in die Untersuchung einfließen ließen.“

Anregende Diskussionen bei der Summer School

Aaron Nambadi vom Museumsverband Namibia sieht den Austausch als zukunftsweisend: „Die Summer School brachte Hoffnung in die Diskussion über die Bedeutung des Kulturerbes, die gegenseitige Diskussion über Rückführung, Völkermord, Ethik und vor allem die Beziehung zwischen Museen, der Jugend und der älteren Generation.“

Dr. Fiona Siegenthaler erkennt in der Summer School auch einen großen Gewinn für das Linden-Museum: „Mich begeistert das Engagement und der kritische Zugang der Studierenden zu den Objekten und Sammlungen und ihrer Geschichte. Sie interessiert auch, welche Informationen nicht vorhanden sind und warum – also auch, wer schlussendlich Wissen generiert, wie, und mit welchen Absichten. Sie stellen neue, wichtige Fragen, die in der Museumsarbeit und im akademischen Diskurs bisher zu wenig berücksichtigt worden sind und leisten einen wichtigen Beitrag zu einer Vielheit von Perspektiven.“

Umgang mit ethnologischen Sammlungen aus kolonialen Kontexten

Im Mittelpunkt der Summer School stand der Umgang mit ethnologischen Sammlungen aus kolonialen Kontexten. Die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte dieser Sammlungen in Deutschland, mit der Ethnologie als wissenschaftlicher Praxis früher und heute oder mit der Ausstellung „Wo ist Afrika?“ des Linden-Museums führte zur Diskussion grundlegender Fragen: Wie begegnet man Objekten und Objektgeschichten aus gewaltsamen Kontexten auf sensible Weise? Wie kann Repräsentation gelingen? Wem gehören die Objekte und in welcher Beziehung stehen sie zu kultureller Praxis, zu unserem Alltag und zum immateriellen Kulturerbe?

Die konkrete Beschäftigung mit Objekten aus zwei namibischen Sammlungen des Museums warf über die Forschung zur Provenienz hinaus Fragen zur Generierung von Wissen auf. Hier wurde der europäische Fokus auf die Sammler kritisiert und der Wunsch nach einer stärkeren Einbindung von Wissen – vor allem aus mündlicher Überlieferung – der indigenen Communities artikuliert. Über den Transformations­prozess des Linden-Museums und die Frage, wie ethnologische Museen neu gedacht werden müssen, diskutierten die Studierenden mit Direktorin Prof. Dr. Inés de Castro. Workshops mit Archivmaterialien, Einblicke ins Museumsdepot, die Restaurierung und die „Sammlung digital“ rundeten die Arbeit zur Museumspraxis ab.

Auseinandersetzung mit dem Genozid an den Herero und Nama

Ein weiterer Schwerpunkt der Summer School war die Auseinandersetzung mit dem Genozid an den Herero und Nama und die damit verbundene Aufarbeitung und Erinnerungskultur. Die deutschen Studierenden bemängelten die lange vernach­lässigte Behandlung des Themas in Schule und Öffentlichkeit und das daraus resultierende fehlende Wissen in Deutschland. Für die namibischen Teilnehmenden ist die Beschäftigung mit der Kolonialzeit sowohl Teil der nationalen Erinnerungskultur als auch lebendiger Bestandteil von familiären Erzählungen, ein Erinnern in Bewegung.

Neben der Projektarbeit gab es begleitend für die Studierenden ein umfangreiches Kulturprogramm: Es führte sie ins Landesmuseum Württemberg, zum Sommerfestival der Kulturen, ins Mercedes-Benz-Museum, die Kleinplastik-Triennale nach Fellbach, ins Hotel Silber, zu einem Konzert des Staatsorchesters in der Liederhalle und zum Stocherkahnfahren nach Tübingen.

Das Austauschprojekt wird mit einem Gegenbesuch in Windhoek von 3. bis 17. Oktober fortgesetzt.

Namibia-Initiative Baden-Württemberg

Die Namibia-Initiative des Landes Baden-Württemberg umfasst aktuell neun Projektlinien, die von kulturellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Institutionen des Landes durchgeführt und verantwortet werden. Mit der Namibia Initiative wird ein engmaschiges Netzwerk zwischen Kultureinrichtungen und Hochschulen in Baden-Württemberg und Namibia aufgebaut. Das Augenmerk liegt dabei auf dem Austausch zwischen Studierenden, Lehrenden, Kunst- und Medienschaffenden.

In diesem Jahr haben zahlreiche gegenseitige Arbeitsbesuche stattgefunden, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als eine Bereicherung für ihre künstlerischen und wissenschaftlichen Projekte wahrgenommen werden. Vor allem die Möglichkeit zum gemeinsamen Gespräch, in dem auch schwierige Perioden der Kolonialgeschichte beleuchtet werden können, wird als Grundlage für weitere partnerschaftliche Kooperationen verstanden und geschätzt.

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst: Namibia-Initiative

Weitere Meldungen

Portrait von Thomas Rupp
  • Verwaltung

Neue Leitung beim Finanzamt Ehingen

Gut Beraten!
  • Ländlicher Raum

Land fördert innovatives und bürgerschaftliches Engagement

Eltern und Kinder turnen in einer Sporthalle in Berlin.
  • Sport

18 Millionen Euro für 117 kommunale Sportstätten

Schülerinnen und Schüler heben im Schulunterricht die Hände.
  • Bildung

Koalition bringt großes Bildungspaket auf den Weg

Ein blaues, rundes Schild mit einem Fahrrad als Symbol, welches Sonderwege für Radfahrende kennzeichnet. Im Hintergrund sind Baumkronen.
  • Radverkehr

Bad Peterstal–Bad Griesbach: Radweg freigegeben

Ein Länderschild «Deutschland-Schweiz» ist an der deutsch-schweizerischen Grenze zu sehen. (Bild: Patrick Seeger / dpa)
  • Forschung

Neue Impulse für die Wissenschaftsbeziehungen mit der Schweiz

Abiturienten lesen sich kurz vor Beginn der Prüfung die Abituraufgaben im Fach Deutsch durch. (Foto: © picture alliance/Felix Kästle/dpa)
  • Schule

Abschlussprüfungen an den beruflichen Schulen starten

Kabinettsausschuss Entschlossen gegen Hass und Hetze
  • Innere Sicherheit

Fünfte Sitzung des Kabinettsausschusses gegen Hass und Hetze

  • Podcast zum Bundesrat

SpätzlesPress #2: Organspende – Eine Geste für das Leben

Blick auf die Landesgartenschau Wangen mit einem bunten Blumenfeld im Vordergrund
  • Verkehr

Nachhaltige und innovative Mobilität auf der Landesgartenschau

Polizisten kontrollieren eine Gruppe Jugendlicher. (Foto: dpa)
  • Gesetzentwurf

Ministerrat beschließt Änderungen des Landesbeamtengesetzes

Menschen gehen über die Bernhardusbrücke in Bad Krozingen.
  • Kommunen

Bad Krozingen wird Große Kreisstadt

Die Kabinettsmitglieder sitzen am Kabinettstisch der Villa Reitzenstein.
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 30. April 2024

Geschäftsleute in einem Sitzungssaal diskutieren unter der Leitung einer Führungskraft.
  • Gründungskultur

Baden-Württemberg stärkt Start-up-Förderung

Verkehrsminister Winfried Hermann und Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut auf dem Fahrrad mit weiteren Radfahrenden beim STADTRADELN-Auftakt 2024
  • Radverkehr

Auftakt zum STADTRADELN 2024

Neugestalteter Stadtpark am Wuhrloch in Neuenburg am Rhein
  • Städtebau

Städtebaumaßnahmen in Neuenburg am Rhein abgeschlossen

Ein Inlineskater fährt auf einer Fußgängerbrücke.
  • Straßenbau

Rund 46 Millionen Euro für Straßen und Brücken

Ein Lehrer erklärt einem Schüler etwas (Bild: © Ministerium für Kultus, Jugend und Sport BW).
  • Studium

Zusätzlicher Weg ins Lehramt

Die Waldbox
  • Forst

Waldpädagogikangebot „Die Waldbox“

LGS 2024 in Wangen
  • Gartenschau

Landesgartenschau Wangen eröffnet

Die Aufnahme zeigt das Atomkraftwerk in Fessenheim in Frankreich.
  • Kernkraft

Stellungnahme zu KKW Fessenheim

Ein Wolf sitzt im Erlebnispark Tripsdrill in einem Gehege. (Foto: dpa)
  • Wolf

Wolf tötet Schafe in Rudersberg

Justizministerin Marion Gentges hält am Pult des Bundesrates eine Rede.
  • Justiz

Identität von Vertrauenspersonen schützen

Rinder mit Kälbern auf der Weide
  • Landwirtschaft

Milchwirtschaft nicht zusätzlich belasten

Ein Stempel mit der Aufschrift "Bürokratie" liegt auf Papieren.
  • Bundesrat

Land treibt Bürokratieabbau voran