Schule

Der Bildungsaufbruch schreitet voran: Die neue Schulpolitik in Baden-Württemberg

Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer stellt heute in einem Brief an die Eltern, Schulen, Kindergärten und Schulträger im Land ihre bildungspolitischen Ziele umfassend vor. Dazu wurde die Koalitionsvereinbarung im Ministerium in erste konkrete inhaltliche Vorschläge gegossen. "Wir können die Bildungschancen für alle Kinder im Land deutlich verbessern, wenn wir die Koalitionsvereinbarung schrittweise umsetzen", sagt die Ministerin. Sie strebt in einem ersten Schritt in vier Punkten Reformen an:

  1. Abschaffung der verpflichtenden Grundschulempfehlung
  2. Einrichtung eines Weges für G 9 innerhalb des achtjährigen Gymnasiums
  3. Chance auf mittleren Schulabschluss für alle: Werkrealschule weiterentwickeln
  4. Einführung der Gemeinschaftsschule

Für diese Vorhaben muss allerdings das Schulgesetz geändert werden, um den Schulen und Eltern eine klare Rechtssicherheit bieten zu können. Wenn die Anträge der Schulträger genehmigt sind, könnten die Schulen die Reformvorhaben zum Schuljahr 2012/13 umsetzen. Im Kultusministerium wird derzeit ermittelt, welche Ressourcen für die Umsetzung dieser Vorhaben konkret gebraucht werden und welche zur Verfügung stehen. Bei den Haushaltsberatungen wird die Landesregierung dann klären, in welchen Schritten eine Umsetzung möglich ist.

Der Leitgedanke der grün-roten Schulpolitik lautet: gute Schule wächst von unten. "Die Kreativität vor Ort soll sich entfalten können und nicht gedeckelt werden", sagt die Ministerin. Das Kultusministerium wird deshalb innovative Schulkonzepte genehmigen, wenn sie bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen. Ziel ist dabei, Kinder besser individuell zu fördern und ein längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen.

1. Die Eltern haben das Sagen:

Grundschulempfehlung nicht mehr verpflichtend

Das Kultusministerium will die verpflichtende Grundschulempfehlung durch eine intensive Beratung der Eltern ersetzen. Bestandteil des Konzepts ist auch, die Kooperation zwischen den Grundschulen und den weiterführenden Schulen auszubauen. Geplant ist, dass die neue Regelung zum Schuljahr 2012/13 in Kraft tritt, die Eltern also schon im Beratungsverfahren im Frühjahr 2012 Wahlfreiheit haben. "Wir wollen dafür sorgen, dass die Eltern endlich das Sagen haben, wenn es um eine solch wichtige Entscheidung für ihre Kinder geht", erklärt Warminski-Leitheußer. Die bisherigen Erfahrungen bei einem solchen Schritt etwa in Rheinland-Pfalz seien positiv.

2. Eine G 9-Lösung im G 8:

zwei Kernwege an einer Schule

Die Ministerin will mit diesem Angebot an Schulträger und Eltern die Belastung durch das achtjährige Gymnasium verringern. Allerdings ist nicht das Ziel, das G 8 abzuschaffen oder zum alten G 9 zurückzukehren. Falls ein Schulträger aber auf der Grundlage des G 8-Bildungsplans einen neunjährigen Weg zum Abitur einführen will, kann dies beantragt werden. Warminski-Leitheußer will dabei in den unteren Klassen beginnen, um den Einstieg für die Mädchen und Jungen in das Gymnasium zu erleichtern. Dazu gibt es bisher die Überlegung, den Stoff der Klassen fünf und sechs auf drei Klassen zu verteilen. Ab Klasse acht würden demnach die Züge von G 8 und G 9 parallel laufen. Aber dieses Thema ist nicht abschließend geklärt und soll weiterhin ausführlich besprochen werden. "Wir möchten den Schülern hier auch einen Wechsel zum Schuljahresende ermöglichen, wenn sie das wollen", sagt die Ministerin.

3. Werkrealschule weiterentwickeln:

eine zehnte Klasse für alle

Die Kultusministerin will bei der Werkrealschule zum einen erreichen, dass die Lernbedingungen für die einzelnen Schülerinnen und Schüler verbessert werden. Zum anderen geht es hier auch darum, die Existenz der weiterführenden Schulen in kleinen Gemeinden durch ein breiteres Angebot an Abschlüssen zu sichern, die Schule also im Dorf zu lassen. Das Ministerium plant folgende Schritte:

  • alle Hauptschulen im Land, auch die einzügigen, können Werkrealschule werden
  • die bisherige Notenhürde ab Klasse neun entfällt
  • der Übergang in die ein- oder zweijährige Berufsfachschule nach Klasse neun bleibt erhalten
  • allen Schülern soll ein zehntes Schuljahr ermöglicht werden
  • alle Schüler können den Hauptschulabschluss zum Ende der neunten oder zehnten Klasse ablegen
  • in Klasse zehn wird der Unterricht in der Regel in gemischten Gruppen abgehalten
  • die verpflichtende Kooperation mit den Berufsfachschulen in Klasse zehn wird gestrichen
  • die Berufsorientierung wird breiter angelegt. Die Schulen erhalten bei der Umsetzung der Wahlpflichtfächer größere Spielräume.
  • die neuen Werkrealschulen können einen vollwertigen Realschulabschuss anbieten, der aber auf dem Bildungsplan der Realschulen basieren muss
  • den Werkrealschulen steht eine Weiterentwicklung zur Gemeinschaftsschule offen.

"Die Werkrealschulen müssen den jungen Leuten ein zukunftsfähigeres Konzept anbieten, mit dem sie ihren Schulerfolg verbessern können", erklärt die Ministerin.


4. Die Gemeinschaftsschule als Schule der Vielfalt

Großes Interesse in den Kommunen

Leitgedanke der Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule, in der die Schüler nach ihren individuellen Voraussetzungen und Fähigkeiten gefördert werden. "Das ist eine Schule, in der die guten Schüler richtig Gas geben können und die schwächeren mehr Zeit haben, sich zu entwickeln", sagt die Ministerin.

Ziel ist, dass alle Schüler den individuell besten Bildungserfolg erreichen können. Dabei können sie miteinander und voneinander lernen, wobei der Klassenverband durch Lerngruppen ersetzt wird. Die Gemeinschaftsschule wird als rhythmisierte Ganztagsschule umgesetzt, um die individuelle Förderung zu gewährleisten. Wichtig ist der Kultusministerin, dass die Schulabschlüsse exakt den gleichen Qualitätskriterien entsprechen müssen, die in den anderen Schulen gelten. Zudem hält das Ministerium an den bewährten Bildungsstandards fest, die das Leistungsniveau in einer Jahrgangsstufe festschreiben. Dadurch können nicht nur die Leistungen in den Schulen miteinander verglichen werden, in jeder Jahrgangsstufe ist auch ein Wechsel von einer zur anderen Schule und zu anderen Schularten möglich. Zudem umfasst diese Schulart das Leistungsniveau von Hauptschule, Werkrealschule, Realschule und Gymnasium.

Die Gemeinschaftsschule werde bereits jetzt in vielen Kommunen als Schule der Zukunft betrachtet, sagt Warminski-Leitheußer. Vielerorts lägen Konzepte in der Schublade, zumal die alte Landesregierung rund 70 Schulreformen aller Art abgelehnt hat. Seit Regierungsantritt haben bereits 50 Kommunen ihr Interesse an diesem Konzept bekundet, obwohl noch nicht einmal die Rahmenbedingungen festgelegt sind. Mehr als zehn kündigten bereits konkrete Vorhaben an. Beschlüsse liegen sogar schon von den Gemeinderäten Ravensburg, Amtzell und Bergatreute vor. "Wir gehen davon aus, dass viele Anträge gestellt werden, zumal sich auch CDU-Bürgermeister nicht von der althergebrachten Haltung ihrer Landesspitze abschrecken lassen", erklärt die Ministerin. Im Ministerium ist inzwischen eine Stabsstelle "Schulentwicklung" eingerichtet worden. Darin fungiert Norbert Zeller, früherer Vorsitzender des Schulausschusses des Landtags, als Ansprechpartner und Berater für die Kommunen. Das Kultusministerium will deren Anträge genehmigen, wenn tragfähige und pädagogische anspruchsvolle Konzepte vorliegen. Die individuelle Förderung müsse dabei im Vordergrund stehen. "Es ist klar, dass diese Schulart auch dazu führen soll, die Leistung der Mädchen und Jungen zu verbessern."

Für alle Gemeinschaftsschulen gilt, dass bei ausreichender Schülerzahl auch der Aufbau einer Sekundarstufe zwei mit den Klassen elf bis dreizehn möglich ist.
Für die Entwicklung sind drei Wege vorgesehen:

  • Beginn in der ersten Klasse bis zur Klasse zehn;
  • Anschluss an die vierjährige Grundschule bis zur Klasse zehn;
  • alle weiterführenden Schulen können sich zu Gemeinschaftsschulen entwickeln.


Gabriele Warminski-Leitheußer : "Wir sind sehr optimistisch, dass wir die Ziele unserer Bildungsreformen erreichen können, wenn diese Schritte umgesetzt werden können."

Quelle:

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

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