Drei Volksabstimmungen hat es im Südwesten bislang gegeben: 1951 ging es um die Neugliederung des Südwestdeutschen Raums, 1971 um die Auflösung des fünften Landtags und 2011 schließlich um das Stuttgart-21-Kündigungsgesetz. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Hürden für Volksabstimmungen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide deutlich zu senken und damit mehr Beteiligung möglich zu machen. Auch darüber hinaus soll diese gestärkt werden - etwa vor weitreichenden Planungsentscheidungen. Mit den rechtlichen und insbesondere den verfassungsrechtlichen Aspekten des Themas setzen sich nun Fachleute aus Politik, Justiz, Anwaltschaft, Verwaltung, Wissenschaft, von Interessenvertretungen und Medien während des 33. Triberger Symposiums am Donnerstag und Freitag (29. und 30. November 2012) auseinander. „Wählst Du noch oder stimmst Du schon? Repräsentative Demokratie und Volksabstimmungen“ lautet der Titel der Veranstaltung des Justizministeriums Baden-Württemberg.
„Wenn sich Bürgerinnen und Bürger einmischen, wenn sie mitdenken, eigene Positionen darlegen und Vorschläge machen, ist das keine Gefahr für die Politik, sondern eine große Bereicherung“, sagte Justizminister Rainer Stickelberger in Triberg im Schwarzwald. Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, erklärte: „Wir wollen, dass die Menschen sich mehr an politischen Prozessen beteiligen und konkret mitentscheiden können. Informelle Beteiligungsverfahren und direkte Demokratie ergänzen nach unserer Vorstellung die repräsentative Demokratie.“
Der Justizminister wies darauf hin, dass dabei der Schutz von Minderheiten verfassungsrechtlich sichergestellt werden müsse. „Es darf nicht aktuellen, emotionalen Vorurteilen oder einem etwaigen populistischen Zeitgeist nachgejagt werden“, stellte er fest. In diesem Zusammenhang seien möglichst objektive Informationen als Entscheidungsgrundlage für die Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig. Auch die finanziellen Folgen für die gesamte Gesellschaft müssten berücksichtigt werden. Denn das Budgetrecht und die Gesamtverantwortung lägen bei den gewählten Volksvertretungen, weshalb Volksabstimmungen oder Bürgerentscheide über Haushalte überwiegend ausgeschlossen seien.
„Insgesamt bin ich überzeugt, dass mehr Politik auf Augenhöhe auch zwischen den Wahlterminen der leider zunehmenden Staats- und Politikverdrossenheit entgegenwirken kann“, sagte Stickelberger. Eine befriedende Wirkung, wie sie durch die Volksabstimmung zum Stuttgart-21-Kündigungsgesetz weitgehend eingetreten sei, sei ein weiteres Plus von mehr Bürgerbeteiligung. „Ich bin mir sicher, dass sich das lohnt“, so der Minister, der auch darauf hinwies, dass zu den demokratischen Spielregeln gehöre, demokratisch getroffene Entscheidungen zu akzeptieren.
Neben Stickelberger referierte Staatsrätin Erler über die Ausgestaltung des Ver-hältnisses zwischen Parlamentsentscheidungen, Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie. Der Schweizer Bundesrichter Dr. Heinz Aemisegger sprach über das Schweizer Modell direkter und repräsentativer Demokratie. Prof. Dr. Bernd Grzeszick, Direktor des Instituts für Staatsrecht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie an der Universität Heidelberg, setzte sich mit Abstimmungen im deutschen Verfassungsrecht auseinander und Prof. Dr. Ulrich Eith, Direktor des Studienhauses Wiesneck, beleuchtete Volksentscheide in der Parteiendemokratie.
Am Freitag geht der Präsident des Landtags von Baden-Württemberg, Guido Wolf, der Frage nach: „Mehr direkte Demokratie - ein Spannungsfeld zwischen Bürgern und Parlamentariern?“ Die anschließende Podiumsdiskussion steht unter dem Motto „Wer zahlt, schafft an! - Volksabstimmungen über Finanzierungsentscheidungen“.
Quelle:
Justizministerium Baden-Württemberg