Justizminister Rainer Stickelberger hat weitere Maßnahmen als Konsequenzen aus dem Tod eines Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal vorgestellt. „Selbstverständlich nehmen wir den Todesfall zum Anlass, fortlaufend auch die Verantwortlichkeiten und Abläufe im Justizministerium als Aufsichtsbehörde zu überprüfen“, sagte der Minister.
„In diesem Zusammenhang habe ich veranlasst, dass Erlasse des Ministeriums zur Fortdauer einer Einzelhaft über drei Monate hinweg stets rechtzeitig vor dem Ablauf der Frist im Ministerium wiedervorgelegt und geprüft werden.“ Zudem werde er festlegen, dass die Beendigung der zustimmungspflichtigen Einzelhaft künftig explizit an das Ministerium gemeldet werden muss. Bislang gilt einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 2010 zufolge, dass ohne einen Bericht aus der jeweiligen Justizvollzugsanstalt im Ministerium von der Beendigung der Einzelhaft ausgegangen werden muss.
Stickelberger berichtete, dass er darüber hinaus landeseinheitliche, verbindliche Standards für die Anordnung, Überwachung und Durchführung der Einzelhaft erarbeiten lasse, die in eine Verwaltungsvorschrift einfließen sollen. Dabei würden Praktiker aus dem Justizvollzug beteiligt. In einem Erlass von Anfang September sei bereits detailliert festgeschrieben, was Berichte zum Antrag auf Einzelhaft über mehr als drei Monate hinweg enthalten müssen. Während einer Dienstbesprechung mit den Leiterinnen und Leitern der Justizvollzugsanstalten werde dieses Thema in der kommenden Woche ebenso eingehend erörtert wie auch die Berichtspflicht bei der Verweigerung der Annahme der Anstaltskost durch Gefangene.
Mit Blick auf die Einwände seitens der CDU-Landtagsfraktion, es müssten trotz der laufenden Ermittlungsverfahren Festlegungen zum Todesfall in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal getroffen werden, stellte Stickelberger fest: „Ich werde keine Vorverurteilungen treffen. Ich halte es für bedauerlich, wenn einzelne Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion rechtsstaatliche Verfahren offenbar so wenig schätzen.“ Auch die ständige Wiederholung von Fragen hierzu würden ihn persönlich nicht dazu bringen, vor Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ein endgültiges Urteil über den Sachverhalt abzugeben.
Der Minister wies darauf hin, dass sich die Umstände des Todes des Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal für das Justizministerium erst nach und nach ergeben hätten. Weder aus einer ersten Mitteilung am Todestag, dem Samstag, 9. August 2014, noch durch den schriftlichen Bericht der Justizvollzugsanstalt vom Montag, 11. August 2014, habe es Hinweise auf eine Mangel- oder Unterernährung als mögliche Todesursache gegeben. Vielmehr musste das Ministerium von einer ungeklärten Todesursache ausgehen, so dass der Todesfall der langjährigen Praxis entsprechend an die Hausspitze in Person der Ministerialdirektorin gemeldet wurde.
Als das Ministerium aufgrund einer anonymen Anzeige, die am Freitag, 15. August 2014, dem Ministerium zuging, eine außerordentliche Nachschau in der Justizvollzugsanstalt veranlasste, hätten sich deutliche Anhaltspunkte für einen unzulänglichen Umgang mit dem verstorbenen Gefangenen ergeben, so der Minister. Noch am Tag der Nachschau, dem Dienstag, 19. August 2014, sei er als Minister während seines Urlaubs umgehend davon in Kenntnis gesetzt worden. Um die Neutralität der Untersuchungen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal zu gewährleisten, sei der Leiter der Anstalt unmittelbar danach am Donnerstag, 21. August 2014, vorläufig suspendiert worden. „Diese Abläufe habe ich in der Beantwortung des CDU-Antrags vom September bereits ausführlich mitgeteilt“, betonte der Justizminister. Es verwundere ihn daher, dass sie nun erneut in einem Antrag abgefragt würden. „Dass der CDU-Abgeordnete Dr. Bernhard Lasotta dieselben Fragen erneut stellt, zeigt mir, dass es ihm nicht um Aufklärung in der Sache geht“, so Stickelberger.
Weitere Informationen
Neben den Maßnahmen zu Verfahrensabläufen im Justizministerium sowie in der Kommunikation zwischen Ministerium und Justizvollzugsanstalten soll auch die ärztliche Betreuung von psychisch auffälligen Strafgefangenen verbessert werden. Dazu werden die Möglichkeiten, externe Psychiaterinnen und Psychiater zur Untersuchung und Behandlung von Strafgefangenen hinzuzuziehen, weiter ausgebaut. Um etwa 500 Gefangene mehr als bislang zu untersuchen und zu behandeln, werden 70.000 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 sind bei 2603 Gefangenen landesweit psychische Auffälligkeiten diagnostiziert worden. Die Kosten für die medizinische Versorgung Strafgefangener durch externe Fachärztinnen und Fachärzte insgesamt betrugen rund 900.000 Euro. Neben den Leistungen externer Psychiaterinnen und Psychiater sind dabei auch Leistungen von Medizinern wie Augenärzten, Orthopäden oder Urologen enthalten. Ausgenommen sind Allgemeinmediziner, Zahnärzte sowie die in den Justizvollzugseinrichtungen beschäftigten Medizinerinnen und Mediziner.
Geplant sind weitere Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzug zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen. Zu diesem Zweck wird der Etat für Aus- und Fortbildungen um 30.000 Euro jährlich erhöht.