Die Mitbestimmung in der Justiz soll weiter ausgebaut werden. Nachdem mit dem neuen Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz vom Mai dieses Jahres bereits die Mitbestimmungsrechte in personellen Angelegenheiten erweitert wurden, soll sich nun eine Stärkung der Beteiligung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten anschließen.
Justizminister Rainer Stickelberger legte heute Eckpunkte für eine Gesetzesänderung vor. „Damit gehen wir einen weiteren großen Schritt auf dem Weg in Richtung mehr Mitbestimmung, wie wir uns das mit dem Koalitionsvertrag vorgenommen haben“, sagte er. In den kommenden Wochen haben Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Baden-Württemberg Gelegenheit, zu den Eckpunkten Stellung zu nehmen.
„Aus einer vorangegangenen Anhörung wissen wir, dass in der Praxis im Bereich der Mitbestimmung in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten Handlungsbedarf gesehen wird“, sagte der Justizminister in Stuttgart: „Das Anliegen nehmen wir auf und kommen ihm mit den Eckpunkten nach.“
Die insgesamt zwölf Eckpunkte sind das Grundgerüst für eine weitere Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes. Demnach soll die Präsidialratsverfassung als Garantie für eine weitgehende Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten unberührt bleiben, sie wird jedoch um neue Beteiligungsformen bei allgemeinen und sozialen Angelegenheiten ergänzt. „Während es auf örtlicher Ebene bereits Richter- und Staatsanwaltsvertretungen gibt, ist das auf der Ebene der Obergerichte und der Generalstaatsanwaltschaften sowie auf der Ebene des Justizministeriums noch nicht der Fall“, erklärte Stickelberger. „Mit der Schaffung neuer Beteiligungsgremien wollen wir das ändern.“
In den Eckpunkten ist vorgesehen, auf Ebene der Obergerichte und der Generalstaatsanwaltschaften klassische Stufenvertretungen einzurichten. Sie sind für überörtliche beteiligungspflichtige Maßnahmen zuständig, dazu kommt eine Zuständigkeit für die Schlichtung ungelöster Beteiligungskonflikte auf örtlicher Ebene. Für Angelegenheiten von grundsätzlicher und justizweiter Bedeutung ist auf der Ebene des Justizministeriums ein neuer Landesrichter- und -staatsanwaltsrat geplant. Er soll mit Mitgliedern der Stufenvertretungen besetzt und bei den großen Themen der Justiz einbezogen werden - beispielsweise bei Fragen zu neuen elektronischen Arbeitsmethoden, zur Sicherheit in Justizgebäuden oder bei grundsätzlichen Fragen der Fortbildung.
Darüber hinaus soll ein Instrument basisdemokratischer Beteiligung gesetzlich verankert werden, was bundesweit einmalig wäre: die justizweite Anhörung. „Die Anhörung zur Mitbestimmung in allgemeinen und sozialen Bereichen hat einmal mehr gezeigt, wie gewinnbringend eine aktive Beteiligung der Praxis sein kann“, stellte der Justizminister fest: „Neben der traditionellen gremiengestützten Beteiligung wird so erstmals die Möglichkeit einer direkten Beteiligung der unmittelbar Betroffenen in institutionalisierter Art und Weise eröffnet.“
Die Eckpunkte sind nun im Intranet der Justiz eingestellt. Bis 14. März 2014 haben die Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Zeit, sich an einem Meinungsaustausch darüber zu beteiligen. Anschließend werden die Stellungnahmen ausgewertet und zu einem Gesetzentwurf ausgearbeitet.
Präsidialratsverfassung
Die Präsidialratsverfassung wurde im Jahr 1972 unter Justizminister Rudolf Schieler im Landesrichtergesetz verankert. Sie regelt, dass wichtige Personalentscheidungen - wie sie etwa bei Ernennungen auf Lebenszeit oder bei Beförderungen von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten anstehen - nicht gegen den Beschluss der Mitbestimmungsgremien getroffen werden. Mit einer Änderung des Landesrichtergesetzes wurde die Präsidialratsverfassung im Frühjahr 2013 weiterentwickelt und ausgebaut.
Vorangegangen war eine justizinterne Anhörung, bei der auch der Wunsch nach Einführung einer Stufenvertretung für die Beteiligung an allgemeinen und sozialen Angelegenheiten geäußert worden war. Daraufhin hatte Justizminister Rainer Stickelberger im Sommer die Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die Präsidentinnen und Präsidenten der oberen Landesgerichte, die Generalstaatsanwälte sowie die Verbände um Stellungnahme zur Einführung einer Stufenvertretung gebeten. Bis Mitte November gingen 128 Stellungnahmen im Justizministerium ein.