Das Justizministerium Baden-Württemberg unterstützt eine Gesetzesinitiative des Bundes zur Stärkung des Opferschutzes in gerichtlichen Strafverfahren. Der Bundestag hat am 3. Dezember 2015 das 3. Opferrechtsreformgesetz beschlossen. Es sieht unter anderem vor, dass besonders schutzwürdige Opfer von Straftaten in Verfahren vor den Strafgerichten kostenfrei professionelle Begleitung und Unterstützung erhalten.
Um bis zum Inkrafttreten der Neuregelung voraussichtlich im Jahr 2017 umfassende Erfahrungen zu sammeln, hat Baden-Württemberg bereits im Frühjahr 2015 ein Pilotprojekt zu dieser besonderen Art der Zeugenbegleitung, der so genannten psychosozialen Prozessbegleitung, gestartet. Heute fand nun im Justizministerium in Stuttgart ein Informations- und Erfahrungsaustausch für bereits in der Zeugenbegleitung engagierte Fachkräfte und Interessenten statt.
„Die Opfer von Straftaten tragen oft schwer an den Folgen der Tat. Gleichzeitig sind die Gerichte vielfach darauf angewiesen, dass die Opfer als Zeuginnen und Zeugen im Strafverfahren über das Erlebte berichten. Häufig ist nur so möglich, das vergangene Geschehen aufzuklären und auf einer verlässlichen Grundlage die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. In diesem Dilemma dürfen wir die Opfer nicht alleine lassen. Daher begrüße ich sehr, dass der Bundestag durch das 3. Opferrechtsreformgesetz den Schutz der Opfer von Straftaten im Gerichtsverfahren nun weiter gestärkt hat“, sagte Justizminister Rainer Stickelberger.
Die psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besonders intensive Form der Begleitung für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach einem Gerichtsverfahren. Durch qualifizierte Betreuung und Unterstützung in allen Fragen können die interdisziplinär geschulten Prozessbegleiterinnen und -begleiter die individuelle Belastung der Opfer von Straftaten vielfach reduzieren. Konkret geht es etwa darum, den Zeuginnen und Zeugen den Ablauf einer Strafverhandlung zu erläutern, sie vorab durch eine gemeinsame Besichtigung des Gerichtssaals mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu machen, Konzepte zum Zeugenschutz zu erklären und im Nachgang den Verlauf der Vernehmung und den Verfahrensausgang zu besprechen. „Dabei sind die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter mit den strafprozessualen Rahmenbedingungen ebenso vertraut wie mit den möglichen Folgen der Straftaten für die Opfer. Sie sind speziell darin geschult, Gefährdungen für das seelische Wohl und die weitere Entwicklung frühzeitig zu erkennen und vorbeugend tätig zu werden“, erläuterte der Minister.
Justizminister Stickelberger betonte die positiven Erfahrungen aus dem laufenden Pilotprojekt in den Landgerichtsbezirken Stuttgart, Karlsruhe und Ellwangen. „Professionell begleitete Zeugen sind „gute Zeugen“. Die umfassende Begleitung und vielfältigen Hilfestellungen erleichtern in vielen Fällen die Aussage enorm. Damit leistet die psychosoziale Prozessbegleitung einen immens wichtigen Beitrag zur Wahrheitsfindung im Strafprozess“, so der Minister. Er wies darauf hin, dass sich Baden-Württemberg bei der Erarbeitung des 3. Opferrechtsreformgesetz erfolgreich für eine strikte Trennung von Beratung und Begleitung ausgesprochen habe. „Es ist ein unverzichtbares Element der psychosozialen Prozessbegleitung, dass mit dem Opferzeugen nicht über den zugrunde liegenden Sachverhalt gesprochen wird. Denn nur so kann das Gericht sicher ausschließen, dass der Zeuge unbewusst in seiner Erinnerung beeinflusst wird“, so der Minister.
Die Durchführung des Pilotprojekts vor Ort obliegt dem Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V. mit seiner Tochtergesellschaft PräventSozial gGmbH. Minister Stickelberger dankte dem Vorsitzenden des Vereins Matthias Merz und der Projektleiterin Tina Neubauer für ihren Einsatz. Finanziert wird das Projekt mit insgesamt 400.000 Euro in diesem und im nächsten Jahr aus Mitteln der Regierungsfraktionen. An dem heutigen Informationstreffen nahmen rund 70 Vertreterinnen und Vertreter der justiznahen Vereine der Straffälligen- und Bewährungshilfe sowie von Opferberatungseinrichtungen teil. Auch ihnen sprach Justizminister Stickelberger seinen Dank aus. „Für eine effektive Umsetzung der künftigen gesetzlichen Regelung bedarf es auch Ihres wichtigen Engagements im Bereich des Opferschutzes. Daher möchte ich mich bei Ihnen herzlich bedanken und Sie ermutigen, sich auch künftig im Interesse der Betroffenen in diesem Bereich zu engagieren“, sagte der Minister.