Unter dem Vorsitz von Baden-Württemberg findet am Donnerstag die Herbsttagung der 86. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder statt. In der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin werden die Fachminister der Länder und des Bundes über aktuelle rechtspolitische Themen beraten. Über 20 Themenanmeldungen aus den Bundesländern stehen auf der Tagesordnung.
„Unsere Frühjahrstagung im Stuttgarter Neuen Schloss im Juni findet nun ihre Fortsetzung in Berlin. Ich freue mich sehr darauf, mit meinen Amtskolleginnen und Amtskollegen erneut spannende rechtspolitische Themen zu erörtern und wichtige Reformvorhaben gemeinsam auf den Weg zu bringen“, sagte Justizminister Rainer Stickelberger am Montag.
Er wies darauf hin, dass die aktuellen Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik ein zentrales Thema der Herbstkonferenz sein werden. „Der Zustrom von Flüchtlingen in einem ungekannten Ausmaß wirft auch rechtspolitische Fragen zum Aufenthaltsrecht auf. Aus meiner Sicht müssen wir insbesondere darüber beraten, ob die Strafvorschriften im Zusammenhang mit der illegalen Einreise überarbeitet werden sollten“, sagte Justizminister Stickelberger. Er wies darauf hin, dass fast jeder Flüchtling durch den bloßen Grenzübertritt nach Deutschland einen Straftatbestand verwirkliche, da die meisten ohne Papiere und aus einem sicheren Drittstaat einreisten. Dies führe zu einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren und damit zu einem erheblichen Aufwand, auch wenn viele Verfahren mit Blick auf die Genfer Flüchtlingskonvention wieder eingestellt würden. „Wir müssen diese Regelungen und Verfahren auf den Prüfstand stellen“, so der Minister. Gleichzeitig warnte er vor rechtspolitischen „Schnellschüssen" in der aktuellen Situation: „Allein die schiere Masse der Fälle darf für uns nicht Grund sein, vorschnell die Strafbarkeit der illegalen Einreise aufzuheben. Sonst könnte der – unzutreffende – Eindruck entstehen, der Rechtsstaat kapituliere vor den aktuellen Herausforderungen. Was wir brauchen, ist eine gründliche und ergebnisoffene Überprüfung der bestehenden Vorschriften“, so der Minister.
Ein weiteres Thema, das auf Initiative von Baden-Württemberg bei der Herbsttagung erörtert wird, ist eine mögliche Reform bei der Zuständigkeit der Amtsgerichte in Zivilrechtsstreitigkeiten. Seit 1993 liegt die maßgebliche Zuständigkeitsgrenze bei 5.000 Euro. Wird dieser sogenannte Streitwert überschritten – etwa bei einer Klage auf Zahlung eines Kaufpreises von mehr als 5.000 Euro, sind nicht mehr die Amtsgerichte, sondern die Landgerichte erstinstanzlich zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Justizminister Stickelberger wies darauf hin, dass bereits bei Berücksichtigung der allgemeinen Inflation der maßgebliche Streitwert heute bei rund 7.500 Euro liegen müsste. „Ich stehe für die kleinen Amtsgerichte, die auch in der Fläche eine bürgernahe, moderne und leistungsfähige Justiz sichern. Ich sehe schon mit einer gewissen Sorge, dass den Amtsgerichten durch die allgemeine Preisentwicklung und fehlende Anpassungen des Zuständigkeitsstreitwerts eine mittlerweile nicht unerhebliche Zahl an Verfahren abhandenkommt. Daher strebe ich an, dass eine länderoffene Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Baden-Württemberg ergebnisoffen die Zweckmäßigkeit einer Erhöhung des maßgeblichen Streitwerts prüft“, sagte der Minister.
Weiteres Thema des Vorsitzlandes der Justizministerkonferenz wird unter anderem die Frage einer geeigneten Rechtsform für bürgerschaftliches Engagement sein. Ob beim Betrieb eines Dorfladens, bei der Einrichtung einer Kindertagesstätte oder im Rahmen eines Wohnprojekts: Vielfach beklagen ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger, dass das deutsche Recht eine geeignete Rechtsform für die Organisation von sozialem und zugleich wirtschaftlichem Engagement nicht zur Verfügung stellt. Baden-Württemberg will mit den anderen Bundesländern erörtern, welche Erleichterungen hier geschaffen werden könnten. „Solche Initiativen brauchen eine sichere Rechtsform, um ihr ehrenamtliches Engagement zuverlässig auf klarer rechtlicher Grundlage und ohne persönliches Haftungsrisiko organisieren zu können“, sagte Justizminister Stickelberger.
Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder
Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder, kurz Justizministerkonferenz (JuMiKo), dient dazu, justiz- und rechtspolitische Vorhaben der Bundesländer zu koordinieren und abzustimmen. Sie ist eine ständige Einrichtung, an der die Justizministerinnen und Justizminister der 16 Bundesländer mitwirken. Unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz tagt die Justizministerkonferenz zweimal im Jahr. Der Vorsitz der Konferenz wechselt jährlich zwischen den Bundesländern.
Justizministerium: Informationen zur Justizministerkonferenz und zur Tagung