Umweltminister Franz Untersteller hat das „Aktionsprogramm Jagst“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Programm wurde in Reaktion auf die Verunreinigung der Jagst durch einen Löschwasserunfall vom Regierungspräsidium Stuttgart in Auftrag gegeben und gemeinsam vom Umweltministerium und Naturschutzministerium erarbeitet.
Im August 2015 war nach einem Brand einer Mühle in Kirchberg im Landkreis Schwäbisch Hall mit ammoniumnitrathaltigem Düngemittel versetztes Löschwasser in die Jagst geraten und hatte ein massives Fischsterben ausgelöst.
Progamm zieht Lehren aus dem Unfall
Umweltminister Franz Untersteller zeigte sich anlässlich der Veröffentlichung des Programms zuversichtlich, dass die beeinträchtigten Flussabschnitte erfolgreich wiederbelebt werden können: „Das Aktionsprogramm soll dazu dienen, die eingetretenen ökologischen Schäden zu beheben und die Widerstandskraft der Jagst zu stärken. Darüber hinaus hat das Programm auch Modellcharakter, das heißt, wir wollen die Lehren aus den an der Jagst gemachten Erfahrungen ziehen, um künftig im unerwünschten Fall eines ähnlichen Ereignisses besser vorbereitet zu sein.“
Um diese Ziele zu erreichen, ist das Aktionsprogramm in die vier Module „Risiken minimieren für die Zukunft“, darunter fällt zum Beispiel die Optimierung der Alarm- und Einsatzplanung, „Monitoring & Maßnahmenableitung“, „Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität“ sowie „Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerökologie“ aufgeteilt.
Weitere Maßnahmen zur Wiederbelebung der Jagst
Das Land selbst hat bereits zeitnah erste Maßnahmen in Angriff genommen, um die Lebensbedingungen von Fischen und Kleintieren in der Jagst zu verbessern. So hat der Landesbetrieb Gewässer zum Beispiel im Bereich der Stadt Langenburg vergangenes Jahr die Jagst an elf Stellen naturnah umgestaltet. Zudem läuft bereits seit dem Sommer eine landesweite Überprüfungsaktion von mehreren Hundert Düngemittellagern in Gewässernähe. „Nach ersten Rückmeldungen der Behörden vor Ort hat die Aktion bereits jetzt Anlagenbetreiber sensibilisiert und dazu geführt, dass Betreiber ihre Sicherheitsmaßnahmen verbessert haben“, erklärte Untersteller.
Außerdem zeichne sich ab, dass vielfach keine ausreichende Löschwasserrückhaltung vorhanden sei. Er gehe davon aus, dass das Ministerium noch im ersten Halbjahr 2016 eine Auswertung der bis Ende März laufenden Prüfaktion vorlegen könne, sagte Minister Untersteller. „Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden wir bei der Überarbeitung der bundesweiten Regeln zur Löschwasserrückhaltung einbringen.“
Fisch-Monitoring im Frühjahr
Naturschutzminister Alexander Bonde erinnerte im Vorfeld der heutigen Veranstaltung an das gewaltige Fischsterben in der Jagst. Rund 20 Tonnen tote Fische wurden in den Tagen nach dem Brand aus der Jagst geborgen.
Die aktualisierte Abschätzung der LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg und der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg (FFS) zu den ökologischen Auswirkungen des Großbrandes gebe dabei Anlass zur Sorge: „Die letzten Bestandsaufnahmen bestätigen leider die ursprüngliche Befürchtung, dass die Kiemen zunächst überlebender Fische zum Teil erheblich geschädigt sind. Außerdem sind die Fische stark mit Parasiten befallen, da ihre Widerstandskraft durch die Schädigungen geschwächt ist. Für das Frühjahr 2016 ist daher ein weiteres Fisch-Monitoring geplant, erst dann wird klar sein, wie sich der Fischbestand tatsächlich über den Winter entwickelt hat und welche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Artenvielfalt notwendig sind.“
Erfreulich sei, so Bonde weiter, dass die Großmuscheln jüngsten Erkenntnissen zufolge nicht wesentlich geschädigt worden seien. Trotz der überwiegend positiven Ergebnisse des Muschel-Monitorings ließen sich mögliche, negative Langzeitwirkungen auf den Muschelbestand in der Jagst nicht gänzlich ausschließen.
„Ein zentraler Baustein im Aktionsprogramm, um eine erfolgreiche Wiederherstellung der Artenvielfalt in der Jagst zu erreichen, ist vor allem die Verbesserung der Gewässerökologie. Dazu zählen Strukturmaßnahmen im Uferbereich ebenso wie die Beseitigung von Wanderhindernissen“, sagte Minister Bonde.
Bürger können sich zu Aktionsprogramm zu Wort melden
Der Präsident des Regierungspräsidiums Stuttgart, Johannes Schmalzl, betonte, dass im Aktionsprogramm alle für das Gewässer relevanten Faktoren berücksichtigt werden sollen. Es werde ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der die Fachbereiche Wasserwirtschaft, Natur- und Artenschutz, Fischerei, Landwirtschaft, Immissionsschutz, Baurecht und Katastrophenschutz beziehungsweise Feuerwehr umfasst.
Schmalzl führte weiter aus, dass es sich beim Aktionsprogramm um ein für weitere Ergänzungen und Anpassungen offenes Konzept handle, in das sich neben den Landesbehörden auch die betroffenen Kommunen, Verbände und interessierte Bürgerinnen und Bürger einbringen können: „Mit der heutigen Veranstaltung wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit geben, unseren Vorschlag des Aktionsprogramms zu diskutieren und eigene Überlegungen und Vorstellungen vorzubringen.“
Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die Ideen und Anregungen für das Aktionsprogramm Jagst haben, können sich auch per E-Mail direkt an das Regierungspräsidium Stuttgart wenden unter Abteilung5@rps.bwl.de.
Weitere Informationen
Abschätzung der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg (FFS) zum Fischsterben in der Jagst