Unter der Federführung von Baden-Württemberg hat eine Länderarbeitsgruppe einen detaillierten Regelungsvorschlag für eine Stärkung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern erarbeitet. Kann eine Person etwa wegen einer Krankheit oder nach einem Unfall keine eigenen Entscheidungen mehr treffen, soll grundsätzlich der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für ihn und in seinem Sinne handeln dürfen. Dies teilte Justizminister Rainer Stickelberger mit.
Stickelberger betonte, dass der Regelungsvorschlag genau das umsetze, was die große Mehrheit der Bevölkerung schon heute irrtümlich als selbstverständlich annehme. „Eine neuere Umfrage zeigt: Knapp zwei Drittel der Bundesbürger über 18 Jahren glauben, dass bei einer schweren Erkrankung oder einem plötzlichen Unfall automatisch die nächsten Angehörigen für den handlungsunfähigen Betroffenen die notwendigen Entscheidungen treffen können. Auch mir gegenüber äußern Bürgerinnen und Bürger diese Vorstellung immer wieder. Die Rechtslage ist jedoch eine andere. Ohne ausdrücklich erteilte Vorsorgevollmacht sind dem gesunden Ehegatten die Hände gebunden. Ihm bleibt nur der oft belastende Weg, über ein gerichtliches Betreuungsverfahren zum rechtlichen Betreuer seines Partners bestellt zu werden. Mit unserem Regelungsvorschlag möchten wir diese ohnehin schwere Situation zumindest in rechtlicher Hinsicht etwas erleichtern“, sagte Minister Stickelberger.
Nach dem Gesetzentwurf gilt der nicht getrennt lebende Ehegatte oder Lebenspartner grundsätzlich als ermächtigt, für seinen handlungsunfähigen Partner Entscheidungen im Bereich der Gesundheitssorge und in damit zusammenhängenden Angelegenheiten zu treffen. So kann er etwa in ärztliche Heilbehandlungen einwilligen, Behandlungsverträge mit Ärzten und Krankenhäusern schließen, eine notwendige Rehabilitation veranlassen oder Ansprüche seines Partners gegenüber der Krankenversicherung geltend machen. „Wenn ich einen Schlaganfall oder einen schweren Unfall erleide, soll mir mein Ehegatte besonders in der ersten Zeit schnell und ohne bürokratische Hindernisse beistehen und die notwendigen Hilfen in die Wege leiten können“, so Stickelberger.
Zum Schutz des betroffenen Ehegatten und des eingetragenen Lebenspartners ist eine Vertretung allerdings dann ausgeschlossen, wenn dieser zuvor einen entgegenstehenden Willen geäußert oder in einer Vorsorgevollmacht ausdrücklich eine andere Person bevollmächtigt hat. Der Regelungsvorschlag sieht auch keine umfassende Vertretungsbefugnis vor, etwa in Vermögensangelegenheiten. „Die Vorsorgevollmacht ist und bleibt das Mittel der Wahl, um selbstbestimmt darüber entscheiden zu können, wer in welchen Angelegenheiten beim Verlust der eigenen Handlungsfähigkeit entscheiden und handeln soll. Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht setzt aber voraus, dass man sich beizeiten Gedanken über Krankheit und Behinderung macht und selbst aktiv wird. Solche Gedanken werden im Lebensalltag häufig verdrängt, eine Vorsorgevollmacht wird dann „auf später“ verschoben. Nach der schon erwähnten Umfrage haben lediglich 26 Prozent der Bürgerinnen und Bürger über 18 Jahren eine Vorsorgevollmacht erteilt. Hier schafft unser Gesetzesvorschlag im wichtigen Bereich der Gesundheitssorge Abhilfe“, so Minister Stickelberger.
Baden-Württemberg wird den Regelungsentwurf nun zur Frühjahrstagung der Justizministerkonferenz anmelden, die am 1. und 2. Juni 2016 in Nauen in Brandenburg stattfinden wird. „Ich lade meine Amtskolleginnen und -kollegen herzlich ein, sich unserer Anmeldung anzuschließen“, so Minister Stickelberger.