Die Länder sollen mehr Mitspracherechte in der Europapolitik erhalten. Das sieht eine Bundesratsinitiative vor, die die Landesregierung beschlossen hat. Ziel: Die Rechte des Bundesrates im europäischen Integrationsprozess sollen gestärkt werden.
„Die wichtigsten Entscheidungen in der Eurokrise wurden und werden von Regierungschefs in Hinterzimmern getroffen – das kann nicht die Zukunft eines demokratischen Europas sein. Entscheidungen, die für ganz Europa von großer Reichweite sind, dürfen nicht ohne vorherige umfassende Beteiligung der Parlamente getroffen werden. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass sich auch Parlamente für ihre Rechte einsetzen und diese notfalls sogar einklagen müssen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Diese Ausgangssituation mache deutlich, dass eine Neuregelung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union dringend notwendig sei, so Kretschmann weiter. Deshalb habe die Landesregierung heute beschlossen, eine Bundesratsinitiative zu starten. Ziel des Gesetzentwurfs sei es, die Rechte des Bundesrates und damit die Rechte der Länder im europäischen Integrationsprozess zu stärken.
„Wir können unsere Mitwirkungsrechte in europäischen Angelegenheiten über den Bundesrat nur dann effektiv wahrnehmen, wenn wir rechtzeitig und umfassend informiert werden“, erklärte Bundesratsminister Peter Friedrich. Genau daran habe es in der Vergangenheit wiederholt gefehlt, zuletzt im Rahmen der Verhandlungen über die Gewährung von Finanzhilfen an die Republik Zypern.
Anlass für die Überarbeitung des Beteiligungsgesetzes sei letztlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Sommer gewesen, erklärte der Ministerpräsident. Im Klageverfahren der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen gegen die Bundesregierung hatte das höchste deutsche Gericht das bis dahin restriktive Verständnis der Bundesregierung bemängelt und Inhalt, Art und Umfang der Informationsrechte der beiden Parlamente – Bundestag wie Bundesrat – deutlich ausgeweitet. Baden-Württemberg habe federführend mit fünf weiteren Ländern den heute beschlossenen Gesetzentwurf erarbeitet, der parteiübergreifend im Bundesrat getragen würde.
Der Gesetzentwurf sieht folgende Neuerungen vor:
- Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird auf völkerrechtliche Verträge erweitert, wenn diese in einem besonderen Ergänzungs- oder Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen.
- Die Informationsrechte des Bundesrates werden weitestgehend parallel zu den bereits ausgeweiteten Informationsrechten des Bundestages ausgestaltet. Damit findet zum einen die erweiternde Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Inhalt, Art und Umfang der zu übermittelnden Informationen Eingang. Zum anderen wird damit sichergestellt, dass Bundestag und Bundesrat bis auf den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der Regel in gleichem Umfang unterrichtet werden. Eine Unterrichtung des Bundesrates wird nach der Gesetzesbegründung nur dann nicht erfolgen, wenn Länderinteressen nicht betroffen sind.
- Die erforderliche Gesetzesüberarbeitung wird zudem zum Anlass genommen, um das Gesetz einer Rechtsbereinigung zuzuführen und dabei vor allem die umfangreiche Anlage in den Gesetzestext aufzunehmen.
Minister Friedrich: „Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf Rechtsklarheit schaffen und erreichen, dass die Informationsrechte des Bundesrates und des Bundestages nahezu angeglichen werden.“ Der Bundestag habe die anlässlich des genannten Urteils notwendig gewordene Anpassung seines Beteiligungsgesetzes erst kürzlich auf den Weg gebracht. Das Gesetzgebungsverfahren laufe derzeit noch.