Baden-Württemberg regelt den Vollzug der Sicherungsverwahrung neu: Ein entsprechender Gesetzentwurf geht nun in die Anhörung, er war Ende Juli von der Landesregierung beschlossen worden. Ziel des Entwurfs ist es, eine verfassungskonforme Grundlage für die Sicherungsverwahrung zu schaffen. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vom 4. Mai 2011 deren bisherige Ausgestaltung für grundgesetzwidrig erklärt. „Mit dem Gesetzentwurf kommen wir den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nach“, sagte Justizminister Rainer Stickelberger am Dienstag in Stuttgart. „Das bedeutet vor allem, dass es künftig einen Anspruch auf Behandlung und Therapie gibt und dass sich die Sicherungsverwahrung deutlich von der Strafhaft abheben muss.“
Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass die Entlohnung der untergebrachten Personen für Arbeit, Arbeitstherapie oder schulische und berufliche Bildung erhöht wird. Eine Arbeitspflicht, wie sie in Baden-Württemberg während der Strafhaft gilt, gibt es nicht. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Untergebrachten sich selbst verpflegen. In diesem Fall erhalten sie Zuschüsse oder Sachleistungen wie Nahrungsmittel. In einem eigenständigen und gesondert zugänglichen Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Freiburg, wo ein großer Teil der Sicherungsverwahrten in Baden-Württemberg untergebracht ist, steht deshalb in jeder Wohngruppe eine Küche zur Verfügung. Außerhalb der Nachtruhe können sich die Untergebrachten im Gebäude weitgehend frei bewegen und den dazugehörigen Hof nutzen. Monatlich stehen ihnen mindestens zehn Stunden Besuchszeit zu, das sind neun Stunden mehr als in der Strafhaft.
„Das Bundesverfassungsgericht hat uns die Aufgabe gestellt, die Sicherungsverwahrung unter dem Vorzeichen der Resozialisierung neu zu ordnen“, erklärte der Justizminister: „Dafür machen wir unter anderem Therapieangebote im Vorfeld wie auch im Rahmen der Sicherungsverwahrung, wir stärken die Außenkontakte während der Besuchszeiten und bieten Anreize für Arbeit, Arbeitstherapie und Bildung.“
Die Anhörung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung dauert bis Mitte September. Anschließend wird der Entwurf im Landtag beraten. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zufolge dürfen die bisherigen Regelungen längstens bis zum 31. Mai 2013 angewendet werden.
Weitere Informationen:
Der Entwurf für das „Gesetz zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg“ basiert auf der Vorlage einer Länderarbeitsgruppe. Diese war von der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Mai 2011 eingesetzt worden, um weitgehend einheitliche Standards in der Sicherungsverwahrung gewährleisten zu können. Mitte Juni dieses Jahres billigten die Justizministerinnen und Justizminister der Länder die Ergebnisse der Arbeitsgruppe.
In Baden-Württemberg waren zuletzt 69 Personen in Sicherungsverwahrung untergebracht (Stand: Ende Juni 2012). Der weitaus größte Teil von ihnen lebt in Freiburg, wo auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt ein eigenständiges Gebäude zur Verfügung steht.
Der Gesetzentwurf ist während des Anhörungsverfahrens im Internet veröffentlicht: www.service-bw.de
Quelle:
Justizministerium Baden-Württemberg