Eine neue Wohnung suchen, eine passende Arbeitsstelle finden, die in Haft begonnene Ausbildung fortsetzen, alte Beziehungen wieder aufbauen – nicht selten ist der Start in ein straffreies Leben nach der Haftentlassung mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Hier setzt eine aktuelle Initiative des Justizministeriums Baden-Württemberg an. Unter Beteiligung aller auf dem Gebiet der Straffälligenhilfe tätigen Institutionen in Baden-Württemberg hat das Justizministerium einen Runden Tisch ins Leben gerufen, um gemeinsam über Maßnahmen zur erleichterten Eingliederung ehemaliger Strafgefangener in die Gesellschaft zu beraten. Heute fand die Auftaktsitzung statt.
„Eine erfolgreiche Resozialisierung ist der beste Opferschutz. Wenn die früheren Straftäter nach ihrer Haftentlassung im gesellschaftlichen Leben wieder „Tritt fassen“ und in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten führen, ist der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes am besten gedient“, sagte Justizminister Rainer Stickelberger. Der baden-württembergische Justizvollzug leiste bereits während der Haft enorme Anstrengungen, um die Inhaftierten auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Stickelberger wies auf die umfassenden schulischen und beruflichen Ausbildungsangebote sowie die vielseitigen Arbeitsmöglichkeiten in den Haftanstalten hin. „Gerade durch anerkannte Abschlüsse und an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientierte Berufsausbildungen werden die Startbedingungen entlassener Strafgefangener beträchtlich verbessert. Dadurch wird den Gefangenen eine echte Chance gegeben, den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden“, sagte Stickelberger. Allein im Schul- und Ausbildungsjahr 2014/2015 haben 897 Gefangenen an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen teilgenommen, 505 davon haben eine berufliche Vollausbildung absolviert.
Minister Stickelberger wies auf die gleichwohl bestehenden Herausforderungen für eine erfolgreiche Integration von Strafgefangenen in die Gesellschaft hin. „Die Erfahrung zeigt, dass die größte Gefährdung der guten Vorsätze der Strafgefangenen zunächst die Freiheit ist. Mit der Entlassung fallen die klaren Strukturen und vielfältigen Hilfestellungen im Vollzugsalltag plötzlich weg. Gerade wenn in dieser Phase Enttäuschungen und Rückschläge auftreten, droht der Rückfall in die vor der Haft bestehenden Verhaltensmuster und damit die erneute Kriminalität“, so der Minister. Von zentraler Bedeutung sei daher, dass im Zeitpunkt der Haftentlassung insbesondere die Voraussetzungen für den Erhalt von Sozialleistungen geklärt und eine Unterkunft gesichert seien sowie die zuständige Anlaufstelle für alle Fragen einer beruflichen Wiedereingliederung feststehe.
Eine weitere Verbesserung der Resozialisierungschancen soll nach dem Vorschlag des Justizministeriums durch eine Koordination und Vernetzung der schon bestehenden zahlreichen Hilfsangebote der hier aktiven Institutionen erreicht werden. „Eine erfolgreiche Eingliederung der Entlassenen in die Gesellschaft kann nur unter Mitwirkung aller zuständigen Einrichtungen erreicht werden. Notwendig sind ein gemeinsamer Konsens und ein gemeinsames Vorgehen“ sagte der Minister. Als ersten Schritt strebt das Justizministerium an, dass in einer gemeinsamen Kooperationsvereinbarung aller Beteiligten die strukturellen Voraussetzungen für eine Bündelung der jeweiligen Aktivitäten geschaffen werden.
An dem vom Justizministerium eingerichteten Runden Tisch sind neben dem Justiz- und dem Sozialministerium die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesanstalt für Arbeit, der Städte- und Landkreistag Baden-Württemberg, der Kommunalverband für Jugend und Soziales, das Netzwerk Straffälligenhilfe Baden-Württemberg und die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg beteiligt. Minister Stickelberger dankte den beteiligten Institutionen für ihre großen Anstrengungen für die Integration Straffälliger und ihre Teilnahme an den gemeinsamen Beratungen. „Lassen Sie uns gemeinsam die ungemein wichtigen Initiativen und Hilfestellungen bündeln und so die Straffälligenhilfe in unserem Land zum Wohle der früheren Straftäter und der Gesellschaft insgesamt noch besser ausgestalten“, sagte der Minister.