„Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft, die uns insgesamt stärker macht“, macht Europaminister Peter Friedrich im Interview deutlich. Deshalb wolle die Landesregierung die Zukunft der EU mitgestalten. Außerdem erklärt Friedrich, warum die Europawahl im Mai so wichtig für uns alle ist.
Das Kabinett kam in Brüssel zusammen. Warum tagt der Ministerrat Anfang des Jahres traditionell in der europäischen Hauptstadt?
Peter Friedrich: Die Kabinettssitzung in unserer Brüsseler Landesvertretung ist Ausdruck unseres Anspruchs, die Zukunft in Europa mitzugestalten. Dabei, aber auch rund um die Kabinettssitzung, führen die Hausspitze des Staatsministeriums und meine Fachministerkollegen zahlreiche Gespräche mit dem Spitzenpersonal der Europäischen Union vor Ort. So können wir unsere Interessen in Brüssel direkt einspeisen.
Was sind in Europa im Moment die wesentlichen Themen?
Friedrich: Das zentrale Projekt in Europa ist derzeit sicherlich der Aufbau einer europäischen Bankenunion. Hierbei sind die Arbeiten zur Einrichtung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank schon weit fortgeschritten. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll die Aufsicht im November 2014 starten. Vor kurzem haben sich die EU-Finanzminister jetzt auch auf die Eckpunkte für einen einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus geeinigt. Allerdings müssen hier noch zahlreiche Detailfragen geklärt werden. Aus meiner Sicht ist es dabei ein wichtiger Punkt, dass - analog zur Einheitlichen Bankenaufsicht - sichergestellt ist, dass für unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken unserer nationalen Abwicklungsbehörden zuständig bleiben.
Aber auch die Bekämpfung der nach wie vor massiven Jugendarbeitslosigkeit in Europa steht weiter ganz oben auf der Agenda und ist auch mir ein besonderes Anliegen. Derzeit haben rund 24 Prozent der jungen Menschen in Europa keine Arbeit – in Spanien sind es derzeit sogar knappe 58 Prozent! Auf europäischer Ebene wird es deshalb vor allem um die Umsetzung der Beschäftigungsinitiative für Jugendliche gehen und in den Mitgliedstaaten um die „Jugendgarantie“. Auch Baden-Württemberg bringt sich hier in vielfältiger Weise ein. So haben wir jüngst eine Rahmenvereinbarung mit insgesamt 28 Partnern aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Elsass abgeschlossen, die eine grenzüberschreitende berufliche Bildung am Oberrhein ermöglicht. Aber auch im Rahmen der Donauraumstrategie treiben wir das Thema beruflich Bildung intensiv voran.
Die derzeitige griechische Ratspräsidentschaft hat außerdem die Flüchtling- und Migrationspolitik zu einem Schwerpunkt ihres Vorsitzes erklärt. Ebenso die Arbeitnehmerfreizügigkeit - derzeit vor allem unter dem Stichwort „Armutsmigration“ in der Diskussion - wird uns sicherlich die nächsten Monate beschäftigen. Wichtig ist mir hier: Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft, die uns insgesamt stärker macht. Die Unionsbürgerschaft bedeutet auch: EU-Bürgerinnen und -Bürger sind füreinander keine „Ausländer“ mehr. Mit Vorurteilen und Panikmache wird man Europa jedenfalls nicht gerecht.
Am 25. Mai finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Welche Auswirkungen hat die Europawahl auf die Bürgerinnen und Bürger im Land?
Friedrich: Unser Alltag ist durch und durch europäisch geprägt. Klassische Beispiele dafür sind die spanische Chorizo auf dem Teller, der französische Brie im Kühlschrank, die Qualität der Badegewässer, die Angaben zum Energieverbrauch von Elektrogeräten, die Sicherheit von Kinderspielzeug, die Rechte beim Online-Shopping, preisgünstiges Telefonieren, gedeckelte Preise bei der mobilen Internetnutzung oder transparente Preisangaben bei Flügen.
Den Rahmen dafür haben europäische Gesetze gesteckt, bei denen auch das Europäische Parlament mitentscheidet. Die Wählerinnen und Wähler gestalten daher mit ihrer Stimme die europäische Politik und damit auch ihr alltägliches Leben. Sie bestimmen dadurch, welchen Kurs die Europäische Union in den nächsten Jahren einschlagen wird. Wollen sie den bisherigen Kurs unterstützen oder aber für eine Kursänderung stimmen? Diese Frage müssen sich alle Wahlberechtigten vor der Wahl stellen.
Sie haben schon öfters betont, dass diese Europawahlen eine ganz besondere Bedeutung haben. Warum?
Friedrich: Diese Europawahlen sind so wichtig wie noch nie zuvor. Die Kompetenzen, aber auch die politische Verantwortung des Europäischen Parlaments haben erheblich zugenommen. Dies zeichnet sich auch in einer stärkeren Politisierung der Europawahl 2014 ab. So werden die großen Fraktionen des Europäischen Parlaments erstmals mit ihren eigenen Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten in den Wahlkampf ziehen. Das heißt, dass die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Beteiligung an der Wahl zugleich Einfluss darauf nehmen, welche Person künftig an der Spitze der Europäischen Kommission stehen wird.
Von Bedeutung wird auch sein, welche Stimmenanteile die anti-europäischen und euro-skeptischen Kräfte in Europa im neuen Europaparlament hinter sich vereinen können. In der immer noch herrschenden Krise brauchen wir ein starkes Europäisches Parlament, dessen Mitglieder konstruktiv an Lösungen zur Überwindung der Krise mitarbeiten. Auch deshalb tragen die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Wahlentscheidung eine große Verantwortung.
Was tut die Landesregierung konkret für die Steigerung der Wahlbeteiligung?
Friedrich: Das Kabinett hat sich auf seiner Sitzung in Brüssel auch mit der Kampagne der Landesregierung zur Steigerung der Wahlbeteiligung bei der Europawahl 2014 befasst. Zentrales Element dieser Kampagne ist - wie bereits 2009 - eine Bus-Tour durch unser Land. Wir sind sehr glücklich, dass uns der Verband baden-württembergischer Omnibusunternehmer wieder stark bei dieser Tour unterstützt und uns einen Linien-Bus sowie Busfahrer zur Verfügung stellt. Im Rahmen dieser Tour werden wir 24 Städte anfahren und hoffen, vor Ort mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu kommen. Wir haben zu den Ortsterminen auch Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und den europaaktiven Verbänden eingeladen, für Gespräche und Diskussionen bereit zu stehen.
Neben der Bus-Tour lässt das Staatsministerium verschiedene Werbemittel mit einem allgemeinen Wahlaufruf produzieren. Außerdem werden wir bis zur Europawahl noch zu verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen einladen, die wir unter anderem auf unserer Facebook-Seite und dem Landesportal ankündigen werden.