Der Runde Tisch Islam ist heute zu seiner 6. Sitzung zusammengekommen. Thema des Treffens war der interreligiöse Dialog. Eine aktuelle Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zeigt, dass der Unterschied zwischen den Moralvorstellungen und Werten von Muslimen und Christen nicht so groß ist, wie viele meinen.
„Auch im 21. Jahrhundert brauchen wir den Dialog und Trialog der Religionen. Der Austausch ist wichtig für Frieden, Toleranz und gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte Integrationsministern Bilkay Öney. Die Landesregierung schaffe deshalb Möglichkeiten des Dialogs und fördere den Verständigungsprozess.
Öney verwies auf eine aktuelle Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Die Untersuchung zeige, dass der Unterschied zwischen den Moralvorstellungen und Werten von Muslimen und Christen gar nicht so groß sei, wie viele meinten. So haben Muslime und Christen relativ ähnliche Einstellungen, wenn es um das Verhältnis zwischen Mann und Frau geht: Mit jeweils über 80 Prozent stellt die Gleichberechtigung für beide Gruppen einen fest verankerten Wert dar. Klassische Rollenbilder, bei denen der Frau Haushalt und Familie und dem Mann die „Ernährerrolle“ zugeordnet wird, sind bei Muslimen stärker ausgeprägt als bei Christen.
Den Autoren zufolge bildet die Religionszugehörigkeit keine hinreichende Erklärung für unterschiedliche Ansichten. Hingegen habe vor allem der Bildungsgrad einen großen Einfluss auf Einstellungen. Befragte, die über einen geringen Bildungsgrad und gesellschaftlichen Status verfügten, verträten demnach traditionellere Ansichten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der zentrale Faktor, der hinter vermeintlich religiösen Unterschieden steht, die schlechtere soziale Lage von Muslimen im Vergleich zu Christen in Deutschland ist.
Öney: „Oft soll es vermeintlich die Religion sein, die uns trennt und Integrationsprobleme bereitet. Aber fehlende Bildung, fehlende Sprachkenntnisse und vorschnelle Interpretationen anderer Lebensweisen fallen viel drastischer ins Gewicht. Der interreligiöse Dialog kann uns helfen, Wissen auf- und Vorurteile abzubauen.“
Beiträge der Referenten zur Bedeutung des interreligiösen Dialogs:
Moshe Flomenmann, badischer Landesrabbiner: „Der interreligiöse Dialog hat die Aufgabe, Vorurteile abzubauen. Er dient als Grundlage für den Frieden und trägt maßgeblich zur Verständigung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bei.“
Dr. Timo Aytaç Güzelmansur von der christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz CIBEDO: „Im Gespräch zwischen den Religionsvertretern ist es wichtig, sich um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen. In gegenseitiger Achtung sowie durch offenes und kritisches Fragen wird der Dialog für die Beteiligten ein Prozess des gemeinsamen Lernens. Daher ist der interreligiöse und interkulturelle Dialog eine vitale Notwendigkeit sowohl für Christen als auch für Muslime.“
Volker Steinbrecher, Beauftragter der beiden evangelischen Landeskirchen bei Landtag und Landesregierung: „Menschen, die ihren Glauben – im Rahmen der Verfassung unseres Landes – frei leben können, fühlen sich eher beheimatet und engagieren sich deshalb stärker für das Gemeinwohl. Das Landesforum der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg begrüßt deshalb Bemühungen der Landespolitik, die darauf abzielen, vielfältiges religiöses Leben in unserem Land zu ermöglichen und erinnert daran, dass sich gesellschaftliche Gestaltung in Verantwortung vor dem Schöpfergott vollziehen muss.“
Dekan Matthias Hambücher, Sprecher des Rates der Religionen Ulm: „Die Gesellschaft profitiert vom Dialog der Religionen dadurch, dass die Religionsgemeinschaften gemeinsam zum Miteinander der Gesellschaft und zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger beitragen.“
Derya Sahan, DITIB-Regionalverband Baden: „Eine freiheitliche und pluralistische Gesellschaft braucht den ernsthaften Dialog auf allen Ebenen mit und zwischen den Angehörigen der jeweiligen Religionen. Der interreligiöse Dialog hat die Aufgabe, Vorurteile und Konflikte abzubauen, die Achtung und den Respekt untereinander zu fördern und vorhandene Unterschiede anzuerkennen. Im Gespräch mit den Angehörigen der Religionen ist es wichtig, sich auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und respektvoll miteinander umzugehen.“
Weitere Informationen
Im November 2011 ist der von Ministerin Bilkay Öney ins Leben gerufene Runde Tisch Islam erstmals zusammen gekommen. Er widmet sich halbjährlich konkreten Themen. Ziel ist der Dialog mit Musliminnen und Muslimen im Land. Das etwa 40-köpfige Gremium setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern islamischer Verbände (DITIB, VIKZ, IGBD, Aleviten und Ahmadiyya), Persönlichkeiten des muslimischen Lebens in Baden-Württemberg sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligter Ministerien zusammen. Vertreter von Institutionen, die den Integrationsprozess fördern, ergänzen den Teilnehmerkreis (zum Beispiel Landeszentrale für politische Bildung).