Heute ist das Landesforum gegen Zwangsverheiratung unter der Leitung von Integrationsministerin Bilkay Öney zu seiner 5. Sitzung zusammengekommen. „Wir haben die Präventionsarbeit zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung seit dem Jahr 2011 stark ausgebaut und sind inzwischen auch in der Fläche gut aufgestellt“, so Öney.
Gemeinsam mit den Partnern des Landesforums arbeite das Land konsequent daran, die Zahl der Fälle in Baden-Württemberg dauerhaft zu reduzieren. Insbesondere die Zuwanderung von Asylsuchenden aus Ländern, in denen Zwangsheiraten toleriert werde, stelle die Präventionsarbeit vor neue Herausforderungen.
Professor Jan Ilhan Kizilhan, der das Projekt „Sonderkontingent jesidische Frauen und Kinder aus dem Nordirak“ fachlich begleitet hat und kürzlich in Genf mit dem „International Women’s Rights Award 2016“ ausgezeichnet worden ist, ging in seinem Vortrag auf die aktuelle Lage ein: „Wir müssen sehen, dass einige Menschen, die aus Ländern wie Syrien oder dem Irak zu uns kommen, auch Kulturmuster mitbringen, die wir aus guten Gründen ablehnen.“ Besonders Zwangsverheiratungen, die in patriarchalisch geprägten Kulturen immer noch verbreitet seien, müssten bekämpft werden. Neben der Präventionsarbeit an Schulen und spezialisierten Beratungsstellen sollten hierzu künftig auch „Brückenbauer“ zum Einsatz kommen, die unter Angehörigen ihrer Herkunftskultur für die konsequente Ablehnung von Zwangsverheiratungen einträten.
Ministerium fördert Beratungsstellen und Projekte
Das Integrationsministerium unterstützt zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung die mobile Beratungsstelle Yasemin, die online-Beratungsstelle Sibel und zusätzliche präventiv ansetzende Projekte im Land. Gemeinsam mit der Aktion Jugendschutz bietet das Ministerium beispielsweise Fortbildungen für Beschäftigte von Kommunen, Jugendämtern und schulnahen Angeboten der Jugendhilfe an. Das vom Ministerium für Integration gemeinsam mit Terre des Femmes entwickelte Theaterstück „Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre?“ hat landesweit bereits über 2.000 Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Fachpersonal aus der Schulsozialarbeit zum Thema Zwangsverheiratung sensibilisiert und soll in der zweiten Jahreshälfte an weiteren zwölf Schulen in Baden-Württemberg aufgeführt werden.
Insgesamt verzeichnete Yasmin im vergangenen Jahr 174 Beratungsfälle. Davon waren 164 Mädchen/junge Frauen, fünf junge Männer und fünf Paare. Das Alter der Anfragenden lag zwischen zwölf und 27 Jahren. Ferner hat Yasemin bei sieben volljährigen jungen Frauen und einem volljährigen jungen Mann die Flucht aus dem häuslichen Umfeld geplant und organisiert. Bei diesen Menschen lag das Alter zwischen 18 und 23 Jahren.
Hintergrundinformationen
Eine Zwangsverheiratung greift als schwere Menschenrechtsverletzung tief in die persönliche Lebensgestaltung des Opfers ein und wirkt integrationshemmend. Zwangsverheiratung hängt eng mit patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen zusammen. Opfer, die einer Zwangsverheiratung zu entgehen suchen, werden häufig von psychischer und physischer Gewalt aus der eigenen Familie bedroht.
Das Landesforum gegen Zwangsverheiratung ist ein Zusammenschluss verschiedener Ministerien, Institutionen und Verbände, die sich aktiv für Prävention und Maßnahmen gegen Zwangsverheiratung sowie für Opfer von Zwangsverheiratung einsetzen.
Um das Fachwissen zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung der Polizei und weiteren Anlaufstellen zugänglich zu machen, hat das Integrationsministerium in Zusammenarbeit mit der Aktion Jugendschutz Landesarbeitsstelle Baden-Württemberg einen Handlungsleitfaden veröffentlicht. Der Reader „Zwangsverheiratung geht uns alle an! Grundlagen und Möglichkeiten der Prävention und Intervention“ beschreibt anschaulich die vielfältigen Möglichkeiten der Prävention und Intervention. Die Broschüre bietet zudem eine schnelle Orientierung, um Betroffenen rasch helfen zu können.