„Das letzte große Wanderhindernis für Fische in die Kinzig hinein ist beseitigt“, erklärte Umweltminister Franz Untersteller anlässlich der Einweihung des neuen Wasserkraftwerks der Süwag Gruppe in Willstätt. Für das Gesamtprojekt wurde auch die alte Kinzig umgestaltet und eine Fischtreppe gebaut. Sie ermöglicht es dem Lachs, sich nach über 50 Jahren jetzt wieder in der Kinzig anzusiedeln. „Wasserkraft und Gewässerökologie verbinden sich hier in geradezu idealer Weise“, betonte Minister Untersteller.
Für Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer stellt das Vorhaben ein Beispiel für eine gelungene Bürgerbeteiligung dar: „Von Beginn an haben die Gemeinde Willstätt, die Süwag und der Landesbetrieb Gewässer beim Regierungspräsidium einen Runden Tisch eingerichtet. Viele gute Ideen aus diesem Kreis wurden aufgegriffen und so Konflikte vermieden“, sagte Schäfer.
Der Einweihung in Willstätt vorausgegangen war eine Busfahrt entlang der Kinzig. Hierbei besichtigten der Umweltminister und die Regierungspräsidentin gemeinsam mit Pressevertretern Lachs-Laichplätze am Gießenteichwehr in Wolfach sowie eine Deichrückverlegung und Renaturierungsmaßnahmen am Erlenbach in Biberach (Baden). Außerdem informierten sie sich über den integrierten Fischabstieg und die Fischaufstiegsanlage der neuen Wasserkraftanlage in Gengenbach.
„Die Rückkehr des Lachses in die Kinzig zeigt, dass das Land die Europäische Wasserrahmenrichtlinie erfolgreich umsetzt“, erklärte Umweltminister Untersteller. Gerade an der Kinzig ist aber auch erkennbar, wie Flüsse in der Vergangenheit auf einer Länge von vielen Kilometern begradigt worden sind. „Es braucht daher noch viel Geduld und viel Geld, bis überall im Land der von der Richtlinie vorgesehene „gute Zustand“ der Gewässer erreicht werden kann. Wir müssen immerhin die Fehlentwicklungen der letzten 100 Jahre heilen“, betonte Franz Untersteller.
Wasserkraft in Willstätt
Die Süwag Energie AG hatte seither eine Kleinwasserkraftanlage in der Ortsmitte von Willstätt betrieben. Das neue Laufwasserkraftwerk am Kinzigwehr mit 990 kW Leistung löste nach über 100 Jahren Laufzeit das alte Wasserkraftwerk in Willstätt ab. Ende Dezember 2012 wurde das Wasserkraftwerk in Betrieb genommen. Die eingebaute Kaplanturbine erzeugt jährlich circa 5,3 Millionen Kilowattstunden Strom. Damit können über 1.500 Haushalte mit sauberer, klimafreundlicher Energie versorgt werden.
Die Wasserkraftanlage entspricht dem neuesten Stand der Technik, insbesondere im Hinblick auf die Fischökologie. Der Fischaufstieg und -abstieg ist am neuen Wasserkraftwerk vorbei wieder möglich. Neben dem Wasserkraftwerk wurde eine moderne Fischtreppe errichtet, die es den Wanderfischen möglich macht, in der Kinzig zu ihren Laichplätzen zu finden. Des Weiteren hat die Süwag eine Überwachungsstation eingebaut, mit der die Fischereibehörde den Fischbestand kontrollieren kann.
Die Maßnahme in Willstätt bringt neben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie auch das internationale Programm „Lachs 2020“, mit dem die Rheinanlieger den Lachs bis nach Basel zurückholen möchten, einen großen Schritt voran. Denn der Lachs laicht nicht im Rhein, sondern in den kleinen Zuflüssen. Die Kinzig ist neben der Murg der wichtigste Laichplatz in Baden-Württemberg.
Seit 2000 hat der Landesbetrieb Gewässer an der Kinzig und weiteren Gewässern erster Ordnung in diesem Flusssystem insgesamt 18 Maßnahmen umgesetzt. Davon dienen neun der Entwicklung von Gewässerstrukturen und neun überwiegend der Wiederherstellung der Durchgängigkeit. Hierfür wurden bisher zwölf Millionen Euro investiert, die Mittel hierfür wurden vom Land (sechs Millionen Euro), Europäischer Union (vier Millionen Euro) und über Ausgleichsmittel (zwei Millionen Euro) bereitgestellt.
Sieben weitere Maßnahmen mit einem Kostenrahmen von drei Millionen Euro befinden sich aktuell im Planungsstadium; deren Finanzierung ist als Ausgleich für Straßenbauvorhaben und Bahnausbau bereits gesichert. Zur Herstellung des durch die WRRL geforderten „guten ökologischen Zustandes“ im Flusssystem der Kinzig sind seitens des Landes weitere Maßnahmen, vor allem zur Verbesserung der Gewässerstruktur, mit einem voraussichtlichen Kostenumfang von weiteren circa sieben Millionen Euro erforderlich.