Kultur

Mit der Zeit gehen

Exponate aus der Zeit des Ersten Weltkriegs werden im Haus der Geschichte gezeigt. (Foto: dpa)

Das Haus der Geschichte in Stuttgart zeigt den Weg des Landes von der Zeit Napoleons bis heute. Der Besuch im Museum ist eine spannenden Zeitreise durch die Geschichte des Südwestens.

Was für ein Flickenteppich das Land ist! Zerstückelt in über 250 bunte Teile liegt es den Besuchern zu Füßen. In jedem regierte ein anderer Herr – in manchen sogar eine Herrin. Denn auch die gab es im Jahr 1790 auf dem Gebiet, das heute Baden-Württemberg heißt.

Wer schaltete und waltete

Mit dem Flickenteppich der Kleinstaaten beginnt die Ausstellung im Haus der Geschichte. Die Besucher schreiten direkt über ihn hinweg. Dort, wo die Füße die Karte berühren, beginnt sie zu leuchten. Viele ­Baden-Württemberger suchen sogleich ihren Heimatort und erfahren, wer dort schaltete und waltete: Der Name des Herrschers leuchtet an der Wand und verschwindet allmählich – so wie es in den Folgejahren tatsächlich der Fall war. Innerhalb kurzer Zeit wandelte sich diese Karte vollständig, bis nur noch das Königreich Württemberg, das Großherzogtum ­Baden und die beiden hohenzollerischen Fürstentümer übrig waren.

„Die Karte sendet die Botschaft aus: Ich und meine Region – wir kommen hier auch vor!”, erklärt Paula Lutum-Lenger, die Ausstellungsleiterin im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart. Denn das, was für den Besucher so selbstverständlich ineinander greift und den Rundgang zur interessanten Spurensuche macht, ist bis ins Detail geplant. Selbst die Beleuchtung spricht Bände: Wenn man hinter der Karte die breite Treppe hinauf schreitet, vorbei am Bildnis des Herzogs von Württemberg, der im Windschatten Napoleons zum König aufgestiegen ist, strahlt das Licht hell auf diesem Weg. Am Ende der Treppe verdunkelt es sich: „Die Dunkelheit steht für den Preis, den man für den Aufstieg zahlen musste”, führt Lutum-Lenger aus. Wer ihn zahlte, zeigt das Bild von Johann Arthur Nikutowski, das oben hängt: Am Ufer des Flusses Beresina liegen sterbende Soldaten, Frauen und Kinder. Menschen und Pferde kämpfen im Wasser um ihr Leben. Keine verherrlichende Kriegsdarstellung wie viele andere, sondern ein Bild, das das Grauen des Russlandfeldzugs zeigte und die Katastrophe, in der das Bündnis mit Napoleon endete.

Jedes Stück erzählt seine Geschichte

„Wir fragen danach, wie die Geschichte unten bei den Menschen ankommt, wie sie erlebt und erfahren wird”, erläutert Lutum-Lenger. Das Ergebnis veranschaulicht das Museum mit bestimmten Licht- und Raumverhältnissen, mit Bildern und Karten, Fotos und Filmen, Modellen und Infostationen. Vor allem aber mit über 2000 Objekten – alles Originale, von denen jedes eine eigene Geschichte erzählen kann. 

Zum ­Beispiel aus der Zeit der Revolution 1848, in der das System ins Wanken gerät. Besucher können das spüren, denn die Bodenplatten in diesem Teil der Ausstellung wackeln. An der Wand hängen Bretter aus der Wohnzimmervertäfelung vom Bauern Moritz Kolb aus Reute: Auf ihrer Rückseite hat er damals eine Art Tagebuch über die stürmischen Zeiten geführt, die das Land umkrempelten. Die Trommel, mit der in Warthausen im Jahr 1914 der Kriegszustand des Deutschen Reiches bekannt gegeben wurde, ist ebenso zu sehen wie die durchschossene Glocke des Amtsboten Möck aus Dusslingen, der im April 1945, kurz nachdem er noch Durchhalteparolen ausgerufen hatte, bei einem Tieffliegerangriff erschossen wurde. Selbst Hitler als Spielfigur und Kinderbilder, auf denen SA-Männer marschieren, gehören zur Ausstellung.

Jahrzehnte vergessene Dinge anschleppen

Diese vielen Originalobjekte muss man erst einmal finden. Die Wandvertäfelung des Bauern Kolb lag völlig verstaubt als Bretterhaufen in einer Garage und es war einem Zufall zu verdanken, dass je­mandem beim Entrümpeln die Inschrift aufgefallen ist. Zeitzeugen der jüngeren Geschichte findet das Museum auch über Zeitungsanzeigen. Wenn die Mitarbeiter des Hauses lange Gespräche mit ihnen führen, schleppen sie manchmal über Jahrzehnte vergessene Dinge an – wie zum Beispiel das Wörterlexikon, mit dessen Hilfe sich der Lagerwärter mit den Zwangsarbeitern verständigte.

Die Taschenuhr von Reinhold Maier, dem ersten Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, steht für die Gründung des Landes im Jahr 1952. Auch ein Modell des 1961 gebauten neuen Landtags zeigt die Ausstellung. Was heute auf der anderen Straßenseite des Hauses der Geschichte steht, sieht allerdings anders aus. Der Entwurf des Architekten Kurt Viertel sah vor, dass ein Aufbau über dem Plenarsaal für Tageslicht sorgen und ihn für die Bevölkerung sichtbar machen sollte – ähnlich der Kuppel auf dem Berliner Reichstag. Die sparsamen Schwaben haben sie einfach weggelassen.

Geschichte, die noch qulamt

Schritt für Schritt kommen die Besucher in der Zeit voran, bis sie schließlich im Museum der Gegenwart landen, in dem sie so manches Stück entdecken, das ihnen aus dem Alltag vertraut ist. Auch ganz aktuelle Konflikte haben schon den Weg ins Haus gefunden: Ein Teil des Bauzauns ist zu sehen, der zum Abriss des Nordflügels am Stuttgarter Hauptbahnhof aufgestellt und vor allem von den S21-Projektgegnern mit Collagen, Transparenten, Blumen und Schmähungen verziert worden war. „Da zeigen wir Geschichte”, sagt die Ausstellungsleiterin Lutum-Lenger, „die noch qualmt.”

Chronologischer Teil und Themenpark

Im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart gibt es einen chronologischen Teil und einen Themenpark mit Bereichen, die sich anschaulich mit der Natur am Beispiel des Schwarzwalds, mit Wirtschaft, Wissenschaft, Religion und dem Nachbarn Frankreich beschäftigen. Die Abteilung „Privatansichten” dokumentiert mit hunderten von Fotos den Wandel der Familie und Partnerschaft. In diesem Jahr ist außerdem die große Landesausstellung „Fastnacht der Hölle – Der Erste Weltkrieg und die Sinne” (4. April 2014 bis 1. März 2015) zu sehen.

Neben dem eigenen Haus betreut das Haus der Geschichte auch die Stauffenberg Erinnerungsstätte in Stuttgart, die Ausstellung am Gefängnis Hohenasperg, die Synagoge in Haigerloch, das Turenne-Museum in Sasbach, das „Museum zur Geschichte von Christen und Juden” in Laupheim, die Erinnerungsstätte Matthias Erzberger in Butten­hausen sowie einen Gedenkraum für die Opfer des Amoklaufes von Winnenden.

Weiterführende Informationen

Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Große Landesausstellung: Der Erste Weltkrieg und die Sinne

Quelle:

Der Beitrag erschien im Original in "Baden-Württemberg kulturreich 2014" der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg.

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