Die Volksabstimmung über das S21-Kündigungsgesetz war deshalb ein wichtiger Schritt zu mehr direkter Demokratie: Erstmals haben die Bürgerinnen und Bürger selbst über eine Gesetzesvorlage der Landesregierung entschieden.
Wir haben die direkte Demokratie im Land und vor Ort gestärkt. Dafür war entscheidend, dass sich 2015 die vier Landtagsfraktionen auf ein Reformpaket zur direkten Demokratie verständigt haben. Diese Einigung war ein Meilenstein für die Demokratie in Baden-Württemberg.
Die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide waren lange Zeit so hoch, dass sie in der Praxis kaum zu erreichen waren. Seit 2016 müssen nur noch zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger für ein erfolgreiches Volksbegehren unterschreiben. Außerdem können die Unterschriften frei gesammelt werden statt wie bisher nur in Amtsstuben. Und man hat dafür statt nur zwei Wochen nun sechs Monate Zeit.
Das Zustimmungsquorum bei Volksabstimmungen liegt nun niedrige. Bei einer Volksabstimmung über Gesetze müssen 20 Prozent statt wie früher ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger zustimmen, um dem Anliegen zum Erfolg zu verhelfen.
Auf Landesebene haben wir mit dem Volksantrag außerdem ein neues direktdemokratisches Instrument eingeführt. Wenn ein Volksantrag von 40.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wird, muss sich der Landtag mit ihm befassen.
Auch vor Ort in den Kommunen haben wir mehr direkte Demokratie ermöglicht. In den Städten und Gemeinden sinken die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide die Quoren, die Fristen sind länger und der Themenkatalog größer.
Bürgerinnen und Bürger umfassend beteiligen
Bürgerbeteiligung ist aber mehr als die Stärkung der direkten Demokratie. Eine moderne Demokratie braucht neue Wege der Beteiligung und des Dialogs. Deshalb werden die Bürgerinnen und Bürger künftig bei großen Infrastrukturprojekten des Landes frühzeitig einbezogen.
Die Landesregierung hat dafür einen Leitfaden für eine neue Planungskultur beschlossen. Der sieht vor, dass die Landesverwaltung die Menschen bei Infrastrukturprojekten in Zukunft umfassend beteiligen muss. Und das über den gesamten Verlauf eines Projekts – von der frühen Planung bis zum Bau. Dabei gilt: Da jedes Vorhaben anders ist, gibt es auch für die Bürgerbeteiligung kein Schema F. Deshalb lassen sich für jeden Fall geeignete Formate wie etwa unabhängige Moderation, Bürgerbefragung, Runde Tische oder Schlichtungsverfahren auswählen.
Die Landesregierung hat auch schon zu verschiedenen Vorhaben umfassende Beteiligungsprozesse durchgeführt. So etwa zum Nationalpark Schwarzwald: Noch nie wurden bei einem vergleichbaren Großprojekt in Baden-Württemberg die Bürgerinnen und Bürger so früh und so intensiv in die Beratungen und Diskussionen um die Chancen und Risiken und um die konkrete Ausgestaltung eingebunden. Die Beteiligungsmöglichkeiten reichten von hunderten Veranstaltungen und Informationswanderungen, über regionale Arbeitskreise und die Einbeziehung der Bürgerfragen in das unabhängige Gutachten bis hin zu einem Info-Telefon und einer Online-Beteiligung zum Gesetzentwurf. Auch nach der Errichtung des Nationalparks bleiben die Betroffenen und Interessierten eingebunden, etwa beim Wegekonzept.
Aber auch bei zahlreichen weiteren Projekten wie etwa dem Energie- und Klimaschutzkonzept, dem Filderdialog, der Neugestaltung des Landesplanungsgesetzes zum Ausbau der Windenergie und der Energienetze, der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft, dem Gesundheitsdialog oder der Standortsuche für den Bau einer neuen Justizvollzugsanstalt hatten und haben die Menschen im Land vielfältige Möglichkeiten, ihre Meinung und ihre Ideen einzubringen.
Für gelungene Bürgerbeteiligung stehen auch verschiedene Förderprogramme, die Städten, Gemeinden und Landkreisen in Baden-Württemberg die Möglichkeit bietet, Nachbarschaftsgespräche vor Ort durchzuführen und Beteiligung zu fördern.
In einer Nachbarschaft wohnen Menschen in unmittelbarer Nähe, sie haben deshalb die Möglichkeit, sich schnell zu treffen und Verbindungen zu Themen zu schaffen. Nachbarschaft ist daher einerseits als räumlicher Aspekt zu sehen. Viel mehr aber auch als entscheidender Faktor für Nähe, Beziehung, Empathie, Engagement und Teilhabe. Thematisch steht bei diesen Formaten daher die nachhaltige Entwicklung von Stadtteilen, Quartieren und Ortschaften im Sinne eines kulturellen, sozialen, inklusiven und generationenübergreifenden Miteinanders im Vordergrund.
Auch in der Verwaltung stärken wir die Bürgerbeteiligung. Das Thema spielt nun in der Aus- und Weiterbildung von Beamtinnen und Beamten sowie Angestellten eine wichtige Rolle. So werden die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger bei der Planung und Durchführung von Projekten sensibilisiert.
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Gerade das Internet bietet für die Bürgerbeteiligung große Chancen. Denn die Bürgerinnen und Bürger können sich einfach und unkompliziert von zu Hause aus einbringen. Die Landesregierung hat deshalb im März 2013 ein Online-Beteiligungsportal gestartet.
Das Beteiligungsportal ist eine echte baden-württembergische Besonderheit – und ein spannendes und zukunftsweisendes Demokratiemodell, mit dem wir das Wissen und die Kreativität der Menschen im Land für unsere Politik nutzen wollen. Auf dem Portal finden sich einerseits umfassende Informationen rund um das Thema Bürgerbeteiligung. Unter anderem werden die verschiedenen Methoden vorgestellt. Gleichzeitig können Bürgerinnen und Bürger hier auch aktuelle Gesetzentwürfe der Landesregierung kommentieren. Zudem können sich Bürgerinnen und Bürger bereits in einem frühen Stadium zu aktuellen Projekten und Vorhaben im Land einbringen, wie beispielsweise bei der Erarbeitung eines Klimaschutzkonzeptes. Die Landesverwaltung erläutert dazu aktuelle Vorhaben, begründet die Vorgehensweise und antwortet zeitnah auf Fragen, die über das Beteiligungsportal eingehen.
Kommunales Wahlrecht ab 16
Wir haben die demokratischen Mitwirkungsrechte junger Menschen gestärkt. So dürfen nun auch Jugendliche ab 16 bei Gemeinderats-, Kreistags- und Bürgermeisterwahlen wählen. Außerdem bauen wir auch die direktdemokratischen Mitwirkungsrechte junger Menschen aus: 16-Jährige können nun bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden vor Ort mitwirken. Gerade auf kommunaler Ebene gibt es viele Entscheidungen, die Jugendliche unmittelbar betreffen. Deshalb geben wir ihnen jetzt die Möglichkeit, sich besser einzubringen, mitzugestalten und selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen, dass junge Menschen frühzeitig positive Erfahrungen mit der Politik und der Demokratie machen.
Im Zuge der Änderung des Kommunalwahlrechts haben wir außerdem ein neues faires und gerechtes Berechnungsverfahren bei Kommunalwahlen eingeführt. Denn grundsätzlich muss bei einer Wahl jede Stimme das gleiche Gewicht haben. Beim bisherigen Auszählverfahren wurden die kleineren Parteien oder Wählervereinigungen regelmäßig benachteiligt. Mit dem neuen Berechnungsverfahren geht es nun gerechter zu.
Außerdem stärken wir die politische Beteiligung von Frauen. Dafür haben wir im Kommunalwahlrecht verankert, dass Frauen und Männer gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags berücksichtigt werden sollen.
Offene Gesellschaft – transparente Verwaltung
Wir stehen für eine offene Gesellschaft und eine transparente Verwaltung. Bürgerinnen und Bürger sollen freien Zugang zu Informationen von Ministerien und Behörden haben. Denn Transparenz schafft Vertrauen. Daher hat die Landesregierung ein Informationsfreiheitsgesetz eingeführt. Bürgerinnen und Bürger haben damit das Recht, Einsicht in Akten und Auskunft zu bestimmten Angelegenheiten zu verlangen Die Behörde muss die Informationen zeitnah bereitstellen. Außerdem informieren die Verwaltungen die Bürger künftig proaktiv. Das heißt: Sie veröffentlichen möglichst viele Informationen von sich aus direkt im Internet.
Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe fördern
Mit der zunehmenden Bedeutung des Themas Flucht- und Vertreibung im Herbst 2014 und hat sich für die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, im Frühjahr 2015 ein neuer inhaltlicher Schwerpunkt der Arbeit ergeben. Unter anderem stellte sich die Frage, wie die ehrenamtliche Betreuung der vielen Schutzbedürftigen gefördert und unterstützt werden kann. Dazu hat die Staatsrätin eine Reihe von Maßnahmen entwickelt.
Seit März 2015 verschickt die Stabsstelle für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung regelmäßig ein Newsletter mit beispielhaften Projekten, Veranstaltungshinweisen, Interviews und Förderangeboten. Auf Flüchtlingshilfe-BW.de finden sich weiterführende Informationen und Kontaktadressen. Zudem wurde ein landesweites Veranstaltungsformat initiiert, das Ehrenamtlichen hilft, sich überregional zu beraten, zu vernetzen und mit Hauptamtlichen auszutauschen. Herzstück des Engagements der Staatsrätin im Bereich der Flüchtlingshilfe sind zwei Publikationen, die 2015 und 2016 veröffentlicht wurden: Das Handbuch „Willkommen! Ein Handbuch für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe in Baden-Württemberg“ und der Guide: „Ankommen-Klarkommen. Anregungen zum Gespräch mit Geflüchteten für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe”.
Dialoge zur Zukunft Europas
Wie soll die Europäische Union (EU) der Zukunft aus Sicht Baden-Württembergs aussehen? Um Antworten auf diese Frage zu finden, stieß die Landesregierung nach den guten Erfahrungen mit einer Reihe von Bürgerdialogen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (GÜZ-Dialoge) im Jahr 2017 einen neuen Dialogprozess „Europadialog“ an. Dabei ging es auch um die Bedeutung der EU und ihrer Errungenschaften für das Land Baden-Württemberg. Das Staatsministerium und das Ministerium der Justiz und für Europa führten über das gesamte Jahr 2018 einen breit angelegten Dialogprozess durch. Neben einem Expertenforum mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kommunen und Kultur unter Leitung des Europaministers gehörten dazu vier breit angelegte Bürgerdialoge mit zufällig ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Dialoge fanden in enger Kooperation mit den beteiligten Kommunen statt. Eine dritte Säule bildeten öffentliche Veranstaltungen in ganz Baden-Württemberg, bei denen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit hatten mit hochrangigen Akteuren der Europapolitik zu diskutieren.
Die Zukunft der Mobilität mitgestalten
Im Sommer 2017 hat die Landesregierung den Strategiedialog Automobilwirtschaft angestoßen. Ziel dabei ist es, mit allen relevanten Akteuren gemeinsam Aktivitäten, Maßnahmen und Lösungen zu entwickeln, um die Zukunftsfähigkeit des Automobilstandorts Baden-Württemberg zu stärken. Die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft verantwortet und leitet innerhalb des Strategiedialogs Automobilwirtschaft den übergeordneten Bereich Mobilität und Gesellschaft, der eine Klammer für alle Themenfelder ist. Insbesondere geht es im Schwerpunkt darum, allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Stakeholdern zu ermöglichen, sich in diesen Prozess einzubringen. Auf diesem Weg soll sollen in den Dialog die Meinungen, Ideen, Werte, Einstellungen und Bedürfnisse möglichst vieler Menschen einfließen.