„Schulen tragen bei der Vermittlung von Geschichtswissen große Verantwortung. Dabei kommt es ganz besonders darauf an, Wissen nicht nur zu erwerben, sondern dieses auch einzuordnen“, betonte Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer im Hinblick auf die Ergebnisse einer Studie der Freien Universität Berlin. Diese förderte bei zeitgeschichtlichen Kenntnissen und Urteilen von Jugendlichen zwar teilweise deutliche Mängel zutage, zeigte aber auch die gute Arbeit der Schulen in Baden-Württemberg. „Dies bestärkt uns darin, bei der anstehenden Weiterentwicklung der Bildungspläne weiterhin ein großes Augenmerk auf fundierte historische Kompetenzen und Inhalte zu legen“, sagte Warminski-Leitheußer.
Im Mittelpunkt der Studie standen vier Phasen der jüngsten deutschen Geschichte: Nationalsozialismus, DDR sowie die Bundesrepublik vor und nach der Wiedervereinigung. Insgesamt beantworteten die befragten Jugendlichen nur gut ein Drittel der Wissensfragen zur Zeitgeschichte richtig; zudem haben viele Jugendliche Probleme, die Trennlinie zwischen Demokratie und Diktatur zu erkennen. Dies trifft laut Studie allerdings am wenigsten auf die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg zu, die im Ländervergleich das nationalsozialistische System am negativsten beurteilen und deutlich DDR-kritischer eingestellt sind als die Schülerinnen und Schüler in anderen Bundesländern.
„In der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte sollen Schülerinnen und Schüler ihre Urteilsfähigkeit schärfen, damit sie als kritische und aktive Bürgerinnen und Bürger Zukunft gestalten können“, sagte Warminski-Leitheußer. Die Leiter der aktuellen Studie loben ausdrücklich die „wertorientierte Kenntnisvermittlung“ an baden-württembergischen Schulen, die hier besser gelinge als in anderen Ländern. „Insgesamt sind die Schüler hier in höherem Maße in der Lage, den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur zu erkennen“, so das Fazit der Forscherinnen und Forscher der Freien Universität Berlin. Die Vermittlung von Wissen auf der normativen Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stelle eine wirkungsvolle Extremismusprävention dar. Dies habe die Studie für Baden-Württemberg eindrucksvoll bestätigt.
Große Bedeutung bei der anschaulichen Vermittlung von Geschichte spielten etwa Zeitzeugengespräche, die Gestaltung von Gedenktagen wie dem 27. Januar, zu dem das Ministerium jährlich aufrufe, oder die Arbeit mit Gedenkstätten, von denen es im Land mittlerweile über 60 gebe, sagte Warminski-Leitheußer: „Wie die Studie gezeigt hat, kommt es dabei auf eine enge Anbindung solcher Maßnahmen an den Unterricht an. Intensive Vor- und Nachbereitung sind zwingend notwendig, nicht aber Gedenkstättentourismus.“
Weitere Informationen zur Studie:
Das Projekt des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin basiert auf Ergebnissen einer repräsentativen Befragung von rund 7.400 Schülerinnen und Schülern von Abschlussklassen in Ost- und Westdeutschland. Die Studie bildet auch die Entwicklung innerhalb von eineinhalb Jahren ab. Das Projekt wurde von den fünf teilnehmenden Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der Bundesregierung finanziert.
Die Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg konnten ihren Wissenszuwachs über den Nationalsozialismus im Befragungszeitraum zwischen 2010 und 2011 um 12,5 Prozentpunkte steigern. Statt 36,3 % wurden 48,9 % der entsprechenden Fragen richtig beantwortet. Der Wissenszuwachs über die Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung liegt bei 8,5 Prozentpunkten (2010: 29,1 %; 2011: 37,6 %). Über die DDR vermehrten sie ihr Wissen um 5,5 Prozentpunkte (2010: 22,2 %; 2011: 27,7 %) und über das wiedervereinigte Deutschland um 9,3 Prozentpunkte. Über die Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung wissen die Befragten insgesamt und auch in Baden-Württemberg am meisten. Von den gestellten Wissens- und Personenfragen können die Jugendlichen im Land zunächst 44,8 % und in der späteren Befragung 54,1 % richtig beantworten.
Der Nationalsozialismus wird von einer großen und im Verlauf der Untersuchung zunehmenden Mehrheit der Schülerinnen und Schüler in allen Bundesländern abgelehnt. Diese Haltung ist in Baden-Württemberg am stärksten ausgeprägt. Im Ländervergleich beurteilen die Befragten in Baden-Württemberg das nationalsozialistische System am negativsten, und sie sind deutlich DDR-kritischer eingestellt als die Schülerinnen und Schüler in anderen Bundesländern. 92 % der Befragten in Baden-Württemberg lehnten 2011 den Nationalsozialismus ab, 2010 waren es 78,3 % (Durchschnitt der Länder: 2011: 84,7 Prozent; 2010: 73 %). 2010 hatten 63,1 % der Befragten im Land ein negatives Bild der DDR, 2011 lag dieser Wert schon bei 77,8 %. Im Durchschnitt der beteiligten Länder lag dieser Wert 2010 bei 55,0 % und 2011 bei 68,3 %.
Quelle:
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg