Der baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich stellte am Donnerstag in Berlin die Tagesordnung der bevorstehenden Sitzung des Bundesrates am Freitag vor.
Die Tagesordnung der letzten Bundesratssitzung des Jahres umfasst bisher 73 Punkte. Hervorzuheben ist die große Zahl an Gesetzesbeschlüssen des Bundestages auf der Tagesordnung. Die Tagesordnung wird noch um einen Antrag auf Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die NPD ergänzt.
Außerdem sind noch Rückläufer aus der gestrigen Sitzung des Vermittlungsausschuss zu erwarten. Der Vermittlungsausschuss hat die Verfahren zum Gesetz zum Abbau der kalten Progression, zum Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden, zum Jahressteuergesetz 2013, zum Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts sowie zum Gesetz zum Steuerabkommen mit der Schweiz beendet. Beim Gesetz zur steuerlichen Förderung energetischer Sanierungen schlägt der Vermittlungsausschuss vor, sämtliche streitigen Teile zur steuerlichen Förderung aus dem Gesetz zu streichen. Es ist nun mit einem KfW-Programm für energetische Sanierungen zu rechnen. Beim Gesetz zum Abbau der kalten Progression wird die Anhebung des Grundfreibetrags für das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum in zwei Schritten vorgeschlagen. Es soll dabei jeweils beim bisherigen Eingangssteuersatz von 14 Prozent bleiben. Das Gesetz zum Steuerabkommen mit der Schweiz soll nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses aufgehoben werden.
Bundestag und Bundesrat müssen nun entscheiden, ob sie den Vorschlägen folgen. Beim Jahressteuergesetz 2013 und beim Gesetz zum Steuerabkommen mit der Schweiz handelt es sich um sog. unechte Vermittlungsvorschläge, deren Annahme im Bundestag fraglich ist.
NPD-Verbotsverfahren
Auf der Grundlage eines Antrags von 15 Ländern (auch Baden-Württemberg) wird der Bundesrat beschließen, ein Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten. Es ist eine längere Debatte im Bundesrat zu erwarten.
Initiativen von Baden-Württemberg
Baden-Württemberg ist einer der Initiatoren eines Entschließungsantrags „Öffentlich geförderte Beschäftigung neu gestalten“ (TOP 33). Trotz guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gibt es Menschen, deren Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt sich als schwierig erweist. Der Entschließungsantrag gibt vor diesem Hintergrund Anregungen zur Erhöhung der Integrationschancen. Gefordert wird zum Beispiel, dass derartige Beschäftigungsverhältnisse bei der Arbeitsgestaltung, der Entlohnung und der Inhalte eine größtmögliche Nähe zu regulärer Beschäftigung haben müssen. Der Antrag war in der letzten Sitzung des Bundesrates vorgestellt worden und steht jetzt zur Entscheidung an. Alle mit der Vorlage befassten Ausschüsse empfehlen, die Entschließung zu fassen. Ob der Bundesrat dem folgen wird, ist allerdings fraglich.
Einem Gesetzentwurf der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (TOP 70) wird Baden-Württemberg als Mitantragsteller beitreten. Die Vorlage setzt Änderungsbedarf an dem 2011 eingeführten „Bildungs- und Teilhabepaket“ um, der sich nach zwei Jahren Praxis gezeigt hat. Der Zugang zu den Leistungen für die Kinder soll einfacher werden und der bürokratische Aufwand geringer. Der Bundesrat wird voraussichtlich den Gesetzentwurf beim Bundestag einbringen.
Außerdem wird Baden-Württemberg Mitantragsteller eines Entschließungsantrags von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, der den Einsatz von Fracking-Technologien mit umwelttoxischen Chemikalien bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas ablehnt, solange die Risiken nicht geklärt sind (TOP 72). Der Antrag fordert u. a. eine Bewertung der Auswirkungen der beim Fracking eingesetzten Chemikalien auf die Wasserqualität. Außerdem werden eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung und die Öffentlichkeitsbeteiligung verlangt. Es ist beantragt, die Vorlage nach der Vorstellung im Plenum den Ausschüssen zuzuweisen.
Gesetzesbeschlüsse des Bundestages
Der Bundesrat hat über 29 Gesetzesbeschlüsse des Bundestages zu befinden. Zu mehreren Gesetzen empfehlen die Ausschüsse, den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Das Haushaltsbegleitgesetz 2013 (TOP 2 b)), das nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, lehnen die Ausschüsse übereinstimmend ab. Der Vermittlungsausschuss soll daher mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses angerufen werden. Das Gesetz enthält Sparmaßnahmen im Bereich der Sozialversicherung. Unter anderem soll die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung wegfallen und der Bundeszuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung gesenkt werden. Baden-Württemberg wird für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen. Das Gesetz dient nur der kurzfristigen Entlastung des Bundeshaushalts und trägt zur nachhaltigen Konsolidierung nichts bei.
Ebenso umstritten ist das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes (TOP 4). Auch hierzu empfehlen die Ausschüsse übereinstimmend die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses. Baden-Württemberg teilt diese Auffassung. Das Gesetz ist aus vielerlei Gründen abzulehnen. Es setzt bildungs- und integrationspolitisch falsche Anreize, verfestigt überholte Rollenvorstellungen und steht im Widerspruch zu entscheidenden familienpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre.
Auch beim Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags (TOP 5) könnte es zur Anrufung des Vermittlungsausschusses kommen. Im Vorfeld der Ratifizierung des Fiskalvertrags hatten Bund und Länder im Juni Eckpunkte vereinbart, die eine Regelung der künftigen Höhe der vom Bund bis zum Jahr 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden Kompensationen nach Artikel 143c des Grundgesetzes („Entflechtungsmittel“, z. B. zur Verbesserung der kommunalen Verkehrsverhältnisse) für den Herbst dieses Jahres vorsehen. Diese ist bisher aber noch nicht erfolgt. Der Finanzausschuss empfiehlt u. a. aus diesem Grund die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Im Hinblick auf noch nicht absehbare Entwicklungen bis zur Sitzung des Bundesrates ist das Abstimmungsverhalten Baden-Württembergs noch offen.
Der Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Ausweitung der Klagerechte anerkannter Umweltvereinigungen dient das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften (TOP 18). Der Umweltausschuss kritisiert, dass mit dem Gesetz an anderer Stelle neue strengere Voraussetzungen für Umweltklagen sowohl für Verbände als auch einzelne Kläger geschaffen werden und empfiehlt die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Baden-Württemberg wird dieser Empfehlung folgen.
Unter erheblicher Verkürzung seiner Drei-Wochen-Frist wird der Bundesrat das Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes behandeln (TOP 17). Der Bundestag hat das Gesetz erst gestern beschlossen. Es soll möglichst zügig in Kraft treten, damit Rechtssicherheit in dieser für Juden und Muslime wichtigen Frage besteht. Das Gesetz regelt die grundsätzliche Zulässigkeit der Beschneidung von Jungen. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt dürfen auch von einer Religionsgemeinschaft dazu vorgesehene und einem Arzt vergleichbar befähigte Personen die Beschneidung vornehmen. Baden-Württemberg begrüßt das Gesetz.
Gesetzentwürfe der Bundesregierung
Die Tagesordnung enthält neun Gesetzentwürfe der Bundesregierung, die dem Bundesrat zur Stellungnahme vorliegen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (TOP 36) hat das Ziel, ehrenamtliches Engagement und die Arbeit steuerbegünstigter Organisationen durch unbürokratischere und flexiblere Rahmenbedingungen zu erleichtern. Vorgesehen ist z. B. eine entschärfte Haftung der ehrenamtlich Tätigen. Die im Entwurf auch enthaltenen Erhöhungen der Übungsleiterpauschale auf 2.400 Euro und der Ehrenamtspauschale auf 720 Euro empfiehlt der Finanzausschuss zu streichen. Diese Forderung wird Baden-Württemberg nicht unterstützen.
Auch ein Gesetzentwurf, der unter anderem die Verteilung der Bewertungsreserven unter den Versicherungsnehmern neu regelt liegt vor (SEPA-Begleitgesetz, TOP 9). Die geplante Regelung soll durch Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes die auf Grund der aktuellen Niedrigzinsphase gefährdete Risikotragfähigkeit der Lebensversicherungsunternehmen stärken. Die bislang vorgesehene Änderung könnte die Versicherten einseitig belasten, da diejenigen, deren Verträge jetzt auslaufen oder gekündigt werden, nicht wie im bisherigen Maße an den Bewertungsreserven beteiligt werden. Baden-Württemberg fordert daher eine ausgewogene Lösung, die die Interessen einzelner Verbrauchergruppen stärker berücksichtigt und bei dem auch die Versicherungsunternehmen einen eigenen Beitrag leisten müssen, auch wenn dieser zu Lasten ihrer Eigenmittel geht. Die Bundesregierung hat hierzu für die morgige Sitzung eine Protokollerklärung angekündigt, nach der sie besondere Härten ausgleichen will.
Vorlagen der EU
Ein Richtlinienvorschlag hat eine Erhöhung des Frauenanteils in Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften in der EU zum Ziel. Dazu soll ein Anteil von mindestens 40 Prozent des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften als Mindestziel festgelegt werden. Für kleine und mittlere Unternehmen soll dies nicht gelten. Baden-Württemberg wird die von den Ausschüssen empfohlene begrüßende Stellungnahme unterstützen.
Quelle:
Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund