Die 86. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder unter dem Vorsitz von Baden-Württemberg ist erfolgreich zu Ende gegangen. Zum Abschluss der zweitätigen Tagung im Stuttgarter Neuen Schloss zeigte sich Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger sehr zufrieden mit den erzielten Ergebnissen.
„Ich danke meinen Amtskolleginnen und -kollegen für die mit großer Sachkunde und viel Engagement geführten Beratungen. Gemeinsam haben wir wichtige Reformvorhaben auf den Weg gebracht und richtungsweisende Entscheidungen für die rechtspolitische Entwicklung getroffen“, sagte der Minister.
So befasste sich die Justizministerkonferenz auf Initiative von Baden-Württemberg unter anderem mit der Frage, wie die Gesundheitssorge unter Ehegatten durch die Schaffung eines dritten Instruments neben der Vorsorgevollmacht und der gerichtlichen Betreuung erleichtert werden kann. „Ich begrüße sehr, dass die Konferenz hier meinem Vorschlag gefolgt ist. Die Vorsorgevollmacht ist und bleibt zwar das Mittel der Wahl, um selbstbestimmt darüber entscheiden zu können, wer beim Verlust der eigenen Handlungsfähigkeit entscheiden und handeln soll. Etwa nach einem Unfall oder einem Schlaganfall soll der gesunde Ehegatte oder Lebenspartner aber auch beim Fehlen einer Vorsorgevollmacht schnell und ohne aufwändiges gerichtliches Betreuungsverfahren für seinen Partner die dringend anstehenden Entscheidungen in Gesundheitsfragen treffen können, etwa wenn es um die Einwilligung in notwendige ärztliche Maßnahmen oder die Geltendmachung von Versicherungs- und Beihilfeleistungen geht“, sagte Minister Stickelberger. Zu den konkreten Einzelheiten werde nun eine von Baden-Württemberg koordinierte Arbeitsgruppe einen Regelungsvorschlag erarbeiten. „Darin wird in jedem Fall sichergestellt sein, dass ein zuvor etwa in einer Vorsorgevollmacht oder gegenüber den Ärzten geäußerter Wille des Betroffenen stets vorrangig ist“, stellte Stickelberger klar.
Weiterer Gegenstand der Beratungen war die Frage, wie der Rechtsschutz für Verbraucher verbessert werden kann. „Nicht selten erleidet eine Vielzahl von Verbrauchern Schäden aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund, etwa wenn es um Abofallen im Internet oder nicht gewährte Entschädigungen nach Flugverspätungen geht. Das deutsche Prozessrecht bietet bislang kein schlagkräftiges Instrument zur Lösung dieser Fälle“, erläuterte der Minister. Denn gerade bei geringen Schäden könnten die Unternehmen darauf vertrauen, dass die Verbraucher die Kosten und den zeitlichen Aufwand einer Klage scheuten und sich mit dem Schaden abfänden. „Um hier Abhilfe zu schaffen, hat sich die Justizministerkonferenz dafür ausgesprochen, zeitnah den so genannten kollektiven Rechtsschutzes im deutschen Recht zu stärken. Wenn etwa Verbraucherschutzvereine schon durch eine einzige Musterklage die wesentlichen Fragen schnell und verbindlich gerichtlich klären könnten, wäre das eine große Erleichterung für die Verbraucher. Das stärkt auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat“, sagte Justizminister Stickelberger.
Auch die Zukunft der der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg wurde erörtert. „Ich habe immer dafür geworben, dass die Zentralstelle fortgeführt wird. Das sind wir unserer Vergangenheit schuldig. Meine Kolleginnen und Kollegen sind heute meinem Vorschlag gefolgt und haben ein klares Signal zum Fortbestand dieser immens wichtigen Einrichtung gesetzt“, sagte Stickelberger. Solange es noch mögliche Straftäter gebe, werde die Ermittlungstätigkeit fortgesetzt. Langfristig gehen die Überlegungen dahin, nach dem Ende der Ermittlungstätigkeit die 1958 durch eine Verwaltungsvereinbarung aller Bundesländer gegründeten Institution als Dokumentations-, Forschungs- und Informationszentrum zu erhalten. „Auf diese Weise könnten wir ein Zeichen gegen das Vergessen setzen und nachfolgenden Generationen Wissen und Einrücke über dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte vermitteln“, sagte der Minister.
Weitere Themen des Vorsitzlandes der Justizministerkonferenz
Islamistischer Extremismus im Justizvollzug: Seit den Anschlägen von Paris und Kopenhagen Anfang des Jahres ist die Diskussion um Radikalisierung von islamistischen Gewalttätern in Gefängnissen in den öffentlichen Fokus gerückt. Auch für Deutschland wird die Frage aufgeworfen, ob anfällige Gefangenen islamistischer Missionierung unterliegen oder im Strafvollzug gar in die Fänge radikal-islamistischer Netzwerke geraten könnten. Nach einem umfassenden Erfahrungsaustausch hat die Justizministerkonferenz hierzu festgestellt, dass in allen Ländern bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen wurden, um der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus wirksam zu begegnen zu können, etwa durch eine ganz genaue Beobachtung der Situation in den einzelnen Haftanstalten durch speziell ausgebildete Strukturbeobachter, durch eine enge Zusammenarbeit mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, Verfassungsschutz und Polizei sowie durch gezielte Fortbildung des Personals. Um etwa mit Blick auf mögliche Syrien-Rückkehrer auf künftige Entwicklungen vorbereitet zu sein, hat die Konferenz den Strafvollzugsausschuss beauftragt, die Notwendigkeit neuer Strategien zu prüfen und wirksame Handlungskonzepte zum Umgang mit Islamisten und Salafisten im Wege eines Best Practice zu ermitteln.
eJustice II - Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte in der Justiz: Das digitale Zeitalter hat auch die Justiz erreicht. Seit Oktober 2013 sind mit dem „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“ bundeseinheitlich die Weichen für das größte Reformprojekt der Justizgeschichte gestellt: die Einführung des verbindlichen elektronischen Rechtsverkehrs bis Januar 2018. Unter dem Stichwort eJustice II hat nun eine von Baden-Württemberg geleitete Arbeitsgruppe ein Ideenpapier mit weiteren Maßnahmen zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte vorgelegt. Der Fokus liegt dabei auf der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichten. So wird etwa erwogen, ein bundesweites Akteneinsichtsportal im Internet einzurichten sowie die rein elektronische Aktenführung in allen Verfahrensordnungen verbindlich vorzuschreiben. Die Justizministerkonferenz hat die Arbeitsgruppe nun beauftragt, die Umsetzbarkeit der einzelnen Ideen zu prüfen.
Weitere Informationen zur Justizministerkonferenz: Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder, kurz Justizministerkonferenz (JuMiKo), dient dazu, justiz- und rechtspolitische Vorhaben der Bundesländer zu koordinieren und abzustimmen. Sie ist eine ständige Einrichtung, an der die Justizministerinnen und Justizminister der 16 Bundesländer mitwirken. Der Vorsitz der Konferenz wechselt jährlich zwischen den Bundesländern. Unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz tagt die Justizministerkonferenz zweimal im Jahr. Nach der nun beendeten Frühjahrstagung wird die Herbsttagung am 12. November 2015 in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin stattfinden.