Stuttgart/ Mannheim - Geschenke haben sich Musiker aus Baden-Württemberg in diesem Jahr zuhauf selbst gemacht. Beim Stuttgarter Rapper Cro glänzen sie in Platin und Gold - für seine Singles „Easy“ und „Du“ sowie das Debütalbum „Raop“. Feiern dürften auch Philipp Poisel, Max Herre, Xavier Naidoo, die Fantastischen Vier oder Pur. „Das ist schon eine beeindruckende Bilanz“, sagt der Künstlerische Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, Udo Dahmen. Endlich wieder - mag so mancher Musikfreund und Fan der Künstler meinen.
Denn seit den Hoch-Zeiten der Mannheimer Szene um Naidoo mit den Söhnen Mannheims und Laith Al-Deen oder erfolgreicher Stuttgarter Hip-Hop- und Rap-Bands wie Freundeskreis um Max Herre, Massive Töne, Fantastische Vier oder die Kolchose vor mehreren Jahren, sind die Südwest-Künstler erst 2012 wieder so dominant in den Charts vertreten. Darunter alte Bekannte, aber auch einige Newcomer wie Cro.
„Es gibt das immer alle paar Jahre, dass neue Musik für ein neues, junges Publikum entsteht. Das würde ich für Cro ganz deutlich sagen wollen“, erklärt Dahmen, Professor und Leiter des Fachbereichs Populäre Musik. Der Sänger mit der Pandamaske, der seinen Musikstil selbst irgendwo zwischen Rap und Pop verortet, landet Dahmen zufolge in den Albumjahrescharts auf Platz 8.
Cro ist das vielleicht interessanteste Phänomen des Musikjahres 2012. Vom Klick-Wunder im Internet mauserte er sich zum umjubelten Star. „Das ist eine Erfolgstory, die vor einem Jahr noch nicht abzusehen war“, sagt SWR3-Musikchef Ulrich Frank. Wie Dahmen verweist er auf das Stuttgarter Label Chimperator, das hinter dem Durchbruch steckt. „Das ist das spannendste unabhängige Plattenlabel, das es im Moment gibt“, so Frank. „Die haben keine vergleichbare Konkurrenz.“ Dafür aber noch einige Unbekannte in petto.
Auch der Stuttgarter Singer/Songwriter Philipp Poisel erlebte mit seinem „Projekt Seerosenteich“, Konzerten mit Orchester-Begleitung und der gleichnamigen Doppel-CD laut Frank ein „Mega-Jahr“. „Der trifft den Puls der Zeit“, sagt er. Popakademie-Professor Dahmen betont, dass Poisel zum ersten Mal in den Charts wochenweise Nummer eins war. Das ist aus Sicht Franks wie bei Cro eine Entwicklung, „die man nicht am Reißbrett planen kann“. Beide Künstler eint außerdem, dass sie ein vergleichsweise junges Publikum liebt.
Erfolgreich zurückgemeldet hat sich der Wahl-Berliner Max Herre, auf dessen Album „Hallo Welt“ unter anderem auch Cro und Poisel zu hören sind. Zum Jahresende platzierten zudem die Fantastischen Vier und Pur Alben in den Charts. Und „Voice of Germany“-Juror Naidoo siegte mit Kool Savas bei Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“.
Im November musste sich „Xavas“ - eine Kooperation, die SWR3-Musikchef Frank als „mutig“ aus Sicht Naidoos bezeichnet - dann gegen Vorwürfe wehren, ein Hidden Track auf dem Album „Gespaltene Persönlichkeit“ sei schwulenfeindlich und rufe zu Gewalt auf. Ein kleiner Schatten auf der sonnigen Musikwelt Baden-Württembergs 2012.
Bei der Jahresbilanz stehen die hiesigen Künstler zwar weder an den Chartspitzen, noch mischten sie beim Wettrennen um den Sommerhit des Jahres (den es diesmal nicht so wirklich gab) mit, wie Hans Schmucker vom Marktforschungsunternehmen Media Control in Baden-Baden sagt. Doch insgesamt sei 2012 für deutsche Musiker ein sehr erfolgreiches Jahr gewesen. „Und Schwaben waren weit vorne dabei.“
Doch können vor allem die Neuen im Business im kommenden Jahr an den Erfolgen anknüpfen? Während Pop-Experte Dahmen gerade in Cro wegen einer hohen Glaubwürdigkeit in der Szene und einer stabilen Fangemeinde ohne Einschränkung zutraut, sagt SWR-Mann Frank: „Interessant wird es werden, wenn er sich zurückzieht, um neue Musik aufzunehmen. Trifft er dann noch den Nerv?“ Das könne er sich bei dem jungen Star aber vorstellen, sagt Frank. „Der hat Fingerspitzengefühl für Trends.“
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dpa/lsw