Staatssekretär Klaus-Peter Murawski hat im Namen des Ministerpräsidenten auf den Brief von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern zum Thema Flüchtlinge geantwortet. Der Brief im Wortlaut:
"Sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin Bosch,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Hirth,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Mergel,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hager,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Gönner,
auf Ihr Schreiben an Herrn Ministerpräsident Kretschmann, in dem Sie Ihre Sorge um die Bewältigung der Aufgaben, die durch die starke Zunahme der Zahl der Flüchtlinge entstehen, ausdrücken, möchte ich Ihnen im Namen des Ministerpräsidenten antworten.
Die Kommunalen Landesverbände, die auf dem Flüchtlingsgipfel ebenfalls vertreten waren, werden in all unsere Planungen zur Flüchtlingsarbeit mit einbezogen. Hierbei ist uns eine gute Kommunikation und gemeinsame Sprache zwischen Land und kommunaler Seite besonders wichtig.
Es geht letztendlich darum, dass jeder in seinem Aufgaben- und Verantwortungsbereich alles tut, um auf die bestehende Situation angemessen zu reagieren und die aktuell enorme Herausforderung hinsichtlich Zugangs und Unterbringung von Flüchtlingen zu meistern. Dies hatten wir auch mit dem Flüchtlingsgipfel vermittelt. Ich gehe davon aus, dass Sie, sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin Bosch trotz Ihrer Abwesenheit über alle Ergebnisse informiert worden sind.
Deswegen bin ich verwundert, dass Sie einen offenen Brief nutzen, um die Forderungen, über die wir beim Flüchtlingsgipfel gesprochen haben, noch einmal vorzubringen und uns diese quasi über die Medien zu übermitteln.
In der neu gegründeten Lenkungsgruppe, an der wir auch die Kommunalen Landesverbände beteiligt haben, haben wir eine gute und intensive Zusammenarbeit vereinbart. In der Sitzung vom 4. August haben wir bereits konstruktive und lösungsorientierte Ansätze gefunden. Diese gute Gesprächskultur mit der kommunalen Seite sollte nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Landesregierung steht jedenfalls bereit, diese gemeinsame Gesprächskultur fortsetzen.
Ich stimme Ihnen in der Einschätzung zu, dass die Asylanträge deutlich schneller bearbeitet werden müssen. Vorweg: Unser Hauptproblem ist, wie Sie sicherlich wissen, dass ein Asylantrag durchschnittlich 6,7 Monate braucht, bis er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden wird (BAMF). Unser Ziel ist es nach wie vor, dass wir den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz umzusetzen, Personen, die offensichtlich unbegründete Anträge stellen, nicht mehr auf die Kreise zu verteilen. Dieses Ziel haben wir auch beim Flüchtlingsgipfel bekräftigt. Der Bund muss hier seine Anstrengungen verstärken und insbesondere seine Personalgewinnung deutlich beschleunigen.
Mehrere Ihrer Forderungen hängen mit der verzögerten Bearbeitung der Fälle durch das BAMF zusammen. So optimiert das Land die Verfahren in den Erstaufnahmestellen weiter. Solange das BAMF Asylanträge nicht in drei Monaten entscheidet, ist ein Verbleib der Flüchtlinge in den Landeserstaufnahmestellen nicht möglich, da die Einrichtungen den Andrang dann nicht mehr bewältigen können. Dies würde außerdem der Regelung des Asylverfahrensgesetzes widersprechen, das eine Verlegung aus der Erstaufnahme nach drei Monaten vorsieht. Gleichwohl erarbeiten wir derzeit Lösungen, um einen rechtssicheren Verbleib von Personen ohne Bleiberechtsperspektiven in Aufnahmeeinrichtungen des Landes bis zur Aufenthaltsbeendigung zu gewährleisten. Dies wird aber nur bei optimalen Verfahrensabläufen und einer schnellen Entscheidung durch das BAMF gelingen.
Das Land schiebt Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, konsequent ab und ist dabei das Verfahren weiter zu verbessern. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten zur freiwilligen Rückkehr verstärkt. Wichtig wäre eine zentrale Passbeschaffungsstelle beim Bund, damit Personen ohne Ausweispapiere, was einen Großteil der Fälle entspricht, zügig rückgeführt werden können. Eine entsprechende Forderung haben wir an die Bundesregierung gerichtet.
Ihrer Forderung, weitere Staaten als sichere Drittstaaten anzuerkennen, ste-hen wir grundsätzlich offen gegenüber, sofern sie sich als wirksam erweist. Ihnen ist aber sicherlich auch bekannt, dass die uns zugesagte Evaluation seitens des Bundes über die Wirksamkeit einer solchen Anerkennung, die die Ministerpräsidenten bei der Besprechung mit der Bundeskanzlerin eingefordert haben, immer noch aussteht.
Auch angesichts der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen findet grundsätzlich keine Aufgabenverlagerung an die Kommunen statt. Klar ist aber auch, dass alle: Land, Kreise und Kommunen gefordert sind, um den vielen Flüchtlingen, die zu uns kommen, gerecht zu werden. Dies haben wir auf dem Flüchtlingsgipfel deutlich gemacht. Niemandem wird mehr zugemutet, als er tragen und leisten kann – es darf aber keinem weniger zugetraut werden.
Ich habe großes Verständnis für die schwierige Situation der Kommunen. In vielen Punkten, die in dem offenen Brief angesprochen werden, ist das Land bereits aktiv. So haben wir beim Flüchtlingsgipfel ein entsprechendes Maßnahmenpaket geschnürt: Bis zum Jahresende erhöhen wir die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen um 5.700 Plätze, im nächsten Jahr kommen mindestens 5.000 weitere Plätze hinzu.
Außerdem stocken wir das Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ um weitere 30 Mio. Euro ab 2016 auf. Damit unterstützen wir die Kommunen weiterhin kräftig bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Die beim Flüchtlingsgipfel angekündigte Lenkungsgruppe, die das Verfahren in der Flüchtlingsaufnahme optimieren soll, hat ihre Arbeit – wie dargelegt – unmittelbar aufgenommen und schon mehr als 1.000 weitere Unterbringungsplätze geschaffen.
Das Land unterstützt die Kommunen verstärkt bei der Unterbringung. So haben wir eine Einigung mit den Kommunalen Landesverbänden in der Frage der kostendeckenden Pauschale für 2014/2015 erzielt. Aufgrund der Dynamik der Flüchtlingszahlen werden wir ab 2016 neue Verhandlungen führen und sichern Ihnen einen fairen Kostenausgleich zu.
Darüber hinaus haben wir mit zusätzlichen Mitteln ein Programm zur besse-ren Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt geschaffen. Auch die eh-renamtliche Flüchtlingsarbeit wird durch das Land unterstützt. Seit 2015 hat das Land ein Förderprogramm zur Unterstützung der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit aufgelegt.
Die Landesregierung setzt alles daran, die Herausforderung der starken Zunahme der Flüchtlinge der letzten Monate zu bewältigen. Wir bilden zusam-men mit dem Bund, den Kommunen, den Landkreisen und Regierungspräsidien, mit der Polizei, den Trägern der freien Wohlfahrtspflege und Hilfsorganisationen und den vielen ehrenamtlich Engagierten eine Verantwortungsgemeinschaft. Nur durch die Fortführung unseres kontinuierlichen und konstruktiven Gesprächsfadens werden wir in der Lage sein, auch in den kommenden Monaten diese Aufgabe zu meistern.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski"