Flugverkehr

Hermann kritisiert Verbot von Codesharing-Flügen

Verkehrsminister Winfried Hermann (Foto: © dpa)

Das Luftfahrtbundesamt will von Freitag an das „Codesharing“ genannte Abkommen zwischen Air Berlin und Etihad Airways für Flüge zwischen Stuttgart und Abu Dhabi untersagen. Minister Winfried Hermann wirft der Bundesregierung im Interview mit der Stuttgarter Zeitung Marktabschottung vor.

Stuttgarter Zeitung: Herr Minister, bereits beim Erstflug von Stuttgart nach Abu Dhabi 2014 hatten Sie der Bundesregierung Marktbeschränkung vorgeworfen. Nun hat ein Gericht das umstrittene Codesharing von Air Berlin und Etihad untersagt. Wie bewerten sie das?

Winfried Hermann: Ob das Codesharing zwischen Air Berlin und Etihad durch das Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten abgedeckt ist, bleibt juristisch umstritten. Final entschieden ist aus meiner Sicht noch nichts. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat die Frage zwar verneint, es bleibt aber die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg abzuwarten. Ich habe mich seit meinem Amtsantritt bei den Bundesverkehrsministern Ramsauer und Dobrindt mehrfach dafür eingesetzt, dass die erforderlichen Verkehrsrechte für Direktflüge von Golf-Airlines zwischen Stuttgart und arabischen Zielen eingeräumt werden. Ich kann nur politisch drängen, erzwingen kann ich nichts. Im Übrigen haben schon mehrere meiner Amtsvorgänger erfolglos in dieser Angelegenheit interveniert.

Hatten Sie in dieser Angelegenheit überhaupt einen direkten Kontakt?

Hermann: Ich habe mich zuletzt 2014 direkt an den Bundesverkehrsminister mit der Bitte um eine Ausweitung der Verkehrsrechte für die Golf-Airlines in Stuttgart gewandt. Im April 2015 hat die Verkehrsministerkonferenz auf meine Initiative hin den Bundesverkehrsminister gebeten, die Anstrengungen für mehr Wettbewerb im Luftverkehrsmarkt im Interesse der deutschen Regionen zu verstärken. Auch andere Bundesländer beziehungsweise deren Flughäfen fühlen sich durch die einseitige Politik des Bundes benachteiligt. Im Juni 2015 hat sich Ministerpräsident Kretschmann mit einem Schreiben an die Bundesminister Gabriel, Steinmeier und Dobrindt für den Erhalt der Codesharing-Flüge von Stuttgart eingesetzt. Mehr können wir als Land nicht tun.

Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht, dass es zu einer Ausweitung der Landerechte für die Airlines aus der Golfregion kommt?

Hermann: Ich beobachte seit Jahren, dass der jeweilige Bundesverkehrsminister hartnäckig die Interessen der Lufthansa vertritt, die ihre Drehkreuze in Frankfurt und München vor Wettbewerb schützen. Er ist damit politisch auf einer Linie mit den Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen. Wir werden mit den anderen benachteiligten Ländern diese wettbewerbswidrige Politik nicht hinnehmen.

Warum ist es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll, die Landerechte der Airlines der Golfstaaten zu Gunsten deutscher Hubs zu beschränken?

Hermann: Die baden-württembergische Wirtschaft ist in hohem Maß international vernetzt und exportorientiert. Sie ist deshalb sehr an Direktflügen zum Golf und weitergehenden Anschlussflügen interessiert. Auch Dienstleister in der Region profitieren von Gästen aus dem arabischen Raum. Als Landesminister ist es meine Pflicht, mich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes einzusetzen, als Aufsichtsvorsitzender für die Interessen unseres Landesflughafens. Das Hubsystem, also Fluggäste an zentralen Flughäfen einzusammeln, damit Fernflüge voll besetzt werden können, ist prinzipiell sinnvoll. Allerdings gilt das auch für andere Drehkreuze. Und manche Direktflüge, zum Beispiel in die USA oder Richtung Südosten, funktionieren eben auch direkt, wenn genügend Bedarf da ist. Stuttgart und Baden-Württemberg sind keine zweitklassige Provinzregion, die nur als Hinterland zu Frankfurt und München taugt.

Sind Sie nicht der Ansicht, dass die staatliche Unterstützung der Golf-Airlines und die ihnen unterstellte Missachtung von Arbeitnehmerrechten eine Restriktion rechtfertigen?

Hermann: Zunächst einmal sollten wir festhalten, dass auch der deutsche Luftverkehr von allerlei staatlichen Unterstützungen über viele Jahrzehnte bis heute profitiert hat. Die Flughäfen und die dazugehörige Verkehrsinfrastruktur werden teils bis heute mit öffentlichen Mitteln ausgebaut und subventioniert. Im Übrigen gelten in Deutschland für alle die gleichen Arbeitnehmerrechte. Dass sich diese Rechte auch in den Golfstaaten verbessern, ist mir ein Anliegen. Dem Bundesverkehrsminister geht es doch nicht in erster Linie darum, Arbeitnehmerrechte bei den Golf-Airlines durchzusetzen, sonst müsste er ja alle Flugverbindungen deswegen absagen. Es geht ihm offenbar um Marktabschottung im Interesse der Lufthansa und ihrer Hubs. Wenn es um Arbeitnehmerrechte ginge, müsste er bei den dortigen Airlines und Regierungen vorstellig werden.

Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht der Incoming-Verkehr durch die Strecke für Stuttgart, die Region und das Land?

Hermann: Die Direktverbindung von Abu Dhabi nach Stuttgart hat viele Araber nach Stuttgart, in die Region und das Land gebracht. Sie wären ohne diese Verbindung kaum gekommen. Diese Gäste haben in Baden-Württemberg viel Geld liegen lassen, beim Einzelhandel, in den Hotels, in der Gastronomie, in Krankenhäusern oder Arztpraxen.

Als Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens freuen Sie sich über hohe Gewinne und steigende Passagierzahlen, registrieren aber auch die verheerende Wirkung überbordenden Flugverkehrs auf das Klima. Wie sehr schmerzt Sie dieser Spagat?

Hermann: Jede Mobilität, die auf Verbrennungsmotoren beruht, ist ein großes Problem für das Weltklima. Deshalb gilt es, unnötige Flüge zu vermeiden, die Effizienz der herkömmlichen Flugzeuge weiter zu steigern und klimaneutrale, biogene Antriebsstoffe zu entwickeln. Und deshalb müssen wir auch unsere Anstrengungen, vom Verbrennungsmotor wegzukommen, in den nächsten Jahren in allen Bereichen noch erheblich steigern. Das gilt auch für den Luftverkehr. So gibt es erste, erfolgversprechende Ansätze, auch hier Elektromobilitäts-Technologien einzusetzen. Das absolute Minimalziel ist für mich ein klimaneutrales Wachstum im Luftverkehr.

Die Flughafen-Geschäftsführung hat den Bau eines weiteren Terminals in Aussicht ­gestellt. Wie stellt sich das Land zu diesen Erweiterungsplänen? Nach der Veröffent­lichung dazu in der StZ ist durch Anrainer die Befürchtung geäußert worden, es könnte eine neuerliche Debatte über eine zweite Startbahn folgen. Was können Sie den besorgten Bürgern ­dazu sagen?

Hermann: Die Geschäftsführung des Flughafens hat aufgrund der zunehmenden Passagierzahlen erste Überlegungen für zusätzliche Abfertigungskapazitäten angestellt. Entschieden ist jedoch noch nichts. Es gibt keinerlei Pläne für eine zweite Start- und Landebahn. Da die eingesetzten Flugzeuge in Stuttgart in den letzten Jahren immer größer wurden und dieser Trend wohl auch noch anhalten wird, sehe ich für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte keinen Bedarf für eine zweite Bahn. Mit dieser Landesregierung wäre eine solche zweite Bahn auch nicht zu machen.

Elektroantriebe bei Bussen und die Förderung des elektrischen Fliegens in allen Ehren – aber grün wird Ihr Flughafen ­angesichts von 130.000 Flugbewegungen deshalb nicht.

Hermann: Das sehe ich anders. Viele wollen das Flugzeug als das schnellste und bequemste Verkehrsmittel für längere Strecken nutzen. Deshalb kann es nur darum gehen, den Luftverkehr möglichst umwelt- und klimaverträglich zu machen. Da sind die Flugzeugbauer, die Flugsicherung und die Flughafenbetreiber in gleicher Weise gefordert. Der Flughafen Stuttgart ist mit dem Fairport-Konzept seinem Ziel, einer der nachhaltigsten Flughäfen in Europa zu werden, in den letzten Jahren schon näher gekommen. Ein Flughafen ist dann „grün“, wenn er am Boden seine Aufgaben so erfüllt, dass die Umweltbelastungen auf das unvermeidliche Minimum beschränkt werden. Hier sind wir ein anerkannter Vorreiter geworden. Wir sparen Energie in den Gebäuden und fahren im Vorfeld zunehmend elektrisch.

Der Flughafenchef Georg Fundel geht 2017 in den Ruhestand. Sie hätten die Möglichkeit, die Stelle stärker ökologisch und nachhaltiger auszurichten. Wird die Stelle „politisch“ besetzt oder favorisieren Sie einen Finanz- und Flughafenexperten?

Hermann: Wir werden für die Nachfolge von Herrn Fundel mit professioneller Unterstützung eine Person suchen, die diese Führungsaufgabe kompetent ausfüllen kann. Die Stellenbesetzung erfolgt ausschließlich nach fachlichen Kriterien. Darüber haben wir uns im Aufsichtsrat verständigt.

Das Interview führte Jörg Nauke.

Flughafen Stuttgart

Am Flughafen Stuttgart wurden 2015 rund 10,5 Millionen Passagiere gezählt, ein Plus von 8,2 Prozent. Die Zahl der Starts und Landungen stieg um 4,9 Prozent auf 130.485. Der Umsatz betrug 245 Millionen Euro, der Gewinn wird über 30 Millionen Euro liegen – an die Bahn müssen aber 40 Millionen wegen S 21 überwiesen werden. 2016 wird mit drei Prozent Wachstum gerechnet. Geschäftsführer Georg Fundel plant die Erweiterung der Abfertigungsanlagen. Er geht im April 2017 in den Ruhestand.

Quelle:

Stuttgarter Zeitung

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