Stuttgart - Eine historisches Kleinod im Besitz des Landesarchivs Baden-Württemberg wirft ein neues Schlaglicht auf das Verfahren gegen den Hofrat Joseph Süß Oppenheimer. Mit der jüngst erworbenen Verteidigungsschrift für den 1738 hingerichteten Berater des württembergischen Herzogs Karl Alexander werde eine wichtige Lücke in der Überlieferung des Prozesses geschlossen, erläuterte der Präsident des Landesarchivs, Robert Kretzschmar, am Dienstag in Stuttgart. Besondere Brisanz erhält das Werk dadurch, dass es keine Randvermerke oder Bearbeitungsspuren der Richter enthält. «Dies bestätigt, dass sich das Gericht gar nicht juristisch mit dem Vorgang beschäftigt hat», sagte Kretzschmar. Er fügte hinzu: «Es war wirklich ein Justizmord.»
Die Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg hatte den Kauf der mehrere hundert Seiten starken Schrift in altdeutschen Lettern für 20.000 Euro ermöglicht. Das Werk, das als national wertvolles Kulturgut unter Schutz gestellt wird, war im April von einem Privatmann in Frankfurt erworben worden. Damit kam man der Versteigerung auf einer Auktion zuvor. Ebenfalls von dem Sammler wurden Schmähschriften gegen Oppenheimer und der Kalender eines beteiligten Richters gekauft.
Die Schrift wurde von Oppenheimers Pflichtverteidiger, dem Tübinger Juristen Andreas Michael Mögling, verfasst. Doch seine Mühe fruchtete nicht, denn Oppenheimer wurde nach dem von antijüdischen Ressentiments geprägten Prozess am 4. Februar 1738 öffentlich hingerichtet. Kurz zuvor war sein Förderer und Auftraggeber Herzog Karl Alexander gestorben. Der Fall lieferte die Vorlage für den von den Nazis gemachten antisemitischen Hetzfilm «Jud Süß».
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dpa/lsw