Esslingen - Drei Wochen lang wurde die Stuppacher Madonna mit einer Alkohollösung abgetupft. Nun hat sie ihren speckigen Glanz verloren. Mit Wattebäuschen haben Restauratoren ihn vorsichtig von dem bekannte Gemälde von Matthias Grünewald heruntergewischt. Seit Januar ist das Renaissance-Werk in Esslingen in der Hand von Andreas Menrad, dem Chefrestaurator des Landesamts für Denkmalpflege, und seinem Team.
200 000 Euro sind für die Restaurierung veranschlagt. Die Kosten teilen sich die Diözese Rottenburg-Stuttgart, das Landesamt für Denkmalschutz und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Im November soll die Madonna wieder in ihre Heimat, eine Kapelle im Bad Mergentheimer Stadtteil Stuppach (Main-Tauber-Kreis), zurückkehren. Dort wurde schon moderne Klimatechnik eingebaut. Das soll künftigen Schäden vorbeugen.
Denn Schäden hat die Madonna, deren Wert Menrad auf einen zweistelligen Millionenbetrag schätzt, schon genug erlitten. Um 1514 wurde das Gemälde für die Kapelle einer Aschaffenburger Stiftskirche in Auftrag gegeben. Später gelangte es nach Bad Mergentheim und 1812 schließlich in die Stuppacher Pfarrkirche Mariä Krönung. Eine Strapaze für das Gemälde. Zeitweise hielt man es für einen Rubens, im 19. Jahrhundert werkelten einige Stümper daran herum.
Die Restauratoren in Esslingen haben die Madonna geröntgt, mit Infrarotstrahlen durchleuchtet und mit einem Laser gescannt. Nun steht sie in einem extra gesicherten Raum, umgeben von zwei Mikroskopen und unzähligen Fotos ihrer problematischen Partien. Die Diagnose: Etliche Hohlstellen, an denen sich die Farbe vom Untergrund abgelöst hat. Außerdem ist an einigen Stellen keine Farbe mehr von der originale Bemalung vorhanden, sondern nur noch von früheren Restaurierungsversuchen. Und dann hat in den 80er Jahren ein Kunstmaler einen Firnis aufgetragen, damit das Bild schön glänzt. Doch dieser Anstrich verstopfe die vielen kleinen Sprünge in der Farbe, sagt Menrad. Er musste als erstes weg.
Durch die kleinen Risse wollen die Restauratoren nun Festigungsmittel in das Bild einziehen lassen. Das stabilisiert die Hohlstellen. Später tragen sie mit dem Skalpell noch überstehenden Kitt von früheren Restaurierungen ab. "Das Gemälde ist im Lauf der Zeit um einige Millimeter geschrumpft", erklärt Menrad. Dadurch hat sich der Kitt nach oben gewölbt. Auch Retuschen stehen noch an. "Wir setzen viele kleine Farbpünktchen auf die betroffenen Stellen." Strukturentusche heißt das Verfahren. "Man soll aus der Nähe erkennen können, was aus unserer Hand stammt."
Regelmäßig kommt eine Kommission aus Vertretern der Stuppacher Gemeinde, der Diözese und anderen Experten vorbei. Dann werden weitere Schritte der Restaurierung abgesprochen.
Auch in den 1930er Jahren war das so. Damals war die Madonna schon einmal in Behandlung, bei Professor von Tettenborn. "Er hat alle Zutaten aus dem 19. Jahrhundert entfernt", sagt Menrad. Den Fortschritt seiner Arbeit dokumentierte der Professor fotografisch. Für die Esslinger Restauratoren ist das heute eine große Hilfe. Darauf zu sehen ist zum Beispiel, dass die Gruppe um Tettenborn eine Christusfigur in der linken oberen Bildhälfte entfernte. "Sie haben wohl erkannt, dass er nicht von Grünewald stammt", sagt Menrad.
Stattdessen beschloss die Kommission damals, einen Gottvater in das Bild zu setzen. Die Esslinger Experten werden die Änderung wohl beibehalten - auch wenn der Gottvater Menrad nicht gefällt. "Malerisch ist das nicht so überzeugend. Das hat was von Miraculix."
An dem Zauber, den das Madonnenbild auf ihn ausstrahlt, ändert das nichts. Viele veritable Werke hätten sie schon hier gehabt, sagt er. "Aber die Stuppacher Madonna ist schon etwas Besonderes. Es ist ein Spitzenwerk der Renaissance." Eines, zu dessen Schönheit nun auch die Esslinger Experten ihren Teil beitragen.
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dpa/lsw