Kultusminister Andreas Stoch will erreichen, dass Henri die bestmögliche pädagogische und sonderpädagogische Förderung erhält. Dies setze voraus, dass Henri an der Schule willkommen sei. Deshalb unterstützt der Minister nach der Ablehnung der Gesamtlehrerkonferenzen des Gymnasiums und der Realschule Walldorf die alternativen Schulangebote des Staatlichen Schulamtes Mannheim, die mit den Eltern in der Bildungswegekonferenz erörtert wurden.
Diese Angebote sind eine Werkrealschule sowie zwei Gemeinschaftsschulen mit einem inklusiven wohnortnahen Bildungsangebot. Diese Schulen verfügen über Erfahrungen mit dem inklusiven Unterricht von jungen Menschen mit und ohne Behinderung und bieten gute Rahmenbedingungen. Die Eltern sind über diese Entscheidung heute vom Staatlichen Schulamt informiert worden.
Der Minister betonte, dass es sich hier um einen Einzelfall handle. Es sei in keinster Weise ein Präzedenzfall und könne deshalb nicht auf andere Situationen übertragen werden. Inklusion ist in Baden-Württemberg bereits an einigen Gymnasien und einer Reihe von Realschulen realisiert oder geplant. Insgesamt erhielten 478 Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2012/13 an Gymnasien sonderpädagogische Beratung und Unterstützung. Derzeit planen zwei Gymnasien in der Region Stuttgart die Einrichtung gruppenbezogener inklusiver Bildungsangebote für geistig behinderte Kinder. "Inklusion ist Aufgabe aller Schulen und Schularten. Die beiden Walldorfer Schulen sehen sich zwar noch nicht in der Lage, ein behindertes Kind zieldifferent unterrichten und fördern zu können. Ich erwarte aber von ihnen, dass sie sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen, um für diese Aufgabe, die ab 2015 Schulen aller Schularten betrifft, gut vorbereitet zu sein", erklärte Stoch. Dazu gebe es neben Fortbildungen eine Reihe von Möglichkeiten.
Der Entscheidung zugrunde liegt ein Beschluss der Lehrerkollegien beider Schulen, die sich trotz großer Bemühungen von Schulamt und Kultusministerium mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen haben, Henri aufzunehmen. Stoch verwies hier auf die Aussage des Behindertenbeauftragten Gerd Weimer: "Wenn das Kind an der Schule nicht erwünscht wird, tut man ihm keinen Gefallen, wenn man die Beschulung von oben verordnet." Inklusion lasse sich nicht mit der Brechstange durchsetzen. Zu einem ähnlichen Schluss kommt jetzt die neue Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen in inklusiven und exklusiven Förderarrangements, in der das Lernen in Inklusionsklassen und Förderschulen getestet wird. Nach Presseberichten haben die Wissenschaftler einen besonderen Erfolgsfaktor für das gemeinsame Lernen identifiziert: die Haltung und Aufgeschlossenheit des Lehrerkollegiums.
Der Elternwunsch sei zwar für die Schulverwaltung handlungsleitend, erklärte Stoch. Sie sollen zwischen einem Bildungsangebot an einer allgemeinen Schule und einer Sonderschule entscheiden können. Ein absolutes Elternwahlrecht für eine bestimmte Schule werde es aber auch nach der Änderung des Schulgesetzes nicht geben. "Ausschlaggebend für die Entscheidung muss immer die Frage sein, wie das Kind am besten gefördert werden kann und ob die Rahmenbedingungen an einer Schule dem Wohl des Kindes tatsächlich entsprechen", erklärte Stoch.
Für Kooperationen zwischen Schulen mit und ohne Inklusion gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Die Schulen könnten:
- verschiedene Möglichkeiten für eine gemeinsame Ausgestaltung des Unterrichts sowie des Schullebens vereinbaren;
- schulübergreifende Unterrichtsvorhaben zu vergleichbaren Unterrichtsthemen (Orientierungsstufe Klasse 5/6 in den Unterrichtsfächern Musik, Bildnerisches Gestalten, Naturphänomene, Religion, aber auch projektbezogene Unterrichtsthemen in den Kernfächern) starten
- Angebote im Bereich der Arbeitsgemeinschaften der verschiedenen Schularten (Theater, Musik, Tanz, Sport) für Schüler der jeweils anderen Schularten öffnen
- sich auch außerunterrichtlich verabreden, etwa bei gemeinsamen Sport- und Spielfesten, Weihnachtsfeiern, Sommerfesten, Schulausflügen, Lesenächten
- an Wettbewerben gemeinsam teilnehmen.