Landwirtschaftsminister Alexander Bonde will ein Qualitätssiegel für gentechnikfreie Produkte einführen. Dafür soll das «Qualitätszeichen Baden-Württemberg» entsprechend erweitert werden, sagt er im Interview mit der Südwest Presse.
Südwest Presse: Herr Bonde, was haben Sie 2012 in der Agrarpolitik vor?
Alexander Bonde: Ich will die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion weiter absichern. Und dazu beitragen, dass der Nachfrageboom bei Biowaren stärker mit heimischen Produkten befriedigt werden kann.
Südwest Presse: Was planen Sie gegen Gentechnik?
Bonde: Wir werden Voraussetzungen dafür schaffen, das Qualitätszeichen Baden-Württemberg umzustellen. Wer ein Produkt mit dem Zeichen kauft, soll die Garantie haben, dass es gentechnikfrei ist.
Südwest Presse: Sie leiten 2012 die Agrarministerkonferenz der Länder. Forcieren Sie das Thema auch dort?
Bonde: Die Bürger wollen keine Gentechnik auf dem Teller. Die Bundesländer haben leider keine gesetzgeberischen Möglichkeiten. Als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz werde ich mich dafür einsetzen, dass sich das ändert.
Südwest Presse: Der Ökolandbau hat im Südwesten einen Anteil von sieben Prozent. Was streben Sie bis 2016 an?
Bonde: Ich bin kein Fan davon, in einem Markt Zielmargen vorzugeben. Am Ende sind das betriebswirtschaftliche Entscheidungen von Unternehmern. Und Landwirte sind Unternehmer. Mir geht es darum, dass jeder Landwirt eine faire Chance hat, auf Bioanbau umzustellen. Und ich hoffe, dass viele die Chance ergreifen.
Südwest Presse: Ist Biolandwirtschaft die Zukunft?
Bonde: Die Nachfrage steigt deutlich stärker als das Angebot. Dabei wollen die Baden-Württemberger am liebsten Biowaren aus der Region. Es muss ja nicht sein, dass das riesige Interesse bei uns im Land ein Konjunkturprogramm für österreichische Landwirte ist.
Südwest Presse: Was können Sie tun?
Bonde: Der erste Schritt war, die von der alten schwarz-gelben Regierung gekappten Hilfen für die Umstellung auf ökologischen Anbau wieder aufzulegen. Der nächste wird sein, die Beratung zu verbessern. Wir wollen alle, die im Ökolandbau eine Marktchance sehen, ermutigen, sie zu ergreifen. Und wir reden mit dem Handel, damit regional erzeugte Bioprodukte eine bessere Chance erhalten, in den Regalen präsent zu sein.
Südwest Presse: Der EU-Agraretat umfasst 55 Milliarden Euro pro Jahr. Derzeit werden in Brüssel die Weichen für 2014 bis 2020 gestellt. Was fordern Sie?
Bonde: Entscheidend ist, dass wir in der Agrarpolitik handlungsfähig bleiben. Wir stehen da unter einem enormen Druck. Viele sehen es inzwischen sehr kritisch, dass in Europa die Agrarproduktion in signifikantem Umfang durch öffentliche Mittel gefördert wird.
Südwest Presse: Sie waren Haushaltspolitiker der Grünen im Bundestag. Wie sehen Sie es?
Bonde: Was die Landwirte an Leistung erbringen, könnte die Gesellschaft anders organisiert gar nicht bezahlen. Ich rede nicht allein von der Nahrungsmittelproduktion, auch von ökologischen Leistungen für Böden und Wasser, von Landschaftspflege, von Kulturerhalt. Ohne die Arbeit der Landwirte würden wir unser schönes Bundesland nicht wiedererkennen. Und wir würden vielen Wertschöpfungsbereichen den Boden entziehen.
Südwest Presse: Haben Sie ein Beispiel?
Bonde: Nehmen Sie die Energiewende: Die werden wir ohne die Landwirte nicht hinbekommen. Oder den beschäftigungsintensiven Tourismus: Der hat im Südwesten 2011 sein bisher bestes Jahr erlebt. Das wäre ohne die Leistungen der Landwirte für die Landschaft nicht vorstellbar. Sie sind es, die etwa die Hänge im viel bereisten Schwarzwald offen halten.
Südwest Presse: Was heißt das alles für die europäische Agrarförderung?
Bonde: Wir brauchen in Europa eine Reform, die die Leistungen der Landwirte für die Gesellschaft ins Zentrum rückt. Denn jeder versteht, dass das honoriert werden muss. Ich halte es daher für einen guten Ansatz, dass der rumänische EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos – übrigens ein Konservativer – Direktzahlungen an Landwirte künftig an Umweltleistungen knüpfen will. Das nützt dem Landschaftsschutz – und stärkt die Akzeptanz der EU-Agrarpolitik.
Südwest Presse: Wie kommen Sie mit den Bauernverbänden zurecht? Ihr Verbot, Grünland in Äcker umzuwandeln, ist ja nicht nur auf Begeisterung gestoßen.
Bonde: Das Umbruchverbot, das wir erlassen mussten, um massive Verluste von Grünland zu verhindern, ist nicht überall populär. Aber was beim Klimaschutz für Brasilien der Regenwald ist, ist für uns in Baden-Württemberg das Grünland. Deshalb haben wir gehandelt.
Südwest Presse: Und das belastet nun das Verhältnis zu den Verbänden?
Bonde: Ich bin mit allen Bauernverbänden, konventionell oder Bio, im Gespräch. Und ich glaube, dass wir gemeinsam viel erreichen können. Grüne Politik ist ein gutes Angebot für die Landwirte. Aber natürlich gibt es da noch sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Südwest Presse: Wie sehen die aus?
Bonde: Es gibt Verbände, die glauben, man könne die Agrarförderung in der bisherigen Struktur erhalten. Aber ich bin überzeugt: Wenn man die Förderung erhalten will, muss man sie ändern und ökologischer ausrichten.
Südwest Presse: Haben die Grünen bei den Landwirten eigentlich eine nennenswerte Wählerschaft?
Bonde: Wir sind als Landesregierung für das Wohl des ganzen Landes zuständig. Die Stärke des ländlichen Raums ist ein Faktor, warum es Baden-Württemberg so gut geht. Darum kümmern wir uns, völlig jenseits der Frage des Wähleranteils.
Das Interview führte Roland Muschel.
Quelle:
Südwest Presse