Bei ungünstigen Entwicklungen könnte dem Strommarkt in Deutschland 2020 für begrenzte Zeiträume Erzeugungsleistung von bis zu 8,8 Gigawatt (GW) fehlen. Diese Lücke würde zu Versorgungsengpässen führen, die nur durch teure Aktivierung von Reservekapazitäten zu verhindern wären. Möglich sei dann im Extremfall eine Preissteigerung von durchschnittlich rund 90 Euro pro Megawattstunde (MWh).
Zu diesem Ergebnis kommt eine Simulationsuntersuchung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, DLR, und des Instituts für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung, IER, im Auftrag des baden-württembergischen Umweltministeriums.
Eine weitere Simulation für das Jahr 2025 unter günstigeren Bedingungen ergibt für das Jahr 2025 immer noch eine Leistungslücke von etwas mehr als 1 GW in begrenzten Zeiträumen, was einen Strompreisanstieg von rund 20 Euro pro MWh bedeuten würde. Zum Vergleich: Das derzeitige Strompreisniveau beträgt etwa 30 Euro pro MWh.
Beide Simulationen sind Teil eines jetzt veröffentlichten Gutachtens „Szenarien der Versorgungssicherheit in Deutschland und Süddeutschland“. Das Gutachten ist die Fortschreibung einer Expertise von DLR und IER aus dem Jahr 2014 im Auftrag des baden-württembergischen Umweltministeriums.
Zwar sei wegen der von der Bundesregierung vorgesehenen Kapazitätsreserve sowie der Sicherheitsbereitschaft generell nicht mit Problemen bei der Stromversorgung zu rechnen, fasste Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller die Studie zusammen. Allerdings zeichne sich auch ab, dass die Reserven und Sicherheiten auch in Form älterer Kohlekraftwerke wohl massiv zum Einsatz kommen werden: „Das bedeutet in der Preisspitze 3.000 Euro pro Megawattstunde, also rund 100 Mal mehr als der aktuelle Normalpreis an der Börse. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass diese Spitzenpreise am Ende von allen Verbraucherinnen und Verbrauchern bezahlt werden müssten, auch von den Privathaushalten.“
Umweltminister Franz Untersteller: „Das Gutachten zeigt erneut, dass wir politische Anreize brauchen, um neue kosteneffiziente und klimaschonende Erzeugungskapazitäten in den Markt zu bringen.“ Untersteller erneuerte deshalb seine Forderung an die Bundesregierung, das Niveau der Versorgungssicherheit nicht allein von den Gesetzen des Marktes abhängig zu machen und hohe Preisspitzen zu riskieren: „Eine Reserve aus Kohlekraftwerken kann sehr teuer werden. Ich schlage vor, über Mechanismen nachzudenken, wie neue Kapazitäten in den Markt kommen, die die vorhersehbaren Leistungslücken vermeiden helfen und die zugleich das Klima schonen. Den Einsatz von Kohlereserven können wir nur verhindern, wenn wir Anreize schaffen, in neue effiziente und klimaschonende Technologien, wie zum Beispiel moderne Gaskraftwerke, zu investieren. Dieses Thema muss die Bundesregierung auch und besonders wegen des Weltklimavertrags von Paris erneut auf die Agenda setzen.“
Szenarien der Versorgungssicherheit in Deutschland und Süddeutschland (PDF)