Verfassungsschutz

„Querdenken 711“ wird beobachtet

Lesezeit: 3 Minuten
  • Teilen
  •  
Innenminister Thomas Strobl (l.) und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube (r.)
Innenminister Thomas Strobl (l.) und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube (r.)

Die Organisationsstrukturen von „Querdenken 711“ und seiner regionalen Ableger im Land werden vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung festgestellt.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz hat „Querdenken 711“ und seine regionalen Ableger im Land zum Beobachtungsobjekt erhoben. Es liegen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung vor, teilten Innenminister Thomas Strobl und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Beate Bube mit.

„Die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit sind fundamentale Grundrechte, sie sind lebensnotwendig für das Funktionieren unserer Demokratie. Aber es ist eine Grenze überschritten, wenn extremistische Bestrebungen die grundgesetzlichen Freiheiten missbrauchen, um damit ihren extremistischen und verschwörungsideologischen Narrativen Vorschub zu leisten. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hatte bereits zwei hellwache Augen auf die ‚Querdenken‘-Gruppierung, und er hat nun – sobald die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorlagen – schnell und entschlossen gehandelt. Die fortgeschrittene Radikalisierung der ‚Querdenken‘-Gruppierung im Land macht eine Beobachtung ihrer Organisationsebene durch unseren Verfassungsschutz unabdingbar“, sagte der stellvertretende  Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl.

Überschneidungen zu „Reichsbürgern“, „Selbstverwaltern“ und Rechtsextremismus

Die Präsidentin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes Beate Bube sieht mit Blick auf die Organisatoren sowie das Netzwerk in Baden-Württemberg sowohl personelle als auch ideologische Überschneidungen zu bereits bekannten Extremisten aus dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie aus dem Rechtsextremismus. „Gezielt werden extremistische, verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte mit einer legitimen Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vermischt“, erklärte Präsidentin Beate Bube. 

Mehrere maßgebliche Akteure der „Querdenken“-Bewegung ordnet das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg selbst dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zu, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und demokratische und rechtsstaatliche Strukturen negieren. Hinzu kommt die bewusste, überregionale Zusammenarbeit mit anderen bekannten extremistischen Akteuren aus dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie aus dem Rechtsextremismus, die sich in jüngerer Zeit weiter verfestigt hat. Diese Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stehen in deutlichem Widerspruch zu offiziellen Verlautbarungen von „Querdenken 711“, sich von Extremismus jeglicher Art zu distanzieren.

Anleihen an Verschwörungsideologie „QAnon“

„Zusehends weicht der legitime Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einer grundsätzlichen Staats- und Politikfeindlichkeit in bedenklichem Ausmaß. Seit Beginn des Protestgeschehens stellen wir bei den zentralen Akteuren der ‚Querdenker‘ eine zunehmende Diffamierung staatlichen Handelns fest, die immer wieder in abwegigen Vergleichen mit der Diktatur des Nationalsozialismus und einer Verharmlosung des Holocaust gipfelt. Sie schüren mit falschen Behauptungen gezielt Hass auf den Staat – das ist demokratiefeindlich“, so Innenminister Thomas Strobl. „Dabei sind verstärkt auch Anleihen an die ursprünglich aus den USA stammende antisemitische und staatsfeindliche Verschwörungsideologie ‚QAnon‘ festzustellen. Das betrifft sowohl die Präsenz von wahrnehmbaren ‚QAnon‘-Codes bei Versammlungen als auch Äußerungen des ‚Querdenken‘-Führungspersonals. Extremistische Verschwörungsmythen können der Nährboden für Gewalthandlungen sein – etwa, wenn zum Widerstand gegen vermeintliches Unrecht aufgerufen wird. Das halten wir für hoch gefährlich“, betonte die Verfassungsschutzpräsidentin.

Nur Organisationsstrukturen betroffen

„Die Neubewertung des baden-württembergischen Verfassungsschutzes und die nun zu treffenden Maßnahmen richten sich ausschließlich gegen die Organisationsstrukturen von ‚Querdenken 711‘ und ihrer regionalen Ableger sowie gegen Extremisten im Umfeld der Gruppierung und ihrer Versammlungen – nicht gegen die größtenteils nicht-extremistischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Corona-Protestgeschehen. Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ‚Querdenken‘-Demonstrationen sind keine Extremisten. Kritik an staatlichem Handeln und Demonstrieren sind Teil unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung – so viel zum Thema, man dürfe hierzulande nicht sagen, was man denkt. Die extremistischen Akteure, insbesondere auch innerhalb der ‚Querdenken‘-Organisatoren, scheinen es jedoch geschafft zu haben, ihre verfassungsfeindlichen Botschaften in weiten Teilen der nicht-extremistischen Teilnehmerschaft zu verbreiten. Dieser Gefahr treten wir mit aller Entschlossenheit entgegen“, sagte Innenminister Thomas Strobl.

„Der Verfassungsschutz kommt seiner Rolle als Frühwarnsystem der freiheitlich demokratischen Grundordnung nach. Und dieses Frühwarnsystem hat bei ‚Querdenken‘ hörbar angeschlagen“, so Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube.

Landesamt für Verfassungsschutz

Weitere Meldungen

Kabinettssitzung in der Villa Reitzenstein in Stuttgart
Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 29. April 2025

Feuerwehrmann beim Hochwassereinsatz (Foto: © dpa)
Bevölkerungsschutz

Feuerwehren rüsten sich für Extremwetter und Waldbrände

Schülerinnen und Schüler melden sich in einer Klasse.
Integration

Land macht Druck beim Thema Integration

Aussenaufnahme der Justizvollzugsanstalt Heilbronn (Bild: © Franziska Kraufmann/dpa)
Vermögen und Bau

Generalsanierung der Justizvollzugsanstalt Heilbronn beginnt

Ein Netzwerk-Kabelstecker leuchtet in der Netzwerkzentrale einer Firma zu Kontrollzwecken rot. (Bild: picture alliance/Felix Kästle/dpa)
Digitalisierung

CyberSicherheitsCheck jetzt auch für Handwerkskammern

Motorhaube eines Polizeiautos, auf welcher ein Förderbescheid des Verkehrsministeriums für Ladepunkte für Elektro- und Hybridfahrzeuge in Höhe von 787.500 Euro liegt.
Elektromobilität

225 neue Ladepunkte für Elektro- und Hybridfahrzeuge der Polizei

Polizeibeamte kontrollieren ein Auto.
Polizei

Kontrollaktion gegen Autoposerszene

Eine Haltekelle der Polizei ist bei einer Kontrolle vor einem Polizeifahrzeug zu sehen. (Foto: © dpa)
Verkehrssicherheit

Bilanz des europaweiten Speedmarathons

Jugendliche sitzen vor einem Laptop. (Foto: © dpa)
Jugendpolitik

Jugendstudie 2024 veröffentlicht

Ein Mann setzt sich eine Spritze mit Heroin in den Arm.
Sicherheit

Zahl der Drogentoten im Jahr 2024 deutlich angestiegen

Visualisierung Polizeipräsidium Heilbronn
Vermögen und Bau

Polizeipräsidium Heilbronn wird saniert und erweitert

Ein Feuerwehrmann löscht letzte Glutnester auf dem Waldboden (Quelle: dpa).
Forst

Vorsicht vor hoher Waldbrandgefahr

Vor nächtlichem Himmel ist ein gelbes Schild mit der Aufschrift „Waffen verboten“ zu sehen. Zudem befinden sich auf dem Schild durchgestrichene Piktogramme von einer Schusswaffe, einem Messer, einem Schlagstock und einer Reizgasdose.
Sicherheit

Verbot von Waffen und Messern im ÖPNV

von links nach rechts: Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Dr. Hans-Eckhard Sommer und Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges
Justiz

Mehr Rückführungen in 2024 auf Westbalkan

Kabinettssitzung in der Villa Reitzenstein in Stuttgart
Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 8. April 2025