Lärmschutz

Viele Motorräder unzumutbar laut unterwegs

Lesezeit: 4 Minuten
  • Teilen
  •  
Ein Lärmdisplay zeigt Motorradfahrern an, ob sie zu laut fahren. (Bild: picture alliance/Armin Weigel/dpa)

Motorradlärm sorgt immer wieder für Konflikte. Messungen zeigen, dass bei den besonders lauten Fahrzeugen Motorräder besonders aus dem Gesamtverkehr hervorstechen. Baden-Württemberg setzt sich daher im Bund für eine bessere gesetzliche Regelung ein.

Motorradlärm verursacht weiterhin Konflikte. In Erholungsgebieten, wo Menschen Ruhe suchen, geht von Motorrädern dröhnende Lautstärke aus. Um Daten dazu zu erhalten, hat das Land Leitpfostenmessgeräte aufstellen lassen, welche die Lautstärke von vorbeifahrenden Personenkraftwagen (Pkw) und Motorrädern erfassen. Auch die vom Land geförderten Motorradlärm-Displays der Kommunen erfassen Lärm und Verkehrsdaten. Einige der dort gesammelten Daten hat das Verkehrsministerium analysiert. Das Ergebnis: Die meisten Motorräder sind lauter als Pkw. Der Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, Extern: Thomas Marwein (Öffnet in neuem Fenster): „Die meisten Motorräder sind so laut wie eine Motorsäge oder ein Presslufthammer – leider nicht nur einige wenige.“

Mit Leitpfostenmessgeräten wird neben den Verkehrszahlen auch der Fahrzeuglärm erfasst, wie dieser auf der Straße zu hören ist. Die Auswertungen zeigen, dass bei den besonders lauten Fahrzeugen Motorräder besonders aus dem Gesamtverkehr hervorstechen. So war an der Bundesstraße 39 bei Löwenstein im Landkreis Heilbronn im betrachteten Zeitraum etwa jedes zweite Motorrad mit einem bewerteten Schalldruckpegel (db(A)) von 87 oder lauter unterwegs, jedes Dritte sogar lauter als 90 dB(A). Bei den Pkw kam nur eins von acht bzw. eins von 30 Fahrzeugen auf diese Lautstärke. An anderen Straßenabschnitten mit sehr unterschiedlichen Verkehrsverhältnissen ergibt sich ein vergleichbares Bild (vergleiche Grafiken im Anhang).

Zumutung für Anwohnerinnen und Anwohner

Der Lärmschutzbeauftragte Thomas Marwein appelliert: „Es ist eine Zumutung für Anwohnerinnen, Anwohner und auch für Erholungssuchende, wenn Motorräder mit ohrenbetäubenden 90 dB(A) und mehr vorbeifahren. Eine solche Lärmbelastung erreichen üblicherweise Motorsägen oder auch Presslufthammer. Aus Rücksicht auf die Mitmenschen sollten leise Motorräder gefahren werden, am besten elektrische.“ Marwein erinnert an die vom Extern: Bundesrat am 15. Mai 2020 verabschiedeten Forderungen an Europäische Union (EU), Bund und Hersteller, gegen unzumutbaren Motorradlärm vorzugehen (Öffnet in neuem Fenster). „Motorräder müssen leiser werden, ganz gleich, in welcher Art sie gefahren werden“, fordert der Lärmschutzbeauftragte. In diesem Punkt sei die EU gefragt, die Zulassungsvorschriften für Motorräder zu ändern ­– und natürlich die Hersteller, leisere Motorräder anzubieten.

Motorradlärm sticht bei Messungen deutlich heraus

Beispielhaft wurden die Daten an der B 39 bei Löwenstein (Landkreis Heilbronn) vom Samstag, 11. Juli 2020, ausgewertet. Es zeigt sich, dass an der Messstelle die Motorräder lauter unterwegs waren als Pkw. Ein Drittel der Pkw und ein Sechstel der Motorräder waren in den Pegelbereichen bis 83 dB(A) unterwegs. Das Fahrgeräusch der Motorräder spielte sich vor allem in den Pegelbereichen 84 bis 86 dB(A) ab, allerdings wurden im Schnitt etwa 30 Prozent der Motorräder mit 90 dB(A) oder lauter erfasst. Ein Unterschied von zehn dB(A) hat zur Folge, dass das menschliche Ohr diese Lautstärken als doppelt so laut wahrnimmt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Motorräder als besonders lautstark empfunden werden. Insgesamt wurden an diesem Tag 1.597 Pkw und 368 Motorräder erfasst. Davon waren 117 Motorräder mit 90 dB(A) oder lauter unterwegs.

Auch eine Extern: aktuelle Studie des Umweltbundesamtes vom September 2020 (PDF) (Öffnet in neuem Fenster) zeigt, dass verschiedene fabrikneue Motorräder um einen Schalldruckpegel (db) von 20 und lauter waren, als beim Betriebszustand, der für die Typprüfung maßgeblich ist. Marwein fordert daher: „Solch ein Lärm ist absolut vermeidbar. Der Respekt vor den Anwohnerinnen und Anwohnern gebietet, dass solche Fahrzeuge gar nicht erst auf die Straße kommen. Ich setze große Hoffnungen auf Elektro-Motorräder, habe aber auch die klare Erwartung an die Hersteller, mit leisen Motorrädern ein weiteres Kaufargument für umweltbewusste Biker zu schaffen.“

Verkehrsminister Winfried Hermann kündigt an, das Thema im Extern: Bundesrat (Öffnet in neuem Fenster)erneut zur Sprache zu bringen: „Das Problem Motorradlärm ist absolut ungelöst. Der Bund muss endlich handeln. Eine künftige Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass das real messbare Geräusch von Motorrädern zu einem entscheidenden Kriterium der Zulassung wird und die europäischen Zulassungsregeln entsprechend geändert werden. Wir werden mit dieser Forderung nicht nachlassen.“

Gerade das Corona-Ausnahmejahr 2020 zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig auf gesundheitsschädliche Belästigungen zu reagieren. Hohe und dauerhafte Lärmbelastungen wirken sich ohne Zweifel auf die Gesundheit der Menschen aus. Der Extern: Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Öffnet in neuem Fenster) hat dies in seinem aktuellen Gutachten bestätigt. Lärm wirkt auf den gesamten Organismus und kann körperliche Stressreaktionen bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Um eine Verbesserung für die lärmgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner zu erreichen, ist eine schnelle Umsetzung von geeigneten Maßnahmen notwendig. EU, Bund, Länder, Hersteller und die Motorradfahrer selbst sind daher zum Handeln aufgefordert.

Dem auch in Baden-Württemberg zunehmenden Problem Motorradlärm widmet sich die „Extern: Initiative Motorradlärm (Öffnet in neuem Fenster)“, die am 13. Februar 2020 durch Verkehrsminister Winfried Hermann, den Lärmschutzbeauftragten Thomas Marwein und der Bürgermeisterin von Sasbachwalden, Sonja Schuchter, Sprecherin der kommunalen Mitglieder, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 15. Mai 2020 mit großer Mehrheit für die wirksame Minderung und Kontrolle von Motorradlärm ausgesprochen. Die Beschlüsse des Bundesrates greifen die Forderungen der baden-württembergischen „Initiative Motorradlärm“ auf.

Weitere Meldungen

Kabinettssitzung in der Villa Reitzenstein in Stuttgart
Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 6. Mai 2025

Ein Motorradfahrer fährt auf einer Landstraße (Bild: © Verkehrsministerium Baden-Württemberg)
Lärmschutz

Initiative Motorradlärm bilanziert Erfolge

Eine S-Bahn der Deutschen-Bahn fährt Richtung Stuttgart. (Bild: © picture alliance/Tom Weller/dpa)
Nahverkehr

ÖPNV-Angebot im Land wächst um 15 Prozent

Ein Arbeiter sortiert einen Stapel Holzbretter in eine automatische Maschine in einer Holzbaufirma.
Forst

Vierter Fachkongress Holzbau am Bodensee

Ein Paar geht auf dem Rheindamm bei Schwanau-Nonnenweier entlang.
Hochwasserschutz

Rheinhochwasserdamm-Abschnitt und rechter Murgdamm saniert

Ein Scan-Auto, das automatisch Parksünder registriert, fährt bei einem Pilotversuch an vor der Universität Hohenheim geparkten Fahrzeugen vorbei.
Digitalisierung

Digitale Parkraumkontrolle mit Scan-Fahrzeug

Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Kreisbesuch

Kretschmann besucht Landkreis Reutlingen

Im Wasser einer renaturierten Moorfläche spiegelt sich die Sonne. (Foto: © dpa)
Flurneuordnung

Klimafolgenanpassung durch Flurneuordnung

Radfahrer fahren auf dem neuen Radschnellweg zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart.
Radverkehr

Erstes Teilstück des Radschnellwegs RS 3 eröffnet

Eine Wildbiene sucht an Blüten des Mehlsalbeis nach Nektar. (Bild: © Uwe Anspach/dpa)
Biodiversität

Sonderprogramm zur biologischen Vielfalt zeigt positive Wirkung

Visualisierung Polizeirevier Bad Säckingen
Vermögen und Bau

Spatenstich für zwei neue Landesgebäude in Bad Säckingen

Kernkraftwerk Philippsburg ohne Türme (Aufnahme vom 03.06.2020)
Kernenergie

Defekte Brandschutztür im Kernkraftwerk Philippsburg

Kabinettssitzung in der Villa Reitzenstein in Stuttgart
Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 29. April 2025

Unterzeichnung des fünften Klimapakts 2025/2026 (von links nach rechts): Ralf Broß, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetages, Umweltministerin Thekla Walker, Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags, und Professor Dr. Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags.
Klimapakt

Land und Kommunen bekennen sich zum Klimaschutz

Stromleitungen (Quelle: dpa)
Energie

Kritik an Vorschlag zur Aufteilung in mehrere Stromgebotszonen