Bildung

Positionspapier für mehr inklusive schulische Bildung

Die Schüler Johannes (l.) und Felix (r.), ein Junge mit Down-Syndrom, sitzen in der Gemeinschaftsschule Gebhardschule in Konstanz an einem Klassentisch beim Malen. (Foto: © dpa)

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte möchte die Landes-Behindertenbeauftragte mit einem Positionspapier auffordern, die inklusive schulische Bildung zu stärken.

Aktuelle Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) zeigen, dass das Recht auf inklusive Bildung in Deutschland noch immer nicht flächendeckend gewährt wird: Zwar besuchten von den 582.400 Schülern und Schülerinnen, die im Jahr 2020 sonderpädagogisch gefördert wurden, rund 56 Prozent eine Förderschule und rund 44 Prozent eine allgemeine Schule. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer Förderung bezogen auf alle Schülerinnen und Schüler ist in den letzten Jahren jedoch insgesamt gestiegen. Das führt dazu, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine Förderschule besuchen, seit Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) kaum abgenommen hat: Sie lag im Jahr 2020 bei 4,3 Prozent.

Simone Fischer, Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sagte dazu: „In Baden-Württemberg liegen wir bei der Inklusion bisher hinter unseren Möglichkeiten. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Personalsituation haben dazu geführt, dass die Inklusion auch im Bildungsbereich nicht vorankommen konnte. Dies muss sich ändern.“

Die finanzintensiven Dualstrukturen, bestehend aus einem höchst ausdifferenzierten und im Vergleich sehr gut ausgestatteten Förderschulsystem sowie einem allgemeinen Schulsystem, das ohne die erforderlichen Ressourcen zur Gewährleistung inklusiver Bildung seit Jahren nicht in der Lage zu sein scheint, diesem Auftrag gerecht zu werden, seien grundsätzlich und auch angesichts eines länderübergreifenden Personalnotstandes nicht mehr zu rechtfertigen. 

Bedarfsorientierte Schulen benötigt

Damit Kinder mit und ohne Behinderungen von Beginn und bis zum Ende der Schulzeit gemeinsam beschult werden könnten, benötige es flächendeckend und wohnortnah Schulen, die bedarfsorientiert entsprechend der Schülerinnen und Schüler im Einzugsgebiet ausgerichtet und ausgestattet sind. 

Im Jahr 2009 hat die Bundesrepublik Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unterzeichnet. Insbesondere Artikel 24 und Artikel 7 (UN-BRK) stellen in Verbindung mit Artikel 23 und Artikel 2 Absatz 1 der Kinderrechtskonvention (UN-KRK) sicher, dass behinderte Kinder und Jugendliche nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Vielmehr soll ihnen gleichberechtigt mit anderen, nichtbehinderten Kindern der Zugang zu einem einbeziehenden, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht ermöglicht werden. Demnach sollen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems geeignete Vorkehrungen getroffen werden und die notwendige Unterstützung geleistet werden, um eine angemessene Bildung zu erreichen.

Die UN-KRK und die UN-BRK streben neben weiterführender bundes- und landesgesetzlicher Regelungen ausdrücklich das gemeinsame Aufwachsen und Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen an. Dies muss Grundlage unseres konzeptionellen Handelns und die Umsetzung konkreter Maßnahmen darstellen.

An allgemeinen Schulen und SBBZ inklusiv arbeiten

Simone Fischer betonte: „Konsequent und notwendig ist es, dass Kinder mit und ohne Behinderungen vor Ort Schulen vorfinden, die Rahmenbedingungen für alle Kinder vorhalten. Kinder mit Behinderungen und ihre Eltern machen allerdings die Erfahrung, dass allgemeine Schulen immer noch auf andere Einrichtungen verweisen, selbst keine Kinder mit Behinderungen aufnehmen. Aufgrund der getrennten Lebenswelten wird das gemeinsame Aufwachsen der Kinder erschwert. Hingegen berichten Kinder mit und ohne Behinderungen, ihre Eltern sowie Lehrkräfte von sehr gelungenen Beispielen und einer positiven Entwicklung für alle Kinder, wenn an allgemeinen Schulen oder Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) bereits inklusiv gearbeitet wird.“ Die Schaffung oder Aufstockung von Schwerpunkten oder Sondereinrichtungen müsse künftig vermieden werden. 

„Inklusion ist unser aller Auftrag. Das heißt, dass es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt und dass neben den Regeleinrichtungen auch Sonderformate aufgefordert sind, sich zu öffnen und Inklusion umzusetzen. Mit Sorge sehen wir Beauftragten stattdessen, dass vielerorts immer noch Vorurteile, überholte Ansätze und Vorstellungen oder mangelndes Wissen von Möglichkeiten Inklusion ausbremsen.“, so Simone Fischer.

Zeitgemäßes Bildungsangebot schaffen

Hinsichtlich eines zeitgemäßen Bildungsangebots für alle Kinder sei es erforderlich, die Schulen in Baden-Württemberg so auszurichten, dass sie inklusive Bildung anbieten können,

  • um für Kinder mit und ohne Behinderungen ein gemeinsames Aufwachsen und Lernen mit ihren Freunden sicherzustellen,
  • damit Kinder mit Behinderungen in ihrem Umfeld verbleiben und wie jedes andere Kind die Schule am Wohnort besuchen können. 

Diese Ausrichtung greife den Auftrag der UN-KRK und UN-BRK auf. „Sie trägt dem Ansinnen, eine inklusive Gesellschaft zu sein, Rechnung und ist auf Dauer ökologisch wie ökonomisch nachhaltiger, als beispielsweise in lange Schulwege und Schülerbeförderung zu investieren.“, betont Simone Fischer.

Und weiter: „Wir müssen uns wirksam damit auseinandersetzen, wie inklusionszurückhaltende Schulen erreicht werden, Kriterien und konkrete Lösungen erarbeiten, wie Ressourcen für die inklusive Bildung verwendet werden. Insoweit müssen alle Maßnahmen darauf ausgerichtet sein, kinderfreundliche Schulen für alle Kinder vorzuhalten, welche in ihrer Umsetzung flächendeckend inklusiv weiterentwickelt sein müssen. Konsequent und zielführend ist es, in Baden-Württemberg gemeinsam Strukturen zu erarbeiten, die auch inklusionszurückhaltende Schulen besser erreichen.“ 

Damit würde sich künftig auch die Frage erübrigen, wie es vermieden werde, dass diese auf andere Einrichtungen verweisen, weil sie selbst keine Kinder mit Behinderungen aufnehmen. Das Kernziel müsse eine Transformation hin zu Schulen mit sonderpädagogischer und multiprofessioneller Grundversorgung für inklusive Bildung sein. Es brauche einen klaren zeitlichen Rahmen mit transparenten Maßnahmen, damit die Ressourcen für gute Inklusion aller Kinder bedürfnisorientiert eingesetzt werden und so gemeinsames Lernen und Leben selbstverständlich wird.

Forderungspapier der Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder zur inklusiven schulischen Bildung: „Qualitativ hochwertige inklusive schulische Bildung in allen Bundesländern gewährleisten" (PDF)

Pressemitteilung des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen vom 9. Dezember 2022: Inklusive Bildung stärken! (PDF)

Quelle:

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