Impfpflicht

Gutachten zur Impfpflicht

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Drei leuchtende Würfel mit Paragrafen-Zeichen liegen auf einer Computer-Tastatur.

Das Staatsministerium hat ein Gutachten zu einer möglichen allgemeinen COVID-19-Impfpflicht erstellen lassen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine solche Impfpflicht unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich schon früh für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen und damit eine Debatte angestoßen. Die Ausgestaltung einer allgemeinen Impfplicht gegen COVID 19 wirft einige rechtliche Fragen auf. Das Staatsministerium hat daher ein verfassungsrechtliches Gutachten zur Frage der Zulässigkeit und den Möglichkeiten der Ausgestaltung einer allgemeinen Impfpflicht gegen COVID-19 in Auftrag gegeben.

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass eine allgemeine Impfpflicht verfassungsrechtlich zulässig eingeführt werden kann. Die Gesetzgebungskompetenz liegt hierfür beim Bund. Das Land kann somit nicht per Verordnung nach § 20 Absatz 7 Infektionsschutzgesetz allein eine Impfpflicht einführen. Durch die abschließende Regelung des Bundes, die Impfpflicht nur für besonders bedrohte Teile der Bevölkerung zu regeln, besteht eine Sperrwirkung für die Länder, Impfpflichten einzuführen. Eine Impfpflicht nur für Teile Deutschlands wäre auch nicht geeignet, um das Ziel einer Grundimmunisierung der Bevölkerung zu erreichen.

Fest steht auch: Einen Impfzwang darf es nicht geben. Auch muss es Ausnahmen von der Impfpflicht geben.

Verfassungsrechtliche Prüfung einer allgemeinen Impfpflicht

Das Gutachten stellt zunächst die Ausgangssituation dar, darunter Impfkampagnen, Erkenntnisse zu Impfstoffen und deren möglichen Nebenwirkungen. Es geht auch auf die bestehenden Regelungen zu Impfpflichten sowie auf die bisherige Rechtsprechung in diesem Zusammenhang ein.

Der Kern des Gutachtens ist die verfassungsrechtliche Prüfung einer allgemeinen Impfpflicht.

Die mit einer Impfpflicht verbundenen Grundrechtseingriffe lassen sich verfassungsrechtlich rechtfertigen. Dies sei, so das Gutachten, auch überwiegende Meinung innerhalb der Rechtswissenschaft. Denn mit der Impfpflicht verfolgt der Gesetzgeber ein Bündel legitimer Zwecke:

  • Die Gesundheit und das Leben der Bürgerinnen und Bürger sollen geschützt werden. Dabei geht es nicht um Herdenimmunität, sondern um eine hinreichende Grundimmunisierung, die eine Weiterverbreitung des Virus aufgrund der entsprechenden Wirkung einer Impfung reduzieren kann.
  • Dies erfordert auch die aus den Grundrechten folgende Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben seiner Bürgerinnen und Bürger.
  • Weitere Ziele einer Impfpflicht sind die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung, beispielsweise sollen Verschiebungen geplanter Operationen vermieden werden. Zudem geht es künftig um eine bessere Verwirklichung der Freiheitsgrundrechte, da kontaktbeschränkende Maßnahmen, insbesondere „Lockdowns“ vermieden bzw. aufgehoben werden können, wenn eine ausreichende Grundimmunisierung der Bevölkerung erreicht ist.

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine Impfpflicht dazu geeignet wäre, diese legitimen Ziele zu erreichen. Impfungen können eine Grundimmunität der Bevölkerung herstellen und tragen dazu bei, die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung zu verringern. Der Gesetzgeber hat bezüglich der Geeignetheit der Mittel einen Prognosespielraum. Die Mittel müssen die Ziele fördern können. Dies ist hier der Fall, da sämtliche Impfstoffe das Risiko einer Infektion bzw. Erkrankung reduzieren. Da es nicht darum geht, das Virus zu eliminieren, sondern darum, es „unter Kontrolle zu halten“, stellt die Impfpflicht ein geeignetes Mittel dar.

Keine milderen Mittel 

Das Gutachten sieht gegenüber der Impfpflicht keine milderen Mittel. Denn das „Impfthema“ ist omnipräsent seit Beginn der Kampagne am 27. Dezember 2020. Aufklärung, Anreize und Beschränkungen konnten eine Grundimmunisierung der Bevölkerung nicht erreichen.

Eine beschränkte (Teil-)Impfpflicht, etwa für bestimmte Alters- oder Berufsgruppen wäre weniger wirksam, da sie keine Grundimmunisierung der ganzen Bevölkerung herstellt. Bei einer beschränkten Pflicht für bestimmte Altersgruppen bestehen auch Bedenken zur Legitimation, da hier der Individualschutz und nicht der als legitimes Ziel anerkannte Drittschutz im Vordergrund stünde.

Zudem wären weitere kontaktbeschränkende Maßnahmen, insbesondere „Lockdowns“ für den Großteil der Bevölkerung mit massiven Freiheitsbeschränkungen und wirtschaftlichen und sozialen Folgen verbunden.

Abwägung entgegenstehender Grundrechte

Die Impfpflicht wäre auch bei Abwägung entgegenstehender Grundrechte angemessen. Denn ihre Ziele - wie der Bevölkerungsschutz, der Schutz des Gesundheitssystems, das Wegfallen weiterer Eingriffe in Freiheitsgrundrechte durch kontaktbeschränkende Maßnahmen nach Übergangszeitraum - haben ein sehr hohes Gewicht. Demgegenüber steht nur ein sehr geringes Risiko von Impfreaktionen und Nebenwirkungen.

Die Impfpflicht unterläge zudem der ständigen Evaluierung aufgrund von Kontroll- und Anpassungspflichten des Staates.

Die verhältnismäßige Ausgestaltung der Impfpflicht erfordert allerdings Ausnahmen. Etwa dann, wenn medizinische Gründe entgegenstehen, für Genesene, für die Dauer von sechs Monaten und für Personen, für die kein Impfstoff zugelassen ist und für die es keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission gibt.

Gutachterliche Stellungnahme zu Zulässigkeit und Möglichkeiten der Ausgestaltung einer allgemeinen Impfpflicht gegen COVID19 – Korrigierte Fassung vom 12. Dezember 2021 (Seite 67) (PDF)

Quelle:

/red

Weitere Meldungen

Baden-Württemberg, Seebach: Fichten und eine Buche stehen im Nationalpark Schwarzwald im Nebel.
Landwirtschaft

Hauk fordert Entlastung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe

Zahlreiche im Stau stehende Fahrzeuge sind durch den Außenspiegel eines Autos auf der A81 bei Sindelfingen zu sehen.
Justiz

Geplante Sanktionierung des Punktehandels im Straßenverkehr

Eine Drohne fliegt bei Sonnenuntergang über eine Wiese. (Bild: picture alliance/Felix Kästle/dpa)
Sicherheit

Land unterstützt Änderung des Luftsicherheitsgesetzes

Jugendliche halten ein Banner mit der Aufschrift «Ehrenamt» in den Händen.
Bürgerengagement

Sozialministerium fördert 27 Ehrenamtsprojekte

Ein Integrationsmanager erarbeitet mit zwei jugendlichen Flüchtlingen aus Eritrea Bewerbungsschreiben. (Foto: © dpa)
Integration

Rund 1,55 Millionen Euro für Integrationsarbeit in ländlichen Räumen

Ein Kinderarzt untersucht einen Jungen mit einem Stethoskop.
Gesundheit

Land stärkt kinder- und jugendärztliche Versorgung

Ministerialdirektor Dr. Christian Schneider beim Erfahrungsaustausch Gestaltungsbeirat
Baukultur

Erfahrungsaustausch zu kommunalen Gestaltungsbeiräten

Touristen sitzen im Aussenbereich von Restaurants.
Bundesrat

Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie im Bundesrat

Eine Sozialarbeiterin misst die Blutdruckwerte eines Probanden und übermittelt diese drahtlos per Smartphone an einen Arzt.
Medizinwirtschaft

Meilenstein zur Verbesserung der Patientenversorgung

Bei dem Bild handelt es sich um einen Screenshot der Startseite von kinderschutz-bw.de, einer Initiative des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration. Es zeigt einen kleinen Jungen, der mit einem Holzflugzeug spielt.
Kinderschutz

Webplattform Kinderschutz für Baden-Württemberg gestartet

Ein Mitarbeiter der Porsche AG montiert im Porsche-Stammwerk in Stuttgart-Zuffenhausen einen Porsche 718 Cayman. (Foto: dpa)
Automobilwirtschaft

Hoffmeister-Kraut kritisiert Automobilpaket der EU-Kommission

Wort-Bild-Marke der RegioClusterAgentur
Innovation

Land fördert RegioClusterAgentur BW bis 2029

Forum Raumentwicklung
Raumentwicklung

Neue Veranstaltungsreihe zur sys­tematischen Raumbeobachtung

Eine ältere Dame lernt die Bedienung eines Computers.
Ländlicher Raum

Land fördert digitale Teilhabe im Alter mit „Klick & Klar“

Eine Pflegekraft hilft einer alten Frau beim Trinken aus einem Becher in einem Seniorenheim (Bild: Patrick Pleul / dpa)
Sozialversicherung

Land fordert Steuerfinan­zierung versicherungsfremder Leistungen