Auf der diesjährigen Denkmalreise durch Baden-Württemberg vom 8. bis 11. September 2025 rückten die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Nicole Razavi und die Staatssekretärin Andrea Lindlohr den ideellen Wert von Kulturdenkmalen in den Mittelpunkt. Die Denkmalreise wie auch der Tag des offenen Denkmals stehen in diesem Jahr unter dem Motto „WERT-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“.
Stationen von Ministerin Nicole Razavi
Am Mittwoch, 10. September 2025, besuchte Ministerin Razavi Mannheim und Seckach-Großeicholzheim.
Siedlung Reiherplatz in Mannheim
Die Tour des dritten Tages der Denkmalreise führte Ministerin Razavi zur Siedlung Reiherplatz in Mannheim-Käfertal. Zwischen 1918 und 1920 als städtische Siedlung nach dem Ersten Weltkrieg erbaut, steht sie für ein wegweisendes Konzept des sozialen Wohnungsbaus. Inspiriert von der englischen Gartenstadtbewegung wurde hier bezahlbarer Wohnraum für Arbeiterfamilien geschaffen – eingebettet in ein ansprechend gestaltetes, gemeinschaftliches Vorstadtumfeld. Die denkmalgeschützte Siedlung bewahrt ihr historisches Erscheinungsbild weitgehend und macht städtebauliche Geschichte erlebbar. Sie ist ein WERT-voller Ort, der zeigt, wie soziale Visionen und architektonische Qualität bis heute verbinden.
„Die Siedlung Reiherplatz steht für die Vision, Wohnraum nicht nur als Zweck, sondern als sozialen Lebensraum zu gestalten. Hier wird eindrucksvoll sichtbar, wie soziale Verantwortung und Architektur seit über hundert Jahren Hand in Hand gehen“, betonte Ministerin Razavi.
Im Rahmen ihres Besuches überreichte Ministerin Razavi symbolisch einen Scheck aus dem Städtebauförderprogramm des Landes in Höhe von 11,8 Millionen Euro an die Stadt Mannheim.
Frühmittelalterliche Befestigungsanlage „Birk“ in Seckach-Großeicholzheim
Die zweite und letzte Station an diesem Tag führte zur frühmittelalterlichen Befestigungsanlage „Birk“ in Seckach-Großeicholzheim. Mit den geplanten Grabungen öffnet sich hier ein faszinierender Blick in die frühmittelalterliche Geschichte. Die imposante Anlage, deren Grundriss heute noch im Luftbild erkennbar ist, wurde bereits im späten 19. Jahrhundert archäologisch untersucht und offenbart Hinweise auf eine herrschaftliche Nutzung im karolingisch-ottonischen Zeitalter. Vermutlich handelt es sich um die im Lorscher Codex erwähnte Hofanlage aus dem 9. Jahrhundert. Die „Birk“ ist damit ein herausragender Ort, an dem sich frühe Prozesse von Zentralisierung und Herrschaftsbildung in Baden-Württemberg nachweisen lassen – ein besonders WERT-voller Schatz der Region.
Am Donnerstag, 11. September 2025, besuchte Ministerin Razavi Konstanz, Donaueschingen und Villingen-Schwenningen.
Erste Station: Spätrömisches Kastell und hochmittelalterliche Bischofsstadt in Konstanz
Die erste Station des vierten Tages der Denkmalreise war Konstanz – einer der bedeutendsten Schauplätze der Stadtkernarchäologie in Baden-Württemberg. Hier lässt sich Stadtgeschichte über mehr als zwei Jahrtausende hinweg nachvollziehen: von keltischen Siedlungsresten über das römische Kastell bis hin zur mittelalterlichen Bischofsstadt. Besonders eindrucksvolle Zeugnisse wie der unterirdisch erhaltene Kastellturm mit moderner Glaspyramide auf dem Münsterplatz oder die original erhaltene mittelalterliche Schindelschalung in der Konradigasse machen den Reichtum archäologischer Funde unmittelbar erlebbar. Mit einem geplanten Projekt zur Vermittlung und Forschung wird Konstanz auch künftig neue Maßstäbe setzen.
„In Konstanz schauen wir nicht nur in die Tiefe des Bodens, sondern auch in die Tiefe unserer Geschichte – das ist wirklich beeindruckend. Hier wird jahrtausendealte Stadtgeschichte greifbar“, so Ministerin Razavi. Im Rahmen ihres Besuches überreichte Ministerin Razavi symbolisch einen Scheck aus dem Städtebauförderprogramm des Landes in Höhe von einer Million Euro an die Stadt Konstanz.
Zweite Station: Fürstlich Fürstenbergischer Marstall mit Anspannhalle in Donaueschingen
Weiter ging es nach Donaueschingen, wo sich mit dem Fürstlich Fürstenbergischen Marstall und der eindrucksvollen Anspannhalle zwei herausragende Zeugnisse herrschaftlicher Baukultur zeigen. Seit 1780 prägt das historische Ensemble das Stadtbild der ehemaligen Residenzstadt. Besonders die architektonisch einzigartige Anspannhalle mit gusseisernem Stützensystem, umlaufenden Emporen und einem zentralen Lichtauge im Dach macht die Bedeutung des Ortes greifbar – auch aufgrund der Vermutung, dass das filigrane Eisengefüge aus der Werkstatt Gustave Eiffels stammen könnte. Die Verbindung aus technischer Seltenheit und kulturellem Erbe macht den Marstall zu einem faszinierenden Ort zwischen Vergangenheit und Zukunft, eingebettet in ein Gesamtensemble von Schloss, Parklandschaft und Donauquelle.
„Der Marstall in Donaueschingen zeigt eindrucksvoll, wie sehr historische Baukunst bis heute unsere Städte prägt. Solche Orte lassen uns Geschichte nicht nur verstehen, sondern auch spüren“, so Ministerin Razavi.
Dritte Station: MPS Studios in Villingen-Schwenningen
Die letzte Station der Denkmalreise war das MPS Studio in Villingen-Schwenningen – ein außergewöhnlicher Ort der Musikgeschichte. In den Räumen des ehemaligen Labels „Musik Produktion Schwarzwald“ entstanden seit den späten 1960er-Jahren legendäre Jazzaufnahmen, unter anderem mit Weltstars wie Oscar Peterson. Heute bewahrt der Verein MPS-Studio e.V. das Tonstudio samt umfangreichem Tonträgerarchiv als „lebendiges Denkmal“. Der technisch authentische Erhalt des Studios und das engagierte bürgerschaftliche Wirken machen diesen Ort zu einem einzigartigen Zeugnis jüngerer Kulturgeschichte – beweglich, partizipativ und von überregionaler Strahlkraft.
„Es ist einfach faszinierend, an einem Ort zu stehen, an dem Jazz-Geschichte geschrieben wurde. Man spürt hier, dass Musik nicht nur gehört, sondern gelebt wurde – und das bis heute“, sagte Ministerin Razavi.
Stationen von von Staatssekretärin Andrea Lindlohr
Am Montag, 8. September 2025, besuchte Staatssekretärin Lindlohr Hausen am Tann, Altheim-Heiligkreuztal und Tübingen.
Vorgeschichtliche Höhensiedlung auf dem Lochenstein
Zum Auftakt der Denkmalreise besuchte Staatssekretärin Lindlohr den Lochenstein bei Hausen am Tann im Regierungsbezirk Tübingen. Der markante Fels am Albtrauf ist nicht nur ein landschaftliches Wahrzeichen mit weitem Blick bis zu den Alpen, sondern auch ein Ort mit außergewöhnlicher archäologischer Bedeutung. Aktuelle Forschungen der Universität Tübingen und des Landesamts für Denkmalpflege legen nahe, dass es sich um einen rituellen Platz aus der frühen Eisenzeit handeln könnte – womöglich sogar um einen bislang einzigartigen vorgeschichtlichen Opferplatz in Südwestdeutschland.
„Die vorgeschichtliche Höhensiedlung zeigt anschaulich, dass kulturelles Erbe nicht nur aus prachtvollen Bauten bestehen muss. Auch ein unscheinbarer Ort wie dieser kann ein Schlüssel zu unserer Herkunft und Identität sein – und ist damit von unschätzbarem Wert“, so Staatssekretärin Lindlohr.
Ehemaliges Zisterzienserinnenkloster in Heiligkreuztal
Anschließend besichtigte die Staatssekretärin eine der eindrucksvollsten Klosteranlagen Baden-Württembergs. Jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben, wurde das ehemalige Zisterzienserkloster ab 1973 durch das Engagement der Stefanus-Gemeinschaft und des Architekten Johannes Manderscheid sensibel restauriert und als Bildungsstätte neu belebt. Die behutsame Verbindung von denkmalpflegerischer Verantwortung und zeitgemäßer Nutzung macht die Anlage bis heute zu einem wegweisenden Beispiel im Umgang mit historischem Erbe – ganz im Sinne des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 und des diesjährigen Mottos „WERT-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“.
„Das Kloster Heiligkreuztal erzählt von Jahrhunderten Geschichte, aber auch von der Kraft, Neues im Alten zu entdecken. Die Klosteranlage wurde mit viel Respekt und Fingerspitzengefühl restauriert und zu einem lebendigen Begegnungsort für Heute und Morgen weitergedacht“, so Staatssekretärin Lindlohr.
Siedlung Schafbrühl in Tübingen
Zum Abschluss des Tages besuchte die Staatssekretärin die Siedlung Schafbrühl in Tübingen – ein Ort, der bereits Mitte der 1980er-Jahre Antworten auf Fragen gab, die uns heute mehr denn je beschäftigen: ökologisches Bauen, bezahlbares Wohnen und gelebte Nachbarschaft. Mit natürlichen Materialien, viel Grün und einem starken Fokus auf Gemeinschaft entstand hier ein alternatives Wohnmodell mit Strahlkraft über die Region hinaus. Der Schafbrühl steht beispielhaft für den Mut, visionäre Ideen umzusetzen.
„Der Schafbrühl zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, neue Ideen zu wagen. Was hier in den 1980er-Jahren entstand, war seiner Zeit weit voraus. Heute, in Zeiten von Klimakrise und Wohnungsnot, erscheint dieses Stück Tübingen Beispiel dafür, wie Ökologie, bezahlbares Wohnen und das Bedürfnis nach Gemeinschaft zusammen gedacht und umgesetzt werden können“, betonte Staatssekretärin Lindlohr.
Am Dienstag, 9. September 2025, besuchte Staatssekretärin Lindlohr Eberdingen, Großsachsen und Stuttgart.
Schlossscheuer Schloss Hochdorf in Eberdingen
Die Denkmalreise startete Staatssekretärin Lindlohr am zweiten Tag in Eberdingen-Hochdorf, wo am Schlossgut Hochdorf historische Bausubstanz mit großer Sorgfalt in eine neue Nutzung überführt wird. Die ehemalige Schlossscheune und der Gutspferdestall werden derzeit zu einem Fortbildungs- und Kulturzentrum mit Gastronomie umgebaut – denkmalgerecht, sensibel und zukunftsweisend. Besonders eindrucksvoll: Die aktuellen archäologischen Grabungen im Innenhof, bei denen ein römischer Keller freigelegt wurde, schlagen die Brücke weit zurück in die Geschichte der Region. Hier zeigt sich auf beispielhafte Weise, wie WERT-voll sorgfältige Planung, baukulturelles Feingefühl und archäologische Neuentdeckungen für die Entwicklung lebendiger Orte sein können.
„Mich beeindruckt, mit wie viel Respekt und Weitsicht hier Geschichte bewahrt und mit einer ganz neuen Nutzung verbunden wird. Der römische Keller unterstreicht, was für buchstäblich tiefe Schichten unser kulturelles Erbe hat – und wie viel wir noch entdecken können“, so Staatssekretärin Lindlohr.
Gräberfeld der frühen Jungsteinzeit in Großsachsenheim
Bei der nächsten Station informierte sich Staatssekretärin Lindlohr über einen Ort, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt und doch ein herausragendes archäologisches Zeugnis birgt: Unter den Äckern im Neckartal wurde im Zuge von Grabungen für die geplante Neckarenztalleitung eine jungsteinzeitliche Siedlung mit seltenem Gräberfeld entdeckt. Solche Bestattungsplätze aus der frühen bäuerlichen Kultur sind in Südwestdeutschland eine absolute Rarität. Der Fund belegt eindrucksvoll, wie viel Wissen im Boden verborgen liegt – und wie dringend es ist, diese Spuren unserer Geschichte zu sichern, bevor sie durch Erosion oder landwirtschaftliche Eingriffe verloren gehen. WERT-voll im wahrsten Sinne: als stille Zeugen einer längst vergangenen Zeit.
„Die Ausgrabung verbindet fachliche Expertise mit ehrenamtlichem Engagement – ein Zusammenspiel, das den unsichtbaren Schätzen unter unseren Füßen eine Stimme gibt. Diese gemeinschaftliche Verantwortung für unser kulturelles Erbe können wir nicht hoch genug würdigen“, so Staatssekretärin Lindlohr.
Verlagsgebäude Ernst Klett in Stuttgart
Weiter ging es zum Verlagsgebäude Ernst Klett nach Stuttgart – ein bedeutendes Zeugnis der Nachkriegsmoderne, das zwischen 1952 und 1957 vom Architekten Gero Karrer errichtet wurde. Das Gebäude steht für eine Zeit des kulturellen Aufbruchs, in der Bildung, Sprache und gesellschaftliche Erneuerung zentrale Werte waren. Heute wird das Kulturdenkmal im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA’27 behutsam weiterentwickelt. Der entstehende Klett-Campus verbindet historische Substanz mit zukunftsweisender, klimagerechter Architektur.
„Am Klett-Campus wird deutlich, wie verantwortungsvolle Denkmalpflege und unternehmerischer Gestaltungswille aufeinander abgestimmt zur Wirkung kommen können. Dass ein traditionsreiches Unternehmen wie Klett seinen historischen Bestand nicht nur bewahrt, sondern aktiv in eine zukunftsfähige Entwicklung überführt, ist ein starkes Signal – für Baukultur, Bildung und nachhaltige Stadtentwicklung“, sagte Staatssekretärin Lindlohr.
Villa Knosp in Stuttgart
Zum Abschluss des zweiten Tages besuchte Staatssekretärin Lindlohr die Villa Knosp im Herzen von Stuttgart – ein herausragendes Kulturdenkmal mit reicher Geschichte. 1859 für den Unternehmer und Gemeinderat Rudolf von Knosp errichtet, war die Villa in ihrer Massivbauweise und stilistischen Verbindung von englischer Landhausarchitektur und niederrheinischer Baukunst ein architektonisches Ausrufezeichen ihrer Zeit. Heute wird sie mit großem denkmalpflegerischem Feingefühl restauriert, mit dem Ziel, originale Substanz zu bewahren und historische Ausstattungen sichtbar zu machen. Die Villa Knosp steht exemplarisch für den bewussten Umgang mit gebautem Erbe.
„Die denkmalgerechte Sanierung der Villa Knosp ist ein hervorragendes Beispiel für das Potenzial historischer Gebäude im urbanen Kontext. Sie zeigt, wie Baugeschichte nicht nur erhalten, sondern aktiv in die Entwicklung unserer Städte eingebracht werden kann“, so Staatssekretärin Lindlohr.
Nacht und Tag des offenen Denkmals
Als Höhepunkt der Denkmalwoche findet der bundesweite Tag des offenen Denkmals 2025 am Sonntag, 14. September, 2025 mit vielen Aktionen im ganzen Land statt. Er steht in diesem Jahr unter dem Motto „WERT-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“. Die landesweite Eröffnung startet mit der Nacht des offenen Denkmals. Diese wird – in Anwesenheit von Ministerin Razavi – in Mannheim gefeiert, und zwar am Samstag, 13. September, ab 17 Uhr im Stadthaus N1.
Pressemitteilung: Nacht und Tag des offenen Denkmals 2025
Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen: Bilder zum Herunterladen

















