Forschung

Aufarbeitung der Geschichte der Landesministerien während der Nazizeit

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (r.) begrüßt am 29.05.2017 im Landtag in Stuttgart vor einer Pressekonefernz die beiden Vorsitzenden der Historikerkommission, Wolfram Pyta (l.) und Edgar Wolfrum (M.). (Foto: dpa)

Die Kommission zur Erforschung der Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus hat ihre Ergebnisse vorgelegt. Entgegen bisheriger Annahmen gab es durchaus Handlungsspielräume auf Landesebene. Umso mehr habe das heutige Baden-Württemberg die Pflicht zur Erinnerung und Aufarbeitung, so Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.

Das im Jahr 2014 von der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Theresia Bauer, initiierte und von der Baden-Württemberg-Stiftung finanzierte Forschungsprojekt „Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“ nähert sich seinem Abschluss.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer: „Die Arbeit der Kommission ist bemerkenswert, weil sie Licht auf einen bislang wenig beachteten Teil der nationalsozialistischen Machtgrundlagen wirft: Die Rolle der Länderregierungen zwischen 1933 und 1945. Entgegen bisheriger Annahmen gab es durchaus Handlungsspielräume auf Landesebene, das hat die Untersuchung von Baden und Württemberg gezeigt. Die Landesministerien handelten also auch eigenverantwortlich. Umso mehr hat das heutige Baden-Württemberg die Pflicht zur Erinnerung und Aufarbeitung.“

Deutsche Geschichte beeinflusst Gesellschaft von heute

„Ich halte das Projekt für unverzichtbar, damit eine Demokratie auf soliden Beinen stehen kann“, erklärt Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung, die das Forschungsprojekt zum Großteil finanziert hat. „Geschehnisse wie die in der deutschen Geschichte beeinflussen noch immer unsere Gesellschaft von heute. Und es gibt immer noch großes Potenzial für die Aufarbeitung der Umstände und Zusammenhänge, in denen sich auch die Landesministerien befanden. Wir können aus solchen Projekten viel für unser demokratisches Handeln und Selbstverständnis lernen.“

Im Vorgriff auf die beiden 2018 erscheinenden wissenschaftlichen Sammelbände stellten die beiden Vorsitzenden der mit der Durchführung des Projekts betrauten Kommission, Prof. Dr. Wolfram Pyta (Universität Stuttgart) und Prof. Dr. Edgar Wolfrum (Universität Heidelberg), heute im Rahmen einer Landespressekonferenz eine Zusammenfassung zentraler Forschungsergebnisse vor.

Kollektiver politischer Opportunismus

Die erstmalige systematische Untersuchung der Rolle der Landesministerien im Herrschafts- und Verwaltungsapparat der NS-Diktatur habe gezeigt, so der Tenor einer von der sechsköpfigen Historikerkommission vorgelegten Broschüre, dass deren Bedeutung bislang unterschätzt worden sei: Zwar verloren die Länder 1934 im Zuge der Verwaltungszentralisierung ihre Justizministerien; die übrigen Ressorts wurden aber durch die „Verreichlichung“ nicht marginalisiert, sondern konnten sich beträchtliche politische Einflussmöglichkeiten erhalten und teilweise auch neue hinzugewinnen. Das Projekt mache deutlich, hob Prof. Pyta hervor, „wie die teils zurückhaltende, teils willfährige, teils skrupellose Mitwirkung zahlreicher Landesbediensteter an der nationalsozialistischen Herrschaftspraxis die Durchsetzung und Ausgestaltung des ‚Dritten Reichs‘ vor Ort, im sozialen und regionalen Nahbereich, erst ermöglicht hat“.

Im Fokus der Recherchen standen die Biographien der badischen und württembergischen Ministerialbeamten, die in unterschiedlichen Funktionen auch an der NS-Repressionspolitik beteiligt waren. Wie Prof. Wolfrum darlegte, kam es 1933 nur zu moderaten Eingriffen in den Personalbestand der Landesministerien; ihre „Umwandlung in Werkzeuge der Diktatur war vielmehr ein Prozess der Selbstgleichschaltung der Beamtenschaft und Ausdruck eines kollektiven politischen Opportunismus“. So wie bei der nationalsozialistischen Machtübernahme ein administrativer Elitentausch ausgeblieben sei, habe auch das Kriegsende 1945 keine gravierende Zäsur dargestellt: Einer großen Zahl von NS-belasteten Ministerialbeamten sei die Rückkehr in den öffentlichen Dienst Baden-Württembergs und seiner Vorgängerländer gelungen – dies indes sei „keine südwestdeutsche Besonderheit, sondern der bundesweite Normalfall“ gewesen, so Prof. Wolfrum.

Projektfinanzierung

Das von der Baden-Württemberg Stiftung mit insgesamt 1,45 Millionen Euro geförderte und unter der Schirmherrschaft von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer bearbeitete Forschungsprojekt lief nach einer dreijährigen Förderdauer am 31. März 2017 aus. Das Projekt wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) kostenneutral bis 2018 verlängert (Veröffentlichungen sollen noch vorbereitet werden).

Das MWK unterstützte das „Public History“-Konzept mit 80.000 Euro – zusätzlich zur Förderung des eigentlichen Forschungsaufwands durch die Baden-Württemberg-Stiftung. Zusätzlich stellte das MWK 20.000 Euro für die Digitalisierung der Materialien. 2013 gab es ein Vorläufer-Projekt, dass die Machbarkeit des Forschungsvorhaben untersuchte, unterstützt mit 100.000 Euro vom MWK.

Die Projektmittel wurden zwischen den koordinierenden Universitäten Heidelberg und Stuttgart aufgeteilt (die Forschungsschwerpunkte lagen hier auch jeweils auf Baden und Württemberg).

Projektportal: Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus

Weitere Meldungen

Ein Schild mit der Aufschrift "Universitätsklinikum" steht in Mannheim an einer Einfahrt zum Universitätsklinikum.
  • Krankenhausreform

Kartellamt gegen Zusammenschluss der Uniklinika Heidelberg und Mannheim

Hühnerstall
  • Baurecht

Mobile Geflügelställe benötigen bald keine Baugenehmigung mehr

Pressekonferenz im Innenministerium
  • Innenverwaltung und Polizei

Ergebnisse der Stabsstelle moderne Führungs- und Wertekultur

Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe Jörg Müller (links), Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges (rechts) und Präsident des Landgerichts Heidelberg außer Dienst Helmut Perron (rechts)
  • Justiz

Präsident des Landgerichts Heidelberg in den Ruhestand verabschiedet

Dr. Florian Stegmann, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Baden-Württemberg, bei seiner Rede.
  • Künstliche Intelligenz

Mit dem neuen F13 in die Verwaltung der Zukunft

von links nach rechts: Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe Jörg Müller, Präsidentin des Landgerichts Freiburg Dorothee Wahle, Ministerialdirektor Elmar Steinbacher
  • Justiz

Neue Präsidentin des Landgerichts Freiburg

Ein Maurer arbeitet mit Zement und Mörtel an einer Ziegelwand.
  • Baurecht

Bauen schneller und einfacher machen

Datenarbeit und Tablet, Laptop mit Architekturprojekt auf der Baustelle am Schreibtisch im Büro.
  • Raumordnungsplanung

Planungsverfahren effizienter und flexibler machen

von links nach rechts: Staatssekretär Thomas Blenke, Polizeivizepräsident Jürgen Schäberle und Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz
  • Polizei

Wechsel in der Leitung des Polizeipräsidiums Aalen

Portrait Lauber
  • Verwaltung

Neue Leiterin des Finanzamts Calw

Einsatzfahrzeug Polizei Baden-Württemberg
  • Polizei

Neue Leasingfahrzeuge der Polizei vorgestellt

Verhaftung von zwei Tatverdächtigen. Quelle: www.polizei-beratung.de
  • Polizei

Schlag gegen kriminelle Gruppierungen im Großraum Stuttgart

Ein Mitarbeiter des Generallandesarchivs Karlsruhe nimmt eine Akte aus einem Regal.
  • Forschung

Rechtsextremismus erforschen und dokumentieren

Die Kabinettsmitglieder sitzen am Kabinettstisch der Villa Reitzenstein.
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 23. Juli 2024

Eine Doktorandin aus Venezuela arbeitet im Labor. (Bild: © dpa)
  • Fachkräfte

Neue Landesagentur für Fachkräftezuwanderung

Polizeistreife im Stuttgarter Schlossgarten
  • Sicherheit

Rechtsverordnungen zu Waffen- und Messerverbotszonen

Wappen von Baden-Württemberg auf dem Ärmel einer Polizeiuniform. (Bild: Innenministerium Baden-Württemberg)
  • Polizei

Land geht gegen rechtsextre­mistische Veranstaltungen vor

Schüler während des Unterrichts im Klassenraum (Foto: Patrick Seeger dpa/lsw)
  • Kulturerbe im Osten

Schülerwettbewerb für kulturellen Austausch

Rettungsassistenten laufen mit den Rettungsrucksäcken zu einem Einsatz. (Foto: © dpa)
  • Rettungsdienst

Landtag beschließt neues Rettungsdienstgesetz

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Gouverneur Yuji Kuroiwa zeigen die unterzeichnete Gemeinsame Absichtserklärung zwischen Baden-Württemberg und Kanagawa.
  • Internationale Zusammenarbeit

Weitere Kooperation mit Kanagawa

Die Kabinettsmitglieder sitzen am Kabinettstisch der Villa Reitzenstein.
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 16. Juli 2024

Feuerwehrmann beim Hochwassereinsatz (Foto: © dpa)
  • Unwetter

Zusätzliche Hochwasserhilfen für Kommunen

ILLUSTRATION - Auf einer Computertastatur liegen Kreditkarten. (Foto: © dpa)
  • Finanzkriminalität

Land verstärkt Kampf gegen Geldwäsche

Überreichung der Ernennungsurkunde
  • Justiz

Neuer Präsident des Landgerichts Rottweil

Polizist der Polizei Baden-Württemberg kontrolliert den Verkehr.
  • Polizei

Zweite Aktionswoche der Verkehrssicherheit gestartet