Wohnungsgenossenschaft

Wohnungswirtschaftsverband vbw muss Mitglieder und Gläubiger besser schützen

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Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut ist Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau. (Bild: © Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg)

Das aufsichtliche Verfahren zur Prüfungstätigkeit des vbw bei der Eventus eG ist vorläufig abgeschlossen. Die Prüfungen wiesen gravierende Defizite auf, die in Zukunft vermieden werden müssten, betonte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Kleine Genossenschaften müssten in Qualitätskontrollen durch externe Wirtschaftsprüfer aufgenommen werden.

Zum vorläufigen Abschluss des vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau durchgeführten Aufsichtsverfahrens gegen den „Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.“ (vbw) sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut: „Die Insolvenz der Eventus eG hat den investierenden Mitgliedern schweren Schaden zugefügt. Der vbw hat nach unserer Überzeugung bei der Prüfung der insolventen Wohnungsgenossenschaft Eventus eG gegen seine Pflichten nach dem Genossenschaftsgesetz verstoßen.“

Gravierende Defizite bei Prüfung der Eventus eG

Es seien Fehler bei der Erstellung des Gründungsgutachtens der Eventus eG und der Prüfungsnachverfolgung festgestellt worden: „Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der offensichtlichen Widersprüche zwischen dem Geschäftsmodell, des in der Satzung angegebenen Förderzwecks und dem Genossenschaftsgesetz die Eventus eG nie hätte als Genossenschaft eingetragen werden dürfen. Bei den Pflichtprüfungen hat der vbw zahlreiche Mängel in der Geschäftsführung und erhebliche wirtschaftliche Probleme bei der Eventus eG festgestellt. Die Gutachter sind deshalb der Ansicht, dass die Prüfungshandlungen des vbw im Rahmen der genossenschaftlichen Pflichtprüfungen im Hinblick auf die Eventus eG gravierende Defizite aufweisen. Diesen Ergebnissen und der Auffassung der Gutachter schließen wir uns als Aufsichtsbehörde über den Prüfverband an. Der vbw kann aber gegen unsere Rechtsauffassung klagen“, so Hoffmeister-Kraut.

„Wichtigen Informationen, die dem Prüfverband bekannt waren, ist der vbw weder ausreichend noch schnell genug nachgegangen“, so Hoffmeister-Kraut zusammenfassend. Auf Basis der Feststellungen im aufsichtlichen Verfahren habe das Ministerium deshalb gegenüber dem vbw Auflagen verfügt. Im Fall Eventus von den Gutachtern festgestellte, teils gravierende Prüfungsdefizite dürfe es künftig nicht mehr geben, so die Ministerin. Die Idee des Genossenschaftswesens dürfe keinen Schaden nehmen.

Hoffmeister-Kraut stellte fest: „Unter unserer intensiven Aufsicht und mit den angeordneten Maßnahmen muss der vbw systematisch nachbessern, um Fälle wie Eventus in Zukunft frühzeitig zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden.“

Auflagen mit Blick auf Strukturen und Prozesse angeordnet

Die aufsichtliche Verfügung des Wirtschaftsministeriums sei am 9. April ergangen und dem Verband bekannt. Darin stelle das Ministerium Fehlverhalten in den Prüfungsvorgängen fest und habe eine Reihe von Auflagen mit Blick auf die Strukturen und Prozesse des Verbandes angeordnet, erläuterte Hoffmeister-Kraut. Um die vollständige Umsetzung der Vorgaben zu begleiten, werde dem Prüfverband unter anderem eine externe Nachschau durch einen Gutachter auferlegt, die eng abgestimmt mit dem Ministerium erfolgen müsse. Ob der Verband gegen die aktuell ergangene Verfügung Rechtsmittel einlegen werde, sei offen.

Hoffmeister-Kraut: „Wir verpflichten damit den vbw dazu sicherzustellen, dass die Mitglieder und Gläubiger einer Genossenschaft in erforderlicher Weise geschützt und dass deren Belange bei allen Prüfungshandlungen ausreichend berücksichtigt werden.“ Der Prüfverband habe bereits während des aufsichtlichen Verfahrens Personalwechsel im Prüfungsbereich umgesetzt. Auch einige der mit der Verfügung angeordneten Vorgaben zur Struktur und zu den Prozessen der Prüfungen seien angesichts der aufsichtlichen Gespräche bereits durch den Prüfverband angegangen worden. „Angesichts der angeordneten Vorgaben und der bereits eingeleiteten Veränderungen kann das Ministerium zum jetzigen Zeitpunkt vom Entzug der Prüfungserlaubnis absehen. Mit den von uns verordneten Maßnahmen verpflichten wir den vbw dazu sicherzustellen, dass vergleichbare Fälle künftig soweit wie möglich ausgeschlossen werden“, hielt die Wirtschaftsministerin fest.

Rechte aller Interessensgruppen wahren

Das Wirtschaftsministerium sei nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2017 sofort tätig geworden, betonte Hoffmeister-Kraut: „Ich versichere Ihnen, dass ich gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Aufarbeitung des Falls umgehend und mit höchster Priorität verfolgt habe.“ Auf Basis der Erkenntnisse aus den durchgeführten Anhörungen sei im April 2018 ein förmliches aufsichtsrechtliches Verfahren gegenüber dem zuständigen Verband eingeleitet worden. In diesem Zusammenhang habe das Wirtschaftsministerium eine gutachterliche Stellungnahme bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Bansbach GmbH in Auftrag gegeben.

Hoffmeister-Kraut bezeichnete das Informationsinteresse der Geschädigten und der Öffentlichkeit am Verfahren und dem Gutachten als „absolut verständlich“. Allerdings müsse in einem rechtsstaatlichen Verfahren auch der verfassungsrechtlich gewährte Schutz von personenbezogenen Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen beachtet werden. „Wir müssen hier die Rechte aller beteiligten Interessensgruppen achten und diese miteinander in Einklang bringen“, erläuterte sie. Das Ministerium habe nunmehr über die ersten Anträge auf Einsicht in das Gutachten entschieden und wolle das Gutachten mit teilweise geschwärzten Passagen offenlegen. Der vbw habe dem Ministerium allerdings mitgeteilt, dass er gegen die Herausgabe des Gutachtens vorgehen werde. „In diesem Fall dürfen wir das Gutachten – gemäß Landesinformationsfreiheitsgesetz – erst nach abschließender gerichtlicher Entscheidung herausgeben“, führte die Ministerin aus. Damit könnte sich die Herausgabe des Gutachtens zeitlich verzögern. „Mir ist bewusst, dass dies für die Antragstellenden unbefriedigend wäre.“ Das Vorgehen ergebe sich aber aus dem Gesetz. Vor diesem Hintergrund könne sie sich aktuell öffentlich auch nicht tiefergehend zu den Inhalten des Gutachtens äußern.

Kleine Genossenschaften nicht Teil von Qualitätskontrollen

„Wir haben uns in den vergangenen Monaten intensiv mit der vertieften Aufarbeitung des Falls beschäftigt. Im Genossenschaftsrecht existiert ein sehr ausdifferenziertes System von checks and balances, das derartige Betrugsfälle eigentlich verhindern soll. Eventus zeigt aber, dass es Verbesserungsbedarf gibt“, erläuterte die Wirtschaftsministerin. „Ich sehe beispielsweise die Aussagekraft der Qualitätskontrollberichte nach dem Genossenschaftsgesetz als begrenzt an, wenn offensichtlich kleinere Genossenschaften wie Eventus bei der Qualitätskontrolle der Prüfverbände durch externe Wirtschaftsprüfer durch das Raster fallen“, so Hoffmeister-Kraut.

Die Qualitätskontrolle der genossenschaftlichen Prüfungsverbände durch externe Wirtschaftsprüfer soll feststellen, ob die Qualitätssicherung insgesamt und bei einzelnen Aufträgen entsprechend der gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Dazu wird unter anderem die Bearbeitung einer bestimmten Zahl von genossenschaftlichen Pflichtprüfungen untersucht. Laut Gesetzeswortlaut werden jedoch lediglich Genossenschaften mit einer Bilanzsumme von mehr als 1,5 Millionen Euro und Umsatzerlösen von mehr als 3 Millionen Euro stichprobenartig einbezogen. Prüfungen kleinerer Genossenschaften – zu denen auch die Eventus eG zählte – sind folglich nicht Teil der Qualitätskontrolle. Gleiches gilt auch für die gutachterlichen Äußerungen der Prüfungsverbände bei der Gründungsprüfung.

„Nach meiner Auffassung sollte die Qualitätskontrollprüfung künftig auch diese beiden Punkte umfassen“, betonte Hoffmeister-Kraut. Sie kündigte an, mit konkreten Verbesserungsvorschlägen das Gespräch mit den anderen Ländern und dem Bund zu suchen und sich „über den aktuellen Fall hinaus auch weiterhin dafür einzusetzen, dass solche Fälle noch weniger wahrscheinlich werden, indem die Prüfsystematik weiter verbessert wird“.

Auch intern werde das Ministerium nochmals prüfen, um sicher zu gehen, dass geltende Vorgaben eingehalten werden. „Auf Basis der derzeitigen Erkenntnisse sehe ich nicht, dass die Ausübung der Staatsaufsicht über den vbw fehlerbehaftet war“, so Hoffmeister-Kraut abschließend.

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