Migration

Flüchtlingsgipfel unterstreicht gemeinsame Linie

Geflüchtete Frauen und Kinder werden an einem Grenzübergang von einer freiwilligen Helferin begleitet.

Beim Flüchtlingsgipfel haben sich das Land, die Kommunen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft darauf verständigt, sich auch weiterhin als Verantwortungsgemeinschaft den Herausforderungen zu stellen. Das Land unterstützt die Kommunen 2022 und 2023 unter anderem mit insgesamt 770 Millionen Euro.

Der russische Überfall auf die Ukraine hat die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Baden-Württemberg hat in diesem Jahr so viele Geflüchtete wie nie zuvor aufgenommen. Allein aus der Ukraine kamen rund 142.000 Schutzsuchende. Hinzu kamen über 28.000 Geflüchtete aus anderen Staaten.

„Die Unterbringung, Versorgung und Integration so vieler Menschen bedeuten eine enorme Kraftanstrengung für die gesamte Gesellschaft und alle staatlichen Ebenen. Wir haben sie in einer großen Verantwortungsgemeinschaft entschlossen angenommen: Die Kommunen stemmen Gewaltiges bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge, der Beitrag der Zivilgesellschaft ist enorm, das Engagement der vielen Ehrenamtlichen außerordentlich und auch wir als Landesregierung stellen uns tatkräftig den Herausforderungen“, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim Flüchtlingsgipfel im Neuen Schloss in Stuttgart am Mittwoch, 7. Dezember 2022.
 
Gleichzeitig sei schwer absehbar, wie sich die Flüchtlingssituation über den Winter weiterentwickle. „Deshalb habe ich zu einem baden-württembergischen Flüchtlingsgipfel eingeladen.“ Ziel sei es, dass sich alle relevanten Akteure im Land über die aktuellen Herausforderungen austauschen, das weitere Vorgehen besprechen und ein Zeichen der Geschlossenheit aussenden. „Verantwortungsgemeinschaft heißt eben nicht nur, dass jeder seinen Teil beiträgt. Sondern dass wir auch gemeinsam handeln und uns abstimmen“, so der Ministerpräsident.

An dem Gipfel nahmen Vertreterinnen und Vertreter des Landes, der Kommunalen Landesverbände, von Kirchen und Religionsgemeinschaften, von Wirtschaft, Gewerkschaften, Sozialverbänden und der Zivilgesellschaft teil.

Maßnahmenpaket von gut 770 Millionen Euro

Die Landesregierung lasse die Kommunen in dieser schwierigen Situation nicht im Regen stehen, betonte Kretschmann. In der Gemeinsamen Finanzkommission mit den Kommunen habe man sich auf ein Maßnahmenpaket von gut 770 Millionen Euro für den Doppelhaushalt 2023/24 geeinigt. Darunter seien 450 Millionen Euro, mit denen sich das Land an den Kosten der Aufnahme von Geflüchteten in den Kommunen beteiligt. „Wir wissen, dass die große Zahl an Geflüchteten viele Kommunen an den Rand dessen bringt, was sie zu leisten im Stande sind. Wir sehen diese Kraftanstrengung und haben deshalb auch als bisher einziges Land entschieden, die Bundeshilfen für dieses und nächstes Jahr nahezu vollständig an die Kommunen weiterzugeben.“

In der Gemeinsamen Erklärung zum Flüchtlingsgipfel betonen die unterzeichnenden Akteure, dass sie die Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten weiter in einer gemeinsamen Kraftanstrengung bewältigen wollen, und appellieren an die Menschen im Land, sie dabei zu unterstützen.

Die Herausforderungen in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortungsgemeinschaft bewältigen

Kretschmann: „Wenn man den Mut sieht, mit dem die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht nur ihr Land, sondern das verteidigen, was Europa ausmacht, dann ist es die verfassungsgemäße, humanitäre und moralische Pflicht als Demokratinnen und Demokraten, solidarisch zu sein.“ Der Ministerpräsident dankte allen an der Flüchtlingsarbeit Beteiligten für ihren unermüdlichen Einsatz.

Aufnahme und Unterbringung: Kapazitäten werden weiter aufgestockt

„Unterbringungskapazitäten wurden und werden auf allen Ebenen erheblich ausgebaut. Die Leistung der Kreise und Kommunen ist immens“, sagte Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges. Auch die Plätze in der Landeserstaufnahme seien seit Beginn der Krise von rund 6.300 auf aktuell 13.600 Plätze mehr als verdoppelt worden. „Wir werden weiter alles daransetzen, die Menschen in diesem Winter gut unterzubringen. Die Infrastruktur in der Ukraine wird systematisch niedergebombt, sodass wir für den Fall vorbereitet sein müssen, dass noch einmal mehr Menschen fliehen müssen“, erklärte Gentges. Zur Entlastung der Stadt- und Landkreise werde daher an drei Standorten in Freiburg, Sindelfingen und Meßstetten ein Vorsorgepuffer mit 2.500 Plätzen für die Unterbringung eingerichtet.
 
Die Landesregierung wird außerdem eine mietzinsfreie Überlassung von Landesgebäuden und -flächen zur Flüchtlingsunterbringung ermöglichen, um die Stadt- und Landkreise und die Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung noch stärker zu unterstützen. Bereits im September hat die Landesregierung ein spezielles Förderprogramm für Wohnraum für Geflüchtete mit einem Volumen von 80 Millionen Euro an den Start gebracht. Damit unterstützt das Land die Städte und Gemeinden gezielt bei der Schaffung neuen, zusätzlichen Wohnraums für die Anschlussunterbringung. 

Die Landesregierung wird sich weiterhin für eine solidarische Verteilung von Schutzsuchenden in Europa einsetzen. Nach der Massenzustromrichtlinie der EU ist eine faire Verteilung der Schutzsuchenden aus der Ukraine innerhalb Europas gemeinsames Ziel der Mitgliedstaaten. „Es kann daher nicht sein, dass nur wenige Staaten die Hauptlast tragen, wenn andere Staaten mehr leisten könnten“, sagte Ministerin Gentges.  

Maßnahmen zur Integration in Bildung und Arbeitsmarkt

„Neben den zahlreichen erfolgreichen Programmen, die in den letzten Jahren und Monaten bereits angestoßen wurden, um Geflüchteten optimale Arbeits- und Bildungschancen zu eröffnen, werden wir uns jetzt intensiver dem Thema Pflegehilfskräfte widmen“, unterstrich Ministerin Gentges. Hier setze sich die Landesregierung für rechtliche Anpassungen ein, um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Pflegehilfskräfte zu ermöglichen, die eine Pflegehelferausbildung im Inland abgeschlossen haben.

„Anders als in der Flüchtlingskrise 2015 suchen heute viele Frauen mit Kindern bei uns Schutz“, erklärte Kretschmann. „Fast 28.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine gehen schon jetzt in unsere Schulen – eine gewaltige Leistung, für die ich allen danke, die sich hier einbringen.“ Seit März hat das Kultusministerium fast 1.100 neue Vorbereitungsklassen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen an den Start gebracht und die Klassen werden weiter ausgebaut. Solche Vorbereitungsklassen legen den Schwerpunkt darauf, dass die Kinder schnell die deutsche Sprache lernen und danach in Regelklassen wechseln können.

Für die Beschulung geflüchteter Kinder konnte das Kultusministerium seit März rund 1.000 Lehr- und Unterstützungskräfte gewinnen, davon 170 Lehrkräfte aus der Ukraine. „Für die wichtige Fortbildung dieser Lehrkräfte hat das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung die bestehenden Angebote deutlich erweitert. Auch Sprachlernangebote für Lehrkräfte aus dem Ausland wurden organisiert“, so der Ministerpräsident. Im Haushalt stehen 1.165 befristete Stellen zur Beschulung von Geflüchteten bereit und werden genutzt. Diese wurden bereits für das Schuljahr 2022/2023 verlängert. Im kommenden Doppelhaushalt sind zudem für 2023 insgesamt rund 81 Millionen Euro und für 2024 insgesamt 116 Millionen Euro für die Beschulung und Betreuung eingeplant.

Auch für die Kindertagesstätten bedeutet der Flüchtlingszuzug eine große Herausforderung. „Uns ist es wichtig, allen Kindern ein Betreuungsangebot machen zu können“, erklärte Kretschmann. Befristet bis 31. August 2024 würden daher „Kita-Einstiegsgruppen“ eingerichtet. An den Kindertagesstätten selbst werde im laufenden Kindergartenjahr der Einsatz von Zusatzkräften zur Erfüllung des Mindestpersonalschlüssels ermöglicht, wenn Erzieherinnen und Erzieher nicht in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Durch eine weitere Verordnungsänderung werde nun befristet erlaubt, in einzelnen Gruppen mehr Kinder aufzunehmen, sofern das vertretbar sei.

Land finanziert Integrationsmanager weiter

Seit 2017 fördert das Land im Rahmen des Paktes für Integration das kommunale Integrationsmanagement. Die Integrationsmanagenden begleiten den individuellen Integrationsprozess von Geflüchteten in der Anschlussunterbringung, sie beraten, verweisen an Regelstrukturen und wirken insbesondere auf eine Stärkung der Selbständigkeit hin. „Derzeit sind knapp 1.200 Integrationsmanagerinnen und Integrationsmanager tätig, die als wesentliches Element der Beratung und Unterstützung von Geflüchteten nicht mehr wegzudenken sind“, so Ministerpräsident Kretschmann. Im Staatshaushaltsplan 2023/2024 sind für die Maßnahmen des Paktes für Integration, darunter auch für das Integrationsmanagement, insgesamt gut 86 Millionen Euro als Förderung aus Landesmitteln vorgesehen.

Auch in der ergänzenden Sprachförderung wird sich das Land weiterhin engagieren. Dort, wo Integrationskurse des Bundes nicht kurzfristig oder nicht in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehen, können Geflüchtete vom Land geförderte Sprachkurse der Stadt- und Landkreise besuchen, die die Sprachförderung des Bundes ergänzen. Dafür werden 6,2 Millionen Euro pro Jahr durch das Sozialministerium zur Verfügung gestellt.

Krise in großer Verantwortungsgemeinschaft bewältigen

„Der offene und kritische Austausch heute hat nochmal eindrücklich verdeutlicht, wieviel Baden-Württemberg als Gemeinschaftsleistung seit Ausbruch des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine auf die Beine gestellt hat. Und welche Hausaufgaben noch zu erledigen sind“, zog Kretschmann am Ende des Treffens Bilanz. „Land, Kommunen und Zivilgesellschaft müssen und werden sich auch weiterhin als Verantwortungsgemeinschaft erweisen, die sich miteinander tatkräftig den Herausforderungen stellt. Wir wollen alle Menschen im Land dafür gewinnen, Teil dieser Verantwortungsgemeinschaft zu sein.“

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