Bildung

Keine Sympathien für Extremismus

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Tuncay Dilek ist islamischer Religionslehrer an der Stuttgarter Rostenstein Schule (Bild: © dpa).

In Baden-Württemberg besuchen über 4.000 Schüler an 69 Schulen den islamischen Religionsunterricht. Ein Besuch in der Stuttgarter Rosensteinschule zeigt, wie wichtig es ist, an den Schulen deutschsprachigen islamischen Religionsunterricht anzubieten. Immer mehr Schulen wollen daher künftig dieses Fach anbieten.

Im islamischen Religionsunterricht wird über den Tellerrand geschaut. Den Schülern ist wichtig, andere Religionen kennenzulernen. Nur geht der Ausbau mangels geeigneter Lehrer langsamer voran als gewünscht.  

Tuncay Dilek ist ein Überzeugungstäter. Seine Mission: zeigen, dass seine Religion ungeachtet aller Gewalttaten im Namen des Islam friedlich und tolerant ist. Das will der türkischstämmige Lehrer nicht nur seinen muslimischen Schülern an der Stuttgarter Rosensteinschule beibringen, sondern allen Schülern.

Die Besucher seines islamischen Religionsunterrichts hat er bereits überzeugt. Der 16-jährige Donart sagt: „Hier an der Schule gibt es keinerlei Sympathisanten für Extremismus. Wir sind alle dagegen. Uns wird beigebracht, dass dieser Terror nicht der Islam ist und keinerlei Verbindung damit hat.“

Weitere 70 Schulen wollen islamischen Religionsunterricht einführen

Donart, dessen Familie aus dem Kosovo kommt, ist einer von mehr als 4.000 Schülern an 69 Schulen, die in Baden-Württemberg am bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht teilnehmen. Und es sollen mehr werden: Zum neuen Schuljahr haben 70 Schulen Interesse bekundet. Bis Ende des Schuljahres 2017/18 läuft das Modellprojekt, danach soll ein Zusammenschluss islamischer Verbände die Trägerschaft übernehmen. Mit einem Projektbeirat, dem Vertreter muslimischer Verbände angehören, versucht das Kultusministerium, das Problem des fehlenden Ansprechpartners zu lösen. 

Der Beirat beschäftigt sich unter anderem mit den Bildungsplänen für den Unterricht, mit der Lehrerausbildung und der Nachwuchsgewinnung. Dass das Einbeziehen der Verbände nicht ganz unproblematisch ist, zeigt die aktuelle Diskussion über möglichen Einfluss der Türkei auf die Organisation Ditib, die auch dem Beirat angehört. 

Dilek ist dankbar, dass das Land die Notwendigkeit erkannt hat, Kindern und Jugendlichen eine Alternative zu Moscheevereinen anzubieten. „In den Moscheen wird die Religion in der eigenen Landessprache gelehrt, und die Kinder verstehen die Sprache nicht zu 100 Prozent“, erläutert er. Daher komme es zu Missverständnissen und Lücken. Überdies sei nicht jede Moschee gleich eine gute Moschee. Es gebe da auch Grauzonen, berichtet der 31-Jährige. Das ausschließlich deutschsprachige Angebot der Schule nähmen derzeit 99,9 Prozent der muslimischen Schüler wahr.

Offene Klassentüren

Sein Schüler Omargul hat bereits Erfahrungen mit Religionsunterricht in Moscheen. Da gehe es nur um den Islam und nicht um andere Religionen. „Ich wollte aber wissen, was in anderen Religionen los ist“, erläutert der 16-Jährige mit afghanischen Wurzeln. Diesem Bedürfnis kommt Dilek mit dem Konzept der offenen Klassentüren entgegen. Lehrer und Schüler anderer Konfessionen dürfen am islamischen Religionsunterricht teilnehmen. Der Wunsch nach Gesprächen sei vor allem nach Attentaten groß. „Nur wenn ich das Fremde kenne, kann ich darüber sprechen und weiß auch, in dieser Religion ist es ebenfalls verboten zu töten“, erzählt der Religionspädagoge. Seine Schüler seien geübt, ihren Mitschülern den friedlichen Islam näherzubringen.

Der 17-jährige Samuel ist „glücklich“, dass es diesen Unterricht gibt. Er habe bei Dilek gelernt, wie man richtig betet. Der sogenannte Islamische Staat beschmutze seine Religion, klagt der Jugendliche. „Wir sind ganz anders, wir sind eigentlich fröhlich“, versichert der junge Mann libanesischer Herkunft.

Kultusministerin Susanne Eisenmann sieht in dem Angebot einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung. „Für junge Muslime ist es wichtig, dass ihr Religionsunterricht ganz normal zum Schulalltag gehört. Er bietet ihnen eine gute Möglichkeit, sich differenziert mit ihrer Religion auseinanderzusetzen.“ Aber sie warnt auch vor überzogenen Erwartungen. „Der islamische Religionsunterricht kann präventiv wirken, doch Schule kann nicht allein das Problem der Radikalisierung junger Menschen lösen.“

Respekt zeigen und Respekt erfahren

Für Donart ist der Unterricht ein Instrument zu besserer Integration: „Uns wurde beigebracht, dass wir alle Religionen respektieren sollen. Dann kommt man besser mit den Menschen klar und bekommt meistens auch Respekt zurück.“

Lehrer Dilek hat in Ludwigsburg Sport, Mathematik und Biologie für das Lehramt an Grund- und Werkrealschulen studiert. Islamische Religionspädagogik war sein viertes Fach. Die Wahl des Faches begründet er so: „Ich wollte meinen Mitmenschen beweisen, dass diese Religion keine kriegerische ist. Um das den Menschen klar zu machen, muss man seine Religion erst mal selber kennen.“ 

Lehrer wie Dilek sind im Südwesten allerdings Mangelware. Deshalb sind dem angestrebten flächendeckenden Ausbau Grenzen gesetzt. Von den 70 Antragstellern für islamischen Religionsunterricht werden mangels Lehrer weniger als die Hälfte zum Zug kommen. Ministerin Eisenmann erwägt deshalb, ob nicht auch an der Universität Tübingen ausgebildete Imame mit Zusatzqualifikation diese Aufgabe übernehmen könnten.

Quelle:

dpa/lsw

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