Steuerhinterziehung

„Betrug an uns allen“

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Portrait von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz

Steuerbetrug berührt die Grundfesten unserer Gesellschaft und der sozialen Marktwirtschaft: Es geht um Regeln, Fairness und Gerechtigkeit.

von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz

Steuern sind ein zentraler Beitrag für die Gemeinschaft. Sie ermöglichen staatliche Institutionen und Leistungen, von denen alle profitieren. Wer Steuern hinterzieht, bereichert sich auf Kosten der Gesellschaft. Ein Einzelner bricht zum eigenen Vorteil die Regeln, die für uns alle gelten. Es ist staatliche Aufgabe im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, diesen Regelbruch zu ahnden. Wer klaut, muss mit einer Strafe rechnen.

50 Milliarden Euro Steuerbetrug

Denn Steuerbetrug entzieht dem Staat sehr viel Geld. Die deutsche Steuergewerkschaft schätzt den Schaden in der Bundesrepublik auf mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr. Geld, das anderweitig für Schulen, Kitas, Polizei, Straßen- und Radwege oder Klimaschutz investiert werden könnte. Steuerbetrug rüttelt damit an einem grundlegenden Wert unserer sozialen Marktwirtschaft, dass jeder seinen Teil zum Ganzen beiträgt, abhängig von seinem Einkommen. Steuerbetrug ist zutiefst ungerecht.

Der Kampf gegen Steuerbetrug sollte alle politischen Richtungen einen und auch ein Projekt von Konservativen und Liberalen sein. Wer bei Clan-Kriminalität – zurecht – nach der harten Hand des Staates ruft, kann bei Steuerbetrug nicht beide Augen zudrücken. Law and Order sollte auch in der Steuerpolitik gelten.

Steuerbetrug verzerrt den Wettbewerb

Steuerbetrug ist aber auch schlichtweg unfair. Er stellt den Wettbewerb auf den Kopf. Fairer Wettbewerb bedeutet: gleiche Regeln für Alle. Wer sich aber illegal einen Steuervorteil beschafft – zum Beispiel als Unternehmen – verschafft sich damit auch einen unfairen Wettbewerbsvorteil den Anderen gegenüber. Es ist ein Gebot der Fairness allen ehrlichen Steuerzahlern und Unternehmen - und das ist die große Mehrheit bei uns – gegenüber, Steuerbetrug konsequent zu ahnden.

Bei Manchen schimmert auch eine Art Verständnis für Steuerbetrug durch, denn der Staat sei ja auch so gefräßig und maßlos. Bemisst man Ladendiebstahl auch daran, ob die Preise im Laden zu hoch waren? Wer meint, in Deutschland wären die Steuern zu hoch, kann politisch für eine Mehrheit für Steuersenkungen werben. Als Finanzminister wäre ich zudem eher in der Lage, Steuern zu senken, wenn wir die Einnahmen hätten, die uns jährlich durch Steuerbetrug entgehen.

Anonyme Hinweise helfen der Steuerfahndung

Es gibt vielfältige Möglichkeiten Steuerbetrug konsequent und effektiv zu verfolgen. Grundlegend dafür ist eine personell wie materiell gut ausgestattete Steuerfahndung, die auch digital auf dem neusten Stand ist. Deshalb hat Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren auch zusätzliche Steuerfahnder eingestellt. Viele Hinweise auf Steuerbetrug kommen aus der Finanzverwaltung selbst. Aber ein wichtiger Bestandteil sind seit Jahren externe Hinweise, meist anonym. Gerade wenn es um komplexe Steuerhinterziehung wie Cum-Ex-Geschäfte, Umsatzsteuerbetrug in Unternehmen oder Konten in Steueroasen geht, ist es für die Steuerfahnder verdammt schwer, dem ohne Insider-Hinweise auf die Spur zu kommen.

Schutz von Whistleblowern

Deshalb arbeitet die Steuerfahndung in jedem Bundesland mit anonymen Hinweisen. Seit Jahren können solche Hinweis persönlich, per Brief oder Telefon gegeben werden, mittlerweile auch per Mail. In Baden-Württemberg ist das jetzt auch online möglich. Mit einem entscheidenden Vorteil: die Steuerfahndung kann anonymisiert Rückfragen zu einem Hinweis stellen und damit schneller klären, ob der Hinweis tatsächlich etwas taugt, oder nicht. Das Ergebnis könnten also bessere Hinweise sein. Unbrauchbare Hinweise gab es in der Vergangenheit zuhauf und wird es auch künftig geben. Das ist unvermeidlich, allerdings wird diesen erst gar nicht nachgegangen. Es geht hier auch nicht darum, ob der Nachbar seine Putzfrau angemeldet hat, sondern um relevanten und substantiellen Steuerbetrug. Gerade für Whistleblower könnte das anonymisierte Hinweisportal ein sicherer Weg sein, mit der Steuerfahndung in Kontakt zu treten. Nicht der Straftäter, sondern die Person die ihn anzeigt muss geschützt werden.

Damit setzt Baden-Württemberg auch Extern: eine EU-Richtlinie (Öffnet in neuem Fenster) um, die jedes Bundesland und auch der Bund bis Ende des Jahres umsetzen müssen – nämlich einen sicheren Kommunikationsweg für Whistleblower anzubieten. Als ehemaliges Mitglied im Wirecard-Untersuchungsausschuss weiß ich, wie wichtig Whistleblower und anonyme Hinweise bei Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche oder Steuerbetrug sind und wie wichtig es ist, dass sie auch von den Behörden ernst genommen werden. Ohne diese Hinweisgeber, hätte es gar keine umfängliche Aufklärung geben können.

Kaum falsche Beschuldigungen

Baden-Württemberg geht mit seinem Hinweisportal auch keineswegs einen Sonderweg. Anonymisiertes Hinweissysteme gibt es längst in anderen Bereichen, etwa beim Extern: Landeskriminalamt Baden-Württemberg (Öffnet in neuem Fenster), Niedersachsen oder Hamburg. Beim Portal des baden-württembergischen Landeskriminalamtes gab es in fünf Jahren eine einstellige Zahl falscher Anschuldigungen, dafür eine steigende Zahl verwertbarer Hinweise auf Straftaten. Auch aufgrund dieser Erfahrung hat Baden-Württemberg den bisher analogen Hinweisweg digitalisiert im Rahmen des Projekts Finanzamt der Zukunft, das eine weitreichende Digitalisierung der Finanzverwaltung vorsieht.

Der Kampf gegen Steuerbetrug sollte ein Projekt sein, hinter dem sich Liberale, Progressive, Konservative und Linke gleichermaßen versammeln können. Im Interesse unseres Gemeinwesens. Im Interesse von verbindlichen Regeln, Fairness und Gerechtigkeit.

Quelle:

Dieser Text war Grundlage eines Gastbeitrags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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