Umwelt

Überprüfung von Düngerlagern nach dem Jagstunglück 2015

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Tote Fische liegen am 23.08.2015 in der Jagst bei Kirchberg an der Jagst.

Wenige Tage vor dem Jahrestag des Düngemittelunfalls an der Jagst im August 2015 hat das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die landesweite Überprüfung von gewerblichen Düngerlagern abgeschlossen. „Leider haben wir hierbei erhebliche Defizite feststellen müssen“, erklärte Umweltminister Franz Untersteller.

Vielen Betreibern solcher Lagerstätten sei offenbar nicht bewusst gewesen, dass ihnen die einschlägigen Gesetze ein erhebliches Maß an Eigenverantwortung einräumten. „Unsere Prüfaktion hat die Betreiber sensibilisiert und sie an ihre bestehenden Pflichten erinnert“, sagte Untersteller. „Zum Schutz der Umwelt und zu ihrem eigenen Schutz vor möglichen Schadensersatzforderungen müssen die Betreiber sicherstellen, dass sie ihrer Verantwortung auch nachkommen und ihre Anlagen ordnungsgemäß betreiben.“

Bei der Prüfaktion haben die Behörden in ganz Baden-Württemberg insgesamt 307 gewerbliche Düngerlager von 276 Betrieben überprüft. In diesen Betrieben lagern sowohl ammoniumhaltige, als auch ammoniumfreie Düngemittel in saisonal unterschiedlichen Mengen von einem Zentner bis zu mehreren tausend Tonnen. Daneben umfasst die Lagerung oftmals auch Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel sowie gelegentlich zusätzlich Treib- und Brennstoffe wie Diesel oder Heizöl. Neben der Frage, ob die notwendigen bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen vorlagen, haben die Behörden bei ihrer Überprüfung ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, ob bestimmte sicherheitsrelevante Maßgaben aus dem Wasserrecht, insbesondere zur Löschwasserrückhaltung, sowie Vorgaben zur Lagerung aus dem Gefahrstoffrecht eingehalten wurden.

Bei etwa der Hälfte der 307 überprüften Lager, also bei rund 150 Anlagen, stellten die Behörden fest, dass eine Löschwasserrückhaltung notwendig ist. Nur in 54 Prozent dieser Fälle (rund 80 Anlagen) war eine solche Löschwasserrückhaltung auch vorhanden und nur bei etwa 35 Anlagen (23 Prozent) war diese auch tatsächlich ausreichend bemessen. Aber selbst wo Vorrichtungen vorhanden waren, um Löschwasser im Brandfall zurückzuhalten, waren diese nicht immer nutzbar, zum Beispiel weil Absperrvorrichtungen fehlten.

In 81 Fällen waren die Betreiber nach der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) verpflichtet, ihre Anlagen regelmäßig von Sachverständigen überprüfen zu lassen. Nur bei 32 Anlagen (40 Prozent) haben die Betreiber diese Prüfungen tatsächlich veranlasst. In den anderen Fällen gingen die Betreiber fälschlicherweise davon aus, dass Düngemittel keine wassergefährdenden Stoffe seien. Selbst wenn zusätzlich noch Pflanzenschutzmittel gelagert wurde, haben viele Betreiber erklärt, ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass hiervon Gefahren für die Umwelt ausgehen könnten.

Darüber hinaus fehlten insbesondere bei älteren Düngemittellagern, die bereits seit den 1960er Jahren in Betrieb sind, häufig die notwendigen Genehmigungen vollständig oder sie waren nicht mehr auffindbar. In anderen Fällen waren Lager nur allgemein als „Landhandel“ genehmigt und Düngemittel als wassergefährdende Stoffe in der Genehmigung oder in den Antragsunterlagen nicht ausdrücklich aufgeführt. Teilweise wurden die Wasserbehörden im Genehmigungsverfahren wegen fehlender Angaben in den Antragsunterlagen erst gar nicht beteiligt, in anderen Fällen erhielt die Wasserbehörde keine Mehrfertigung der Genehmigung, weshalb sie gestellte Auflagen nicht überwachen konnte.

Manchen Betreibern war nicht bewusst, dass sie für die Lagerung von Düngemitteln besondere gesetzliche Anforderungen zu berücksichtigen haben. Andere Betriebe wiesen organisatorische Mängel bei der Lagerung von Gefahrstoffen auf, zum Beispiel fehlten notwendige Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen oder Beschäftigte wurden nicht in den Anforderungen des Arbeitsschutzes unterwiesen. Außerdem haben Betreiber bestehende technische Regeln für Gefahrstoffe oftmals nicht beachtet, die zum Beispiel das Zusammenlagern bestimmter Stoffe verbieten, Mindestabstände bei der Zusammenlagerung vorschreiben oder Kennzeichnungsgebote enthalten.

„Die festgestellten Mängel sind erschreckend“, zeigte sich Umweltminister Untersteller besorgt. „Das offensichtlich mangelnde Gefahrenbewusstsein vieler Anlagenbetreiber zeugt von erheblichen Informationsdefiziten. Im Rahmen unseres Jagst-Aktionsprogramms prüfen wir daher, wie wir die Betreiber künftig besser über ihre bestehenden Pflichten informieren und sie auf die bestehenden Risiken hinweisen können“, so Untersteller. 

Die Überwachungsbehörden haben die Betreiber aufgefordert, die Mängel zu beseitigen. In einzelnen Fällen wurden zudem Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet oder Zwangsgeld angedroht. Ein Großteil der Mängel konnte so bereits zeitnah beseitigt werden. Da zum Teil aber auch größere bauliche Maßnahmen erforderlich sind, gehen die zuständigen Behörden aktuell davon aus, dass es bis 2017 dauern wird, bis alle bei der Prüfaktion festgestellten Mängel beseitigt sein werden. „Ob die vorgegebenen Fristen hierbei eingehalten werden, werden die Behörden intensiv überwachen“, betonte Franz Untersteller.

Der Umweltminister wies abschließend darauf hin, dass Gefahren für die Gewässer im Land nicht nur von gewerblichen Düngerlagern ausgehen. „Es gibt noch zahlreiche andere Anlagen, beispielsweise Kunststofflager, mit einem vergleichbaren Schadenspotenzial. In einem nächsten Schritt wollen wir daher im Rahmen des Jagst-Aktionsprogrammes ein Projekt auf die Beine stellen, das auch solche Anlagen und die von ihnen ausgehende Gefahr für die Umwelt erhebt.“ Dies stelle eine schwierige Aufgabe dar, mit ersten Ergebnissen des Projektes rechne er daher frühestens im Jahr 2018. „Der Aufwand, den wir betreiben, ist groß“, betonte Franz Untersteller. „Er ist aber notwendig, denn wir wollen, dass sich ein solcher Unfall wie an der Jagst möglichst nicht mehr wiederholt.“

Umweltministerium: Aktionsprogramm Jagst

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