Gesellschaft

Initiativen für mehr Zusammenhalt und gegen Einsamkeit

Einsamkeit ist in Baden-Württemberg weit verbreitet. Das zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. Das Land reagiert mit Ideenwettbewerben, neuen Projekten und gezielter Förderung sozialer Begegnungsräume.

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Die Bewohnerin (r) einer Wohngemeinschaft für Senioren unterhält sich bei Kaffee und Kuchen mit ihren Gästen (Bild: © dpa).

Einsamkeit ist in Baden-Württemberg weit verbreitet – und betrifft Menschen aller Altersgruppen, Lebenssituationen und Regionen. Das zeigt eine neue landesweite Studie der Bertelsmann Stiftung mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration, die erstmals landesweit Zahlen zur Einsamkeit erhoben hat. Demnach hängen Einsamkeitserfahrungen weniger mit geografischen, sondern vor allem mit sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Faktoren zusammen. Die Landesregierung reagiert mit Ideenwettbewerben, neuen Projekten und gezielter Förderung sozialer Begegnungsräume, um dem besorgniserregenden Trend entgegenzuwirken.

„Die Studie zeigt: Einsamkeit ist kein individuelles Problem, sondern betrifft die Gesellschaft in ihrer Breite. Wir müssen die strukturellen Gründe für zunehmende Einsamkeit stärker in den Blick nehmen und das Thema gleichzeitig enttabuisieren“, sagte der Minister für Soziales, Gesundheit und Integration Manne Lucha. So seien beispielsweise Personen mit geringem Einkommen, gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen, prekären Arbeitsverhältnissen oder Migrationshintergrund besonders gefährdet. Die höchste Einsamkeitsbelastung wurde bei Menschen zwischen 30 und 65 Jahren festgestellt, aber auch Ältere sowie Menschen unter 30 sind stark betroffen.

„Einsame Menschen zu unterstützen, ist eine gemeinsame Verantwortung von Staat und Zivilgesellschaft. Im Zusammenwirken können sie innovative und tragfähige Lösungen entwickeln, um Einsamkeit wirksam zu begegnen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Dabei kommt sozialen Orten und Begegnungsräumen eine besondere Bedeutung zu“, sagte Dr. Anja Langness, Gesundheitsexpertin der Bertelsmann Stiftung.

Soziale Zugehörigkeit als Schlüsselfaktor

Entscheidend für das Erleben von Einsamkeit ist der Grad an sozialer Zugehörigkeit – insbesondere zur unmittelbaren Nachbarschaft und zu persönlichen Netzwerken. Menschen, die sich gut in ihre Umgebung eingebunden fühlen, erleben deutlich weniger Einsamkeit. Eine positive Bewertung sozialer Infrastruktur – etwa von Treffpunkten im Quartier, Beratungsstellen oder Gemeinschaftszentren – korreliert mit einem geringeren Einsamkeitsgefühl. „Wir müssen Einsamkeit als gesamtgesellschaftliches Problem verstehen, das nur gelöst werden kann, wenn alle gesellschaftlichen Akteure Verantwortung übernehmen“, betonte Prof. Dr. Maike Luhmann, eine der Autorinnen der Studie und renommierte Forscherin im Bereich Einsamkeit in Deutschland.

Einsame Menschen berichten hingegen häufiger über fehlende Anlaufstellen, nutzen soziale Angebote seltener und sind politisch weniger aktiv. Auch Mediennutzung unterscheidet sich leicht: Einsame Personen verbringen mehr Zeit mit digitalen Medien.

Gesundheit, Optimismus und Vertrauen stärken

Ein enger Zusammenhang besteht zwischen gesundheitlicher Verfassung, Zukunftsoptimismus und Vertrauen in demokratische Prozesse. Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung fühlen sich seltener einsam – unabhängig vom Alter. Die Studie empfiehlt deshalb, Resilienz, psychische Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe gezielt zu fördern.

Die aktuelle Studie knüpft an eine frühere Arbeit der Bertelsmann Stiftung an, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Baden-Württemberg thematisiert hatte. Auch die Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ des Landtags von Baden-Württemberg benennt den Kampf gegen Einsamkeit als wichtiges Thema für die Resilienz des Landes.

Gemeinsam statt einsam: Landesregierung fördert Ideen und Projekte für mehr Miteinander

„Die gute Nachricht ist: Wir verfügen bereits über vielfältige Projekte und Netzwerke, um einsame Menschen in ihren jeweiligen, spezifischen Lebenswelten zu erreichen“, so Minister Lucha. „Die Studie kann uns künftig dabei helfen, das vorhandene Potenzial zu bündeln und im Sinne einer einheitlichen Strategie gegen Einsamkeit weiterzuentwickeln.“ Als Auftakt wird das Sozialministerium fünf Ideenwettbewerbe ausrufen, um innovative Projekte gegen Einsamkeit in besonders betroffenen Zielgruppen zu fördern. Auch die 12. Landesgesundheitskonferenz am 19. November 2025 wird die Studie zum Anlass nehmen, vertieft auf das Thema Einsamkeit einzugehen. Einen besonderen Fokus auf die jüngere Generation legt das Förderprogramm „Connected Minds“ der Baden-Württemberg Stiftung, das ebenfalls im November startet.

Zahlen, Daten, Fakten zur Studie

  • Für die Studie wurden 1.842 Personen befragt, die repräsentativ für die Bevölkerung Baden-Württembergs im Hinblick auf Schulabschluss, Regierungsbezirk, Alter sowie die Kombination aus Alter und Geschlecht sind.

  • 30,1 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg fühlten sich moderat einsam und 8,1 Prozent stark einsam.

  • In der Gruppe der Befragten, die den Zusammenhalt in der Nachbarschaft als schlecht bewertete, lag auch die moderate Einsamkeit mit 43 Prozent höher als bei denjenigen, die den Zusammenhalt neutral (30 Prozent) oder gut bewerteten (24 Prozent).

  • Menschen mit niedrigem Einkommen unter 2.000 Euro gaben signifikant häufiger an, moderat einsam (39 Prozent) oder stark einsam (13 Prozent) zu sein.

  • 54 Prozent der Befragten mit direktem (eigenen) Migrationshintergrund fühlen sich entweder moderat oder stark einsam, gegenüber 34 Prozent der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund.

Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration: Studie „Einsamkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt Baden-Württemberg 2025“

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