Justiz

Digitalisierung im Gerichtsaal

Lesezeit: 3 Minuten
  • Teilen
  •  
Drei leuchtende Würfel mit Paragrafen-Zeichen liegen auf einer Computer-Tastatur.

In Baden-Württemberg hält die Digitalisierung in den Gerichtssälen weiter Einzug. Nicht nur durch Corona ist die Zahl an Videoverhandlungen gestiegen. Auch immer mehr Gerichte führen die papierlose E-Akte ein und sind mit W-LAN ausgestattet.

An einem Mittwochmorgen wird am Arbeitsgericht Ulm über eine Kündigung verhandelt. Doch die Beteiligten sitzen dem Richter Nikolaus Zimmermann nicht etwa gegenüber, er sieht sie nur auf einem Bildschirm. „Hallo, sie können mich gut hören und auch sehen?“, fragt Zimmermann die beiden Anwälte, die per Video zugeschaltet sind. 

Um die Kontakte bei Prozessen während der Pandemie zu reduzieren, setzten in den vergangenen beiden Jahren immer mehr Gerichte in Baden-Württemberg auf Videoverhandlungen – am stärksten hielten diese bei den Arbeitsgerichten Einzug. So wurden dort während der Pandemie im Südwesten bereits zwei Drittel aller Verhandlungen per Video geführt, wie ein Sprecher des Justizministeriums in Stuttgart sagt.

Damit dies möglich war, musste die Digitalisierung der Justiz zunächst grundlegend vorangebracht werden. Baden-Württemberg sieht sich dabei auf einem guten Weg.

Land schafft technische Voraussetzungen an den Gerichten

Richter Zimmermann und seine Kollegen in Ulm begannen schon im Herbst 2020 mit den ersten Videoverhandlungen. Dabei habe geholfen, dass sie schon im März 2019 auf die elektronische Prozessakte umgestellt und so auch Monitore in den Sälen hatten, um die digitalen Dokumente zeigen zu können, erklärt der Richter.

Mittlerweile arbeiten laut Justizministerium rund 70 der Gerichte im Südwesten mit der elektronischen Akte. 40 weitere sollen in diesem Jahr hinzukommen.

Damit die Videoverbindung in den Gerichtssaal funktioniert, braucht es auch Internet.  Im Südwesten sollen bis Ende März alle 160 Gerichtsstandorte mit kabellosem Internet versorgt sein. Bislang ist dies in 700 Gerichtssälen der Fall. 

Doch auch abseits der technischen Voraussetzungen haben sich die Videoverhandlungen bei den Gerichten in Baden-Württemberg schon etabliert. Richter Zimmermann schätzt an ihnen vor allem den Umweltaspekt. „Wenn etwa mehrere Prozessbeteiligte eine lange Anfahrt haben für eine Verhandlung, die auch mal nur einige Minuten dauern kann, lässt sich damit einiges an Aufwand sparen.“ Es sei zudem erstaunlich, wie wenig anders eine Videoverhandlung im Vergleich zu einer Verhandlung in Präsenz ablaufe, sagt der Arbeitsrichter. Der Ministeriumssprecher aus Stuttgart betont, in der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit sei die Videoverhandlung aus dem gerichtlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. 

Videoverhandlungen eignen sich nicht für alle Prozesse

Besonders geeignet sind die Videoverhandlungen an den Arbeitsgerichten aus Sicht von Zimmermann, weil dort eine klare Trennung zwischen Güte- und Kammerterminen herrscht. Bei den Güteterminen, wo zunächst geklärt wird, ob es nicht doch zu einer Einigung kommen kann, findet Zimmermann die Videoverhandlung eine gute Lösung. Die Grenze sei aber dort, wo es stark auf den persönlichen Eindruck ankomme oder sehr komplexe Sachverhalte zu erörtern seien.

Diese Ansicht teilt auch das Justizministerium. Dennoch spricht sich Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges für einen Ausbau der Videoverhandlungen aus. Sie fordert zudem, dass Richter Video-Prozesse verbindlich anordnen können. Nicht gegen den Willen der Beteiligten, aber etwa mit einer zweiwöchigen Widerspruchsfrist. Das würde auch Arbeitsrichter Zimmermann helfen. Er weiß bislang nie genau, wer wirklich per Video zugeschaltet sein wird oder dann doch zu ihm ins Gericht kommt. Der Aufwand, dies bei allen Prozessen und mit allen Beteiligten vorher abzusprechen, sei einfach zu groß, erklärt er. 

In Baden-Württemberg geht es weiter voran. Noch im Februar soll im Südwesten in einem Pilotprojekt die elektronische Akte im Strafverfahren Einzug halten. Videoverhandlungen über Morde oder Misshandlungen wird es dagegen so schnell nicht geben. Im Strafrecht ist und bleibt der Video-Prozess verboten.

Quelle:

dpa/lsw

Weitere Meldungen

In einem Labor der Firmja Q.ANT wird von einer Ingenieurin und einem Ingenieur der Test eines neuentwickelten photonischen Chips mit einem Laserstrahl vorbereitet.
Forschung

Neue Förderinitiative für Quantencomputing

Polizei Festnahme
Polizei

Europaweite Aktionstage zur Bekämpfung des Menschenhandels

Wort-Bild-Marke der Innovationsallianz Baden-Württemberg
Wirtschaftsnahe Forschung

Land fördert Forschungsinstitute der Innovationsallianz

Marion Gentges (links), Ministerin der Justiz und für Migration, und Georg Eisenreich (rechts), Bayerns Justizminister
Justiz

Initiativen aus dem Land prägen Justizministerkonferenz

Symbolbild: Ländlicher Raum. (Bild: Elke Lehnert / Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz)
Ländlicher Raum

Land fördert neun innovative Unternehmen

von links nach rechts: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Bremens Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin
Raumfahrt

Stärkung der deutschen Raumfahrt

Eine Hand greift nach einem digitalen Paragrafen
Justiz

Gemeinsame Erklärung zum Einsatz von KI in der Justiz

Wirtschaftsministerkonferenz 2025
Wirtschaftsministerkonferenz

Mehr Unternehmertum wagen

Ein Prüfstandshandwerker begutachtet am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein Raketen-Triebwerk
Luft- und Raumfahrt

Strategische Weichenstellung für Europas Raumfahrt

Ein Smartphone wird in Händen gehalten.
Schule

Aktionstag zur Bekämpfung von Gewalt an Schulen

Digitalisierung

Land für Digitalen Bauantrag ausgezeichnet

Ein Schild mit der Aufschrift „Flüchtlingserstaufnahmestelle“, im Hintergrund ein Fahrzeug an einer Einfahrt.
Vermögen und Bau

Umweltgutachten zur Bebaubarkeit des Gebiets Schanzacker

Staatssekretär Dr. Patrick Rapp
Delegationsreise

Besuch in der Provinz Nordbrabant und der Region Flandern

Startup Summit 2025
Startup BW

Tolle Geschäftsideen ausgezeichnet

Kabinettssitzung in der Villa Reitzenstein in Stuttgart
Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 3. Juni 2025