Sicherheit

Mehr Videoüberwachung = Mehr Sicherheit?

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Überwachungskameras hängen in Stuttgart von der Decke eines Einkaufszentrums (Quelle: dpa).

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg bezweifelt, dass eine Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum ein geeignetes Mittel zur Erhöhung der Sicherheit ist.

Der schreckliche Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat uns allen erneut die angespannte Sicherheitslage in Deutschland vor Augen geführt. Da ist es nur folgerichtig, dass sich die Sicherheitsbehörden intensiv mit Möglichkeiten befassen, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. Ob die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière jetzt mit Nachdruck geforderte Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum hierfür allerdings ein geeignetes Mittel sei, muss bezweifelt werden.

Um einerseits terroristische Anschläge zu verhindern, andererseits aber auch einer angeblich zu restriktiven Aufsichtspraxis der Datenschutzaufsichtsbehörden beim Einsatz von Videoüberwachung entgegenzuwirken, hat der Bundesinnenminister jüngst einen Gesetzentwurf vorgelegt, der es Privaten erlauben soll, Videoüberwachung in Anlagen mit großem Publikumsverkehr wie Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs nicht nur im eigenen, sondern auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit durchzuführen.

„Die Gleichung ‚mehr Videoüberwachung führt zu mehr Sicherheit‘ wird aus verschiedenen Gründen nicht aufgehen“, kritisiert der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg, Dr. Stefan Brink. „Ein merklicher Sicherheitsgewinn lässt sich allenfalls durch sogenanntes Monitoring, also durch eingriffsbereite Videoüberwachung erzielen, bei der eine ständige Auswertung der Videobilder erfolgt und unmittelbar in erkannte Gefahrenlagen eingegriffen werden kann. Mit dem Aufstellen von Videokameras alleine lassen sich zwar Erfolge bei der Aufklärung und gewisse Abschreckungseffekte erzielen. Zu einer Verhinderung von Gefahrenlagen und Straftaten führt dies allerdings nicht, gerade auch nicht bei terroristisch motivierter Kriminalität“, so Brink weiter. Wegen des ganz erheblichen Personalaufwands für das Monitoring nähmen selbst die Sicherheitsbehörden in der Praxis regelmäßig Abstand von dieser Überwachungsmethode. Auch Private würden diesen Aufwand wohl kaum betreiben. Damit reduziere sich jedoch der behauptete Sicherheitsgewinn des Kameraeinsatzes ganz erheblich. Durch das bloße Aufstellen von Kameras, die lediglich „unbesehen“ aufzeichneten, würden zwar enorme Mengen an Überwachungsdaten produziert, diese jedoch seltenst ausgewertet. „Schon jetzt stehen unsere Sicherheitsbehörden vor dem Grundsatzproblem des Informationszeitalters: Wie werte ich die riesigen Datenmengen sinnvoll aus? Wie filtere ich aus dem übergroßen Bestand überwiegend belangloser Daten die für die Sicherheitslage relevanten Daten heraus?“, fragt Brink. In dieser Situation den Ruf nach noch mehr Daten zu erheben, sei eher kontraproduktiv. Dies sei auch der Grund dafür, dass die Sicherheitsbehörden der Länder, die das Rückgrat unserer Sicherheits-Infrastruktur bildeten, beim Thema zusätzlicher Datenerhebungen eher differenziert und zurückhaltend vorgingen. „Pauschale Forderungen nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum sind daher mit größter Vorsicht zu betrachten“, so Brink weiter.

Zum anderen sei der Ansatz des Bundesinnenministers, nicht-öffentliche Stellen - also private Veranstalter von Events, Leiter von Einkaufszentren oder Verkehrsbetriebe – mit der Videoüberwachung zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen zu betrauen, hoch problematisch. „Unsere Sicherheit ist ein zu wichtiges öffentliches Gut, um sie dem Gutdünken von Privaten zu überlassen“, kritisiert Brink. Ob die privaten Stellen tatsächlich Videoüberwachung einrichten, wie sie das tun und ob sie überhaupt in der Lage sind, sicherheitsrelevante Konstellationen zu erkennen und richtig darauf zu reagieren, stehe in den Sternen. Deshalb habe sich auch die Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern bereits sehr kritisch mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. „Gefahrenlagen zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen ist ureigene Aufgabe unserer Sicherheitsbehörden, niemand ist dafür qualifizierter als die staatlichen Stellen. Sollte dort die Notwendigkeit einer gezielten Ausweitung der Videoüberwachung gesehen werden, wird der LfD dies unvoreingenommen prüfen. Polizei und Verfassungsschutz zum ‚Zweitverwerter‘ privater Videoüberwacher zu machen, kann im Bereich der Gefahrenabwehr nicht der richtige Weg sein!“, folgert Brink. „Die Datenschützer verschließen sich nicht notwendigen und angemessenen Maßnahmen zur Stärkung unserer Sicherheit, sie sind konstruktive und kritische Begleiter unserer Sicherheitsbehörden. Aber nicht jede eingängige und zunächst wohlklingende Forderung nach mehr Überwachung ist auch vernünftig.“

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg

Virtuelles Datenschutzbüro

Quelle:

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg

Weitere Meldungen

Ein Netzwerk-Kabelstecker leuchtet in der Netzwerkzentrale einer Firma zu Kontrollzwecken rot. (Bild: picture alliance/Felix Kästle/dpa)
Digitalisierung

CyberSicherheitsCheck jetzt auch für Handwerkskammern

Ladekabel für ein E-Auto wird in das Fahrzeug gesteckt.
Elektromobilität

225 neue Ladepunkte für Elektro- und Hybridfahrzeuge der Polizei

Eine Haltekelle der Polizei ist bei einer Kontrolle vor einem Polizeifahrzeug zu sehen. (Foto: © dpa)
Polizei

Kontrollaktion gegen Autoposerszene

Gefärbte Eier stehen in einer Palette (Foto: © dpa)
Verbraucherschutz

Österliche Lebensmittel im Fokus der Untersuchungsämter

Eine Haltekelle der Polizei ist bei einer Kontrolle vor einem Polizeifahrzeug zu sehen. (Foto: © dpa)
Verkehrssicherheit

Bilanz des europaweiten Speedmarathons

Eine Frau isst in einer Kantine zum Mittag. (Foto: © dpa)
Ernährung

Modellprojekt für Bio-Verpflegung in Klinik-Kantinen

Ein Mann setzt sich eine Spritze mit Heroin in den Arm.
Sicherheit

Zahl der Drogentoten im Jahr 2024 deutlich angestiegen

Kühe grasen auf einer Weide unterhalb der Kopfkrainkapelle in Simonswald.
Ökolandbau

Land verlängert Förderung für fünf Bio-Musterregionen

Visualisierung Polizeipräsidium Heilbronn
Vermögen und Bau

Polizeipräsidium Heilbronn wird saniert und erweitert

Ein Feuerwehrmann löscht letzte Glutnester auf dem Waldboden (Quelle: dpa).
Forst

Vorsicht vor hoher Waldbrandgefahr

Vor nächtlichem Himmel ist ein gelbes Schild mit der Aufschrift „Waffen verboten“ zu sehen. Zudem befinden sich auf dem Schild durchgestrichene Piktogramme von einer Schusswaffe, einem Messer, einem Schlagstock und einer Reizgasdose.
Sicherheit

Verbot von Waffen und Messern im ÖPNV

Mit einem digitalen Lasergeschwindigkeitsmessgerät wird der Verkehr auf der Autobahn A5 bei Müllheim überwacht. (Foto: dpa)
Polizei

Europaweite Kontrollen gegen Raser

Balingen: Ein Motorradfahrer fährt an einer Kurvenleittafel aus Kunststoff vorbei. (Foto: © dpa)
Polizei

Kontrollen zum Start der Motorradsaison 2025

Schilf-Glasflügelzikade
Landwirtschaft

Notfallzulassung von Pflanzenschutzmitteln gegen die Schilf-Glasflügelzikade

Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges auf dem Dienstpferd „Harro“ und Polizeioberkommissarin Rebecca Schneider, Stammreiterin des Pferdes.
Justiz

Gentges tauft Polizeipferd auf den Namen Harro