Interview

Wir sind bereit zu Kooperationen mit dem Kosovo

Europaminister Peter Friedrich (l.), die Ministerin im Staatsministerium, Silke Krebs (M.), und der Premierminister des Kosovo, Isa Mustafa (r.), im Gespräch

Silke Krebs, Ministerin im Staatsministerium, und Europaminister Peter Friedrich sind in den Kosovo gereist, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Hintergrund ist der massive Zustrom von Flüchtlingen aus Balkanland. Wir haben mit Silke Krebs über die Gespräche mit der Kosovarischen Regierung gesprochen.

Frau Ministerin, sehr viele Menschen sind in den vergangenen Wochen aus dem Kosovo und anderen Balkanländern nach Deutschland geflüchtet. Sie und Ihr Kabinettskollege Peter Friedrich sind deshalb in der vergangenen Woche in den Kosovo gereist. Was war das Ziel der Reise?

Silke Krebs: Der starke Anstieg an Flüchtlingen aus den Balkanstaaten, allen voran aus dem Kosovo, bringt unsere Flüchtlingsaufnahmekapazitäten an die Grenze des Möglichen. Wir wollten uns deshalb ein eigenes Bild der Lage vor Ort machen und die Hintergründe des großen Zustroms von Menschen aus dem Kosovo in Erfahrung bringen.

Aus welchen Gründen kommen zurzeit so viele Menschen aus dem Kosovo nach Deutschland?

Krebs: Der massenhafte Wegzug ist wohl auch eine Art sozialer Protest gegen die Perspektivlosigkeit im Land. Dieses Signal muss man ernst nehmen in der Europäischen Union, wie auch in Deutschland. Denn solange es Länder an der Grenze zur EU gibt, die ein derart krasses soziales und wirtschaftliches Gefälle zu Staaten der Europäischen Union haben, werden wir mit solchen Flüchtlingsbewegungen immer wieder konfrontiert werden.

Dazu kommt: Bei den Kosovarinnen und Kosovaren  herrscht ein Gefühl des Abgehängtseins und Eingeschlossenseins vor, weil die sie im Gegensatz zu den Menschen des restlichen Balkan nicht ohne Visum in die EU reisen können.

Sie haben im Kosovo mit dem Premierminister und weiteren Regierungsvertretern gesprochen. Wie bewertet die Regierung die Flüchtlingsproblematik?

Krebs: Die Regierung bewertet die Flüchtlingsproblematik sehr kritisch. Einerseits schadet der Flüchtlingsstrom den Bemühungen der kosovarischen Regierung, ein Visumsfreiheitsabkommen mit der Europäischen Union abzuschließen. Andererseits wird das Land geschwächt, wenn die Bürgerinnen und Bürger dort in falschen Erwartungen das Land verlassen und nach ihrer Rückkehr wieder integriert werden müssen.

Sie haben sich darüber hinaus auch mit Studierenden und Vertretern der Zivilgesellschaft getroffen. Wie sahen hier die Rückmeldungen aus?

Krebs: Die Rückmeldungen waren vielfältig. Interessanterweise habe ich nicht den Eindruck gewonnen, die Menschen wollten dauerhaft den Kosovo verlassen. Im Vordergrund stand der Wunsch, Praktika oder einen Teil ihrer Ausbildung in Deutschland machen zu können oder die Möglichkeit zu haben, zeitweise in Deutschland zu arbeiten. Viele der Menschen haben in den 90er-Jahren während des Krieges bereits in Deutschland gelebt und sprechen sehr gut deutsch.

Welche Botschaft hatten Sie für Ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner im Gepäck?

Krebs: Wir haben vor Ort deutlich gemacht, dass das Asylrecht für die Menschen aus dem Kosovo eine Sackgasse ist. Leider ist es so, dass viele, die mit falschen Erwartungen und genährt von falschen Versprechungen der Schleuser ihren Job kündigen und Haus und Hof verlassen, ärmer zurückkehren als sie gegangen sind.

Wir erwarten von der Regierung im Kosovo, dass sie Verantwortung für die Rückkehrer übernimmt. Außerdem muss sie sich aktiv für den Ausbau von vernünftigen und funktionierenden Infrastrukturen einsetzen und die Korruption im Land wirksam bekämpfen. Die Regierung hat uns versichert, sie würde die Schleuserkriminalität entschlossen bekämpfen und jeden, der zurückkehrt, willkommen heißen.

Wir haben aber auch angeboten, dass wir dem Kosovo in seiner schwierigen Situation durch Kooperationen unterstützen.

Was muss geschehen, damit sich die wirtschaftliche Situation des Kosovo verbessert und die Menschen ihre Heimat nicht mehr verlassen?

Krebs: Notwendig sind gute Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, um den Menschen Perspektiven und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten im Land selber zu bieten. Aber auch die Wirtschaftsstrukturen müssen noch verstärkt aufgebaut werden.

Die Menschen im Kosovo haben hart um ihren Staat gekämpft, sie lassen ihn nicht leichtfertig im Stich. Aber auch nach jahrelanger Aufbauarbeit gibt es noch viel zu tun.

Es ist natürlich zuvorderst Aufgabe der Regierung im Kosovo, hier Verbesserungen zu bewirken. Aber auch die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft muss hier weiterhin Verantwortung übernehmen und Aufbauhilfe leisten.

Was kann Baden-Württemberg tun, um den Kosovaren in ihrer schwierigen Situation zu helfen?

Krebs: Wir sehen durchaus Möglichkeiten, wie Baden-Württemberg den Kosovo unterstützen kann. Dabei geht es weniger um finanzielle Zuwendungen als vielmehr um Kooperation, etwa in Gesundheits- und Pflegeberufen. Denn es gibt im Kosovo gut ausgebildete Menschen in diesen Bereichen. Aber auch Kooperationen allgemein in der Berufsausbildung sind ein mögliches Feld, auf dem Baden-Württemberg den wirtschaftlichen Aufbau im Kosovo unterstützen könnte. Beim Thema Effektivierung der Landwirtschaft geben wir gerne Unterstützung. Und insbesondere auch Know-how im Hinblick auf Verwaltungshandeln und gutes Regieren kann das Land gerne beitragen.

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