„Ein Nationalpark im Nordschwarzwald wäre ein Gewinn für die Region und ein Alleinstellungsmerkmal. Er könnte dazu beitragen, zusätzliche Wertschöpfung in die Region zu bringen. Ob sie diese Chance, auch im Hinblick auf positive Effekte im Tourismus und Naturschutz, ergreifen wollen, das sollen die Menschen in der Raumschaft entscheiden. Ein Nationalpark kann nur realisiert werden, wenn er von der Region gewollt und getragen wird. Von Seiten des Landes wird kein Konzept übergestülpt“, sagte der für Naturschutz, Forst und Tourismus zuständige Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Alexander Bonde, am Dienstag (9. August) bei einer Wanderung mit Pressevertretern auf dem Ruhestein (Seebach, Ortenaukreis). „Wir streben einen offenen und öffentlichen Prozess an. Die Diskussion und letztlich auch die Entscheidung darüber, ob im Nordschwarzwald ein Nationalpark eingerichtet werden soll, muss auf einer sachlichen Grundlage stattfinden. Wir werden daher ein Gutachten zu den Vor- und Nachteilen eines Nationalparks in Auftrag geben. Bereits jetzt ist es aber wichtig, deutlich zu machen, was die Einrichtung eines Nationalparks bedeutet“, betonte Bonde.
Die Wanderung führte über die Grinden des Seekopfes durch das Naturschutzgebiet und den Bannwald „Wilder See“ zur Darmstädter Hütte. Auf der Strecke wurden die möglichen Gebietskulissen und das Zonierungskonzept mit sogenannten Managementzonen (ein Viertel des Gebiets) und Kernzonen (drei Viertel des Gebiets) erläutert. In Managementzonen können beispielsweise touristische Einrichtungen konzentriert werden und notwendige Pflegemaßnahmen dauerhaft durchgeführt werden. In den Kernzonen bleibt die Natur sich selbst überlassen, aber auch dort bleiben Wanderwege erhalten. Geplant ist ein so genannter Entwicklungsnationalpark. Dies bedeutet, dass Kernzonen nach und nach im Laufe von 25 bis 30 Jahren der Natur überlassen werden. Wie sich touristische Ansprüche mit Zielen des Naturschutzes und zu erwartenden Waldentwicklungen - Stichwort Borkenkäfermanagement - in einem Nationalpark vereinen lassen, war ebenfalls Thema.
Mögliche Gebietskulissen
Mit den großen bestehenden Naturschutzgebieten und mehreren Bannwäldern eigne sich der Nordschwarzwald besonders gut als Gebietskulisse für einen Nationalpark, sagte Bonde. Dort sei die geforderte Naturschutzrelevanz gegeben. Das Gebiet eines möglichen Nationalparks würde rund 10.000 Hektar betragen, die ausschließlich im Staatswald liegen. Damit würden keinerlei Privatwald- oder Kommunalwaldflächen in Anspruch genommen. „Wenn sich Kommunen allerdings gerne an einem Nationalpark beteiligen möchten, dann sind wir dafür offen“, sagte der Minister. Das Gebiet würde so definiert, dass es bereits bestehende Schutzgebietskomplexe berücksichtige - beispielsweise am Schliffkopf oder um den Kaltenbronn. „Wir reden hier also nicht von Flächen von Freudenstadt nach Baden-Baden“, unterstrich Bonde.
Nationalpark ist kein Sperrgebiet - touristischer Gewinn
„Ein Nationalpark ist kein Totalreservat“, so der Minister. Auch in einem Nationalpark könne in weiten Teilen gewandert, Ski oder Rad gefahren oder es könnten Beeren und Pilze gesammelt werden. „Es gibt Bereiche, in denen die Natur ganz sich selbst überlassen wird, und andere Bereiche, in denen wir der Natur dabei zuschauen können“, sagte Bonde. Auch im ältesten deutschen Nationalpark, dem Bayerischen Wald, seien noch immer 60 Prozent des Gebiets frei zugänglich; die restlichen Gegenden seien über Wege erschlossen. Gerade die Beobachtung der Natur in einem Nationalpark würde eine große Anziehungskraft entfalten, wie die Besucherzahlen in anderen Nationalparks in Deutschland zeigten. „Ein Nationalpark ist nicht nur ein Tourismusmagnet, von dem eine ganze Region lebt. Hier entstehen auch Arbeitsplätze.“
Weniger Holz für Industrie
Die Einrichtung eines Nationalparks, in dem die Natur sich selbst überlassen bleibt, bedeute langfristig einen Verzicht auf die Holznutzung in der Kernzone. In der Über-gangsphase werde aber eine Waldbewirtschaftung weiterhin notwendig sein, um die Entwicklung hin zum Nationalpark entsprechend gestalten zu können. „Wir gehen davon aus, dass am Ende dieser Entwicklungsphase in etwa 25 bis 30 Jahren jährlich rund 50.000 Festmeter Holz weniger genutzt werden können als derzeit“, sagte der Minister.
Borkenkäfermanagement
Die Sorge, dass sich der Borkenkäferbefall in einem möglichen Nationalpark ähnlich wie im Nationalpark Bayerischer Wald entwickeln könnte, werde sehr ernst genommen. Bonde machte deutlich, dass Baden-Württemberg auf die Erfahrungen im Freistaat Bayern zurückgreifen könne. „Um die Kernzonen müssten Entwicklungs- und Managementzonen eingerichtet werden, in denen der Borkenkäfer konsequent bekämpft werden kann“, so Minister Bonde.
Weiteres Vorgehen
„Alle genannten Faktoren und die skizzierten Auswirkungen können heute nur Schätzungen sein. Um die Auswirkungen eines Nationalparks und die Vor- und Nachteile konkret benennen zu können, bedarf es eines gründlichen und umfassenden Gutachtens“, unterstrich Bonde. Die gesamte Region und alle betroffenen Branchen sollten bei der Erstellung des Anforderungskatalogs an das Gutachten, dem „Lastenheft“, mitarbeiten und ihre Fragen einbringen. Ende September würden die Fragen rund um die Erstellung eines solchen Anforderungskatalogs bei einer Fachtagung zusammengetragen. „Mit diesem Verfahren stellen wir sicher, dass niemand befürchten muss, mit seiner Interessenlage unterzugehen oder in der Studie nicht berücksichtigt zu werden. Alle haben ein Recht auf und die Möglichkeit zur Mitsprache“, betonte
Bonde.
Quelle:
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg