Justizminister Rainer Stickelberger hat heute (15. Juli) die Justizvollzugsanstalt Offenburg besucht, um sich einen Eindruck von deren Betrieb zu verschaffen. Die Justizvollzugsanstalt in Offenburg ist die einzige teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt in Baden-Württemberg - ein Modell, das die Landesregierung intensiv prüfen möchte. „Ich bin beeindruckt sowohl von der gesamten baulichen Anlage der neuesten Vollzugsanstalt des Landes als auch vom Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagte der Minister in Offenburg. Dennoch spreche er sich dafür aus, die Teilprivatisierung nach Ablauf des Vertrags mit dem privaten Dienstleister im Jahr 2014 nicht weiterzuführen.
Der Minister machte dafür grundsätzliche Erwägungen geltend. „Ich halte den Justizvollzug nicht für Privatisierungen geeignet“, sagte er. Schließlich stelle der Freiheitsentzug für Untersuchungshäftlinge wie auch Strafgefangene einen schwerwiegenden Eingriff dar, der laut Grundgesetz allein den staatlichen Bediensteten vorbehalten sei. Beamte würden seiner Ansicht nach eine gesetzestreue, unabhängige und freie Aufgabenerledigung im Justizvollzug in besonderem Maß gewährleisten.
„Ich erhebe ausdrücklich nicht den Vorwurf, dass der teilprivatisierte Betrieb der Justizvollzugsanstalt Offenburg gegen Rechtsnormen verstößt“, erklärte Stickelberger. Allerdings seien die Grenzen zwischen hoheitlichem und nicht hoheitlichem Handeln fließend und die Gefahr der Grenzüberschreitung sei nicht auszuschließen. Der Minister wies jedoch darauf hin, dass in einzelnen Bereichen Privatisierungen durchaus möglich seien - als Beispiele nannte er den Anstaltseinkauf und den Friseur oder die Friseurin in einer Justizvollzugsanstalt.
Der Vertrag mit dem privaten Dienstleister läuft bis Ende Mai 2014. Der Justizminister erwägt, ihn darüber hinaus nicht zu verlängern. Damit würde der Betrieb der Justizvollzugsanstalt Offenburg künftig ausschließlich von staatlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährleistet, rund 100 Stellen wären davon betroffen. „In geeigneten Fällen und unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte werden wir selbstverständlich die Übernahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des privaten Dienstleisters prüfen“, sagte Stickelberger zu. Er gehe davon aus, dass eine Beendigung der Teilprivatisierung in der Justizvollzugsanstalt Offenburg nicht zu zusätzlichen Belastungen im Landeshaushalt führen wird.
Weitere Informationen für die Redaktionen:
Baden-Württemberg verfügt derzeit über 17 Justizvollzugsanstalten mit 24 Außenstellen, über zwei Jugendarrestanstalten, ein Justizvollzugskrankenhaus, eine Sozialtherapeutische Anstalt mit Außenstelle sowie eine Justizvollzugsschule. Unter all diesen Einrichtungen weist die Justizvollzugsanstalt Offenburg, die von Dezember 2006 bis April 2009 gebaut wurde, eine Besonderheit auf: Neben den staatlichen Bediensteten sind auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer privaten Dienstleistungsfirma in den Betrieb der Justizvollzugsanstalten einbezogen. Vergleichbare Modelle von Teilprivatisierungen gibt es noch in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld (Hessen) und in der Justizvollzugsanstalt Burg (Sachsen-Anhalt).
In Offenburg kümmern sich die privaten Dienstleister überwiegend um die täglichen Versorgungsleistungen und um die Vermittlung sozialer, schulischer und beruflicher Kompetenzen. Im Einzelnen gehört beispielsweise das Versorgungsmanagement mit Küche, Wäsche, Gefangeneneinkauf und Telefonie zu den Aufgaben, außerdem die Gebäudereinigung sowie die Anleitung der Gefangenen dazu, das Betreuungsmanagement mit der medizinischen Versorgung, dem Sozialdienst, dem psy-chologischen Dienst, mit Freizeit, Sport, Schule, beruflicher Ausbildung und Arbeitstherapie. Auch die Beschäftigung der Gefangenen in den Ar-beitsbetrieben fällt in die Zuständigkeit der Privaten.
Ausgenommen sind dagegen die Vollzugsplanung, Lockerungsentscheidungen und die Anordnung von Disziplinar- und besonderen Sicherungsmaßnahmen. Die Organisationshoheit, die Gesamtsteuerung der Anstalt und die Überwachung der Dienstabläufe sind ebenfalls in staatlicher Hand.
Quelle:
Justizministerium Baden-Württemberg