Gemeinschaftsschule

Eine Welt voller Möglichkeiten

Kooperatives Lernen an der Gemeinschaftsschule
Ich erklär’s dir: Zwei Schüler an der Heinrich-Schickardt-Schule in Bad Boll
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Schulleiter Schnell: Wir haben mit der Gemeinschaftsschule eine Tür aufgemacht.
Schulleiter Schnell: Wir haben mit der Gemeinschaftsschule eine Tür aufgemacht.
Individueller Lernfortschritt: Konzentriertes Arbeiten in der fünften Klasse einer Gemeinschaftsschule
Individueller Lernfortschritt: Konzentriertes Arbeiten in der fünften Klasse einer Gemeinschaftsschule
Schüler arbeiten gemeinsam an einer Aufgabe
Im Sommer 2013 gehen weitere 87 Gemeinschaftsschulen an den Start
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An der Gemeinschaftsschule gehen individueller Lernfortschritt und kooperatives Lernen Hand in Hand.
An der Gemeinschaftsschule gehen individueller Lernfortschritt und kooperatives Lernen Hand in Hand.
Zeit für Kunst: Zwei Schülerinnen der Heinrich-Schickardt-Schule in Bad Boll
Zeit für Kunst: Zwei Schülerinnen der Heinrich-Schickardt-Schule in Bad Boll

Die neue Gemeinschaftsschule ist eine leistungsfähige und sozial gerechte Schule. Und sie entwickelt sich zum Erfolgsmodell: So gibt es knapp 300 Gemeinschaftsschulen im ganzen Land. Tendenz steigend. Wir haben einfach mal eine von ihnen besucht: Eine Reportage aus Bad Boll.

Es ist elf Uhr am Vormittag. Die Klassentür zu einer fünften Klasse in der Heinrich-Schickardt-Schule in Bad Boll steht weit offen. An einem Tisch vor der Tür bereiten zwei Jungen einen Klassenausflug ins nahe Göppingen am Donnerstag vor. Dort sollen sie ihrer Klasse den Hauptbahnhof und die Handballhalle von Frisch Auf Göppingen vorstellen. Die wichtigsten Punkte für ihren Vortrag haben sie bereits am Computer recherchiert und auf einem Ausdruck die wichtigsten Stellen markiert, jetzt sind sie dabei, sich Karteikarten als Gedankenstütze für Donnerstag zu beschriften.

Im Klassenraum selbst herrscht geschäftige, aber konzentrierte Arbeitsatmosphäre. In kleinen Gruppen oder allein arbeiten die 23 Schülerinnen und Schüler an ihren Aufgaben. Welches Fach gerade ist? Diese Frage ist nicht zu beantworten. Denn in den so genannten Lernzeiten lernt jede Schülerin und jeder Schüler selbstbestimmt. Während die meisten, wie die beiden Jungs vor der Tür an ihren Vorträgen für den Ausflug nach Göppingen feilen, arbeitet ein anderer Schüler konzentriert für Deutsch. Wieder ein anderer hat sich dicke Bauarbeiter-Ohrenschützer aufgesetzt, um in aller Ruhe an einer Matheaufgabe zu knobeln.

Selbstbestimmtes Lernen: Individuell oder in der Gruppe

„Wir bekommen oft Anfragen, weil sich jemand aus Neugierde mal hinten in eine Unterrichtsstunde reinsetzen möchte“, sagt Schulleiter Thomas Schnell. „Ich sage dann immer spaßhaft: Klar, wenn Sie herausfinden können, wo bei uns hinten ist.“ Denn es gibt an einer Wand im Klassenraum zwar ein Bord, auf das mit dem Beamer Infos über den Ausflug nach Göppingen projiziert sind. Ansonsten ist das Bild in der fünften Klasse aber bestimmt von individuell lernenden Schülern oder den kleinen Gruppen, die sich rund um Tische gesetzt haben oder zusammen an einem der Computer recherchieren. Die Wände hängen voll von den Ergebnissen vorangegangener Projekte, aktuell ist eine von den Schülern erarbeitete Infotafel zu Erich Kästner dazugekommen.

„Schülerzentrierte Unterrichtsmethoden“ heißt das im Fachjargon. Es ist ein charakteristisches Merkmal der Gemeinschaftsschule, mit dem sich auch die Aufgabe und Rolle der Lehrkräfte verändert hat. Denn mit dem Schwerpunkt auf selbstverantwortlichem Lernen fungieren die Lehrerinnen und Lehrer nun als Lernbegleiter, die jeweils individuell auf die einzelnen Schüler eingehen. Auch der Teamarbeit kommt, im Vergleich zum oft beklagten Einzelkämpferdasein an anderen Schulformen, eine zentrale Bedeutung zu.

Selbstverantwortlich voneinander und miteinander lernen – dieses Ziel der neuen Schulform ist in der fünften Klasse an der Heinrich-Schickardt-Schule offensichtlich schnell erreicht worden. Sie gehört zu den ersten 42 Schulen im Land, die im Schuljahr 2012/2013 als Gemeinschaftsschule an den Start gingen.

Bildung braucht Beziehung, keinen Stress

„Der Wohlfühlfaktor ist hoch bei uns“, sagt Thomas Schnell zufrieden, „das hören wir sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von den Eltern. Die Gegner der Gemeinschaftsschule werden uns jetzt natürlich vorhalten, dass durch Wohlfühlen noch niemand etwas gelernt hat. Aber Bildung braucht Beziehung und einen Rahmen, in dem ich mich als Schülerin oder Schüler aufgehoben fühle. Unter Angst, Anonymität, Stress und Hektik lerne ich nichts.“ Schließlich wird auch an den Gemeinschaftsschulen, wie an allen anderen allgemein bildenden Schulen, nach den Bildungsplänen des Landes gelehrt und gelernt: Mathe, Deutsch, Naturwissenschaften, Sprachen und Co.

Einen markanten Unterschied zu den bisherigen Schulmodellen sieht Schnell in der Benotung. Denn um das individuelle Lernen beurteilen zu können, setzt die Gemeinschaftsschule nicht mehr schwerpunktmäßig auf Noten am Schuljahresende, sondern auf ein differenziertes Bewertungssystem für jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler. „Wir bewerten mittlerweile 130 verschiedene Kompetenzen zu den einzelnen Arbeitsbereichen“, erklärt Schnell. Auf diese Weise bekommen die Eltern ein viel detailliertes Bild von der Ausbildung ihrer Kinder. Sie sehen, wo Nachholbedarf besteht, und sie sehen eine Entwicklung: Wie ist die Ausprägung der Kompetenz jetzt, wie war sie vor einem Vierteljahr? Steigert sich das Kind?

Individuelle Bewertung zeigt Tendenzen

„Wenn ich diese differenzierten Rückmeldungen bekomme, brauche ich gar keine Noten mehr“, sagt Schnell. „Am Ende des Schuljahres eine Drei, was sagt das schon aus: Ist das jetzt der Durchschnitt aus einer Vier am Jahresanfang und einer Zwei am Ende? Oder aus einer Eins am Anfang und einer Fünf am Ende?“

In Bad Boll haben sich die Eltern dafür entschieden, dass auf die Benotung ganz verzichtet wird. An anderen Gemeinschaftsschulen im Land wird, neben der differenzierten Bewertung, am Jahresende auch eine Note vergeben. Die Entscheidung darüber treffen die Eltern für ihr Kind, verpflichtend sind Noten nur in den Abschlussklassen. Laut Schnell interessieren sich immer weniger Ausbildungsbetriebe, mit denen er in regem Kontakt steht, für Abschlussnoten. „Die machen ihre zweitägigen Assessment Center und wissen danach viel besser, wen sie brauchen“, sagt er.

Herkunft und Bildungserfolg werden entkoppelt

Von seinen Schulleiterkolleginnen und -kollegen von anderen Gemeinschaftsschulen im Land hat Schnell ebenfalls positive Rückmeldungen bezüglich des nachlassenden Benotungsdrucks bekommen. „Mit der Transparenz, die wir durch die differenzierte Beurteilung erreichen, liegt die Verantwortlichkeit nun bei den Schülerinnen und Schülern“, sagt Schnell. „Jeder weiß genau, was ihre oder seine Stärken und Schwächen sind und woran er oder sie noch arbeiten muss.“

Im Umkehrschluss heißt das: Wenn eine Schülerin etwa bereits gut schriftlich dividieren könne, dann müsse sie nicht noch tage- oder wochenlang weiter die immer gleichen Übungsaufgaben machen wie die leistungsschwächeren Schüler in ihrer Klasse, sondern könne individuell den nächsten Schritt machen und außerdem ihren Mitschülern, die nicht solche Mathe-Asse sind, die schriftliche Division erklären. So gehen individueller Lernfortschritt und kooperatives Lernen Hand in Hand. Fast im Vorbeigehen erreicht die Gemeinschaftsschule damit auch ihr vielleicht wichtigstes Ziel – die Schülerinnen und Schüler erleben Gesellschaft als soziales Miteinander, in der Herkunft und Bildungserfolg weitgehend entkoppelt sind.

Das Modell Gemeinschaftsschule kommt gut an – nicht nur in Bad Boll. Schon jetzt gibt es knapp 300 Gemeinschaftsschulen im ganzen Land. „Wir haben mit der Gemeinschaftsschule eine Tür aufgemacht in eine Welt voller Möglichkeiten“, sagt Schulleiter Schnell, „und wir stehen gerade alle noch am Anfang.“

Weiterführende Links

Fragen und Antworten zur GemeinschaftsschuleHeinrich-Schickardt-Schule Bad Boll
Kultusportal Baden-Württemberg: Die Gemeinschaftsschule
Kultusministerium: Broschüre zur Gemeinschaftsschule (PDF)

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