Menschen mit psychischer Erkrankung können in Baden-Württemberg künftig auf ein besseres Hilfenetz zurückgreifen. Und auch ihre Rechte werden gestärkt. Das neue Landespsychiatriegesetz regelt erstmals umfassend die Versorgung der Patienten. Wir haben darüber mit Sozialministerin Katrin Altpeter gesprochen.
Frau Altpeter, der Landtag hat heute das Psychiatriegesetz für Baden-Württemberg beschlossen. Das Gesetz ist ein echtes Novum. Warum brauchen wir das Gesetz?
Katrin Altpeter: Nehmen Sie den Fall Mollath, der im letzten Jahr über die bayerischen Landesgrenzen hinaus für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat. Viele Menschen fragen sich, wie schnell ein Mensch eigentlich in einer Psychiatrie landen kann und an wen er sich wenden kann, wenn er den Eindruck hat, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Für mich ist klar: Einen Fall Mollath darf es in Baden-Württemberg nicht geben. Deshalb brauchen wir klare Vorgaben.
Unser Gesetz geht aber weit über diesen Punkt hinaus. Wir haben jetzt auch die Rahmenbedingungen für wohnortnahe Hilfen für psychisch kranke Menschen geregelt. Und wir haben ein Gesetz, dass die Rechte von Menschen mit psychischer Erkrankung erstmals klar festlegt.
Was sind die Kerninhalte des Gesetzes?
Altpeter: Erstens haben wir das Hilfenetz verbessert. Dadurch schaffen wir ein dichtes Netz an wohnortnaher Unterstützung. Zum Beispiel haben wir erstmals die Landesförderung für die sozialpsychiatrischen Dienste, also für die ambulante Grundversorgung, gesetzlich festgeschrieben. Sie haben jetzt einen gesetzlichen Auftrag und eine gesetzliche Absicherung. Außerdem haben wir das bürgerschaftliche Engagement gestärkt. Ehrenamt, etwa in Selbsthilfegruppen, spielt in diesem Bereich eine große Rolle.
Zweitens stärken wir mit dem Gesetz die Rechte der Patientinnen und Patienten. Wir schaffen flächendeckende Anlauf- und Beschwerdestellen und richten auf Landesebene eine Ombudsstelle ein, die dem Landtag regelmäßig berichten muss. Zum Schutz der Rechte von Menschen, die gegen ihren Willen aufgrund richterlicher Anordnung in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht wurden, richten wir Besuchskommissionen als neutrale Kontrollinstanz ein. Und wir schaffen ein zentrales Melderegister über Zwangsmaßnahmen.
Drittens wird auch der Maßregelvollzug, also die Unterbringung und Behandlung von psychisch kranken oder suchtkranken Straftätern, in das Gesetz aufgenommen. Sie sollen therapiert und resozialisiert werden, gleichzeitig hat aber die Sicherheit der Bevölkerung oberste Priorität. Das Gesetz sieht deshalb eine bessere Nachsorge bei der Entlassung vor, damit Krisensituationen rechtzeitig erkannt werden können.
Wie viele Menschen mit psychischer Erkrankung profitieren konkret von dem neuen Gesetz?
Altpeter: In Baden-Württemberg sind zurzeit rund 100.000 Menschen in psychiatrischer Behandlung. Von den Verbesserungen durch unser Gesetz profitieren aber nicht nur sie, sondern auch ihre Angehörigen. Aber im Grunde betrifft das Gesetz uns alle. Denn genauso wie jeden von uns eine schwere körperliche Krankheit oder ein Unfall treffen kann, kann auch jeder in die Situation kommen, psychisch krank zu werden.